Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2016: Bonez MC & RAF Camora – Palmen aus Plastik
1 000 Fotos im Suff, was für 'ne Karriere.
Mit "Palmen aus Plastik" haben Bonez MC und RAF Camora wohl eines der einflussreichsten HipHop-Releases der letzten Jahre veröffentlicht. Nicht nur der 187-Mythos erreichte mit diesem Album seinen absoluten Zenit. Vielmehr wirkte es, als bestände die deutsche Rapszene in den Folgemonaten aus kaum etwas anderem als Rhythmen im Karibikstyle und an Reggae erinnernde Autotune-Flows. Grund genug, um einmal genauer auf den verspäteten Sommerhit aus 2016 zurückzublicken.
Allzu überrascht waren die Fans wohl nicht, als Bonez und RAF "Palmen aus Plastik" ankündigten, hatten sich doch schon viele von ihnen seit Songs wie "Marioana" ein Album von Bonez im Reggaeton-Stil gewünscht. Als der Track "Geschichte" auf RAFs Album "Ghøst" zum absoluten Erfolg wurde, schien die weitere Zusammenarbeit beschlossene Sache zu sein. Mit wahnsinnig guten Produktionen und den sich häufenden Ohrwürmern konnten die beiden mit ihrem Kollabo-Album schließlich voll und ganz überzeugen. RAFs Musikalität und Bonez' ganovenhafter Flair passten zusammen wie Topf und Deckel. Songs wie "Vaporizer" mit Trettmann kamen so gut an, dass diese Konstellation seither immer wieder für einzelne Tracks zusammenfand. Kurz gesagt: "Palmen aus Plastik" hätte kaum besser sein können. Zugegeben, zwei Jahre später mit massig Trittbrettfahrern, die den Sound zu imitieren versuchten, kann man dem Album etwas kritischer gegenüberstehen. Trotzdem muss man fairerweise sagen, dass der Hype immer noch nicht unbegründet ist. "Ohne mein Team" kommt nach wie vor auf jeder Party gut an und generell machen die Songs der Platte einfach Spaß.
"Palmen aus Plastik" hat sich mit seinem starken Einfluss und der Tatsache, dass es einfach ein extrem gutes Werk ist, sicherlich einen Platz in der Hall of Fame für deutsche Rapmusik verdient. Auch wenn jeder von uns bestimmt schon mal zum Ausdruck gebracht hat, er könne es nicht mehr hören, vermiest es wohl auch in ein paar Jahren den Wenigsten die Stimmung, wenn der DJ einen Song aus dem Album auflegen sollte. Die Definition eines Klassikers.
(Steffen Uphoff)
(Grafik von Daniel Fersch)