Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2013: SSIO – BB.U.M.SS.N
Wenn du auf deine Gesundheit achtest …
Hol dir statt 'nem Apfel einfach mal den Big King XXL!
Als man mir von SSIO erzählte und im Zusammenhang mit seiner Musik der Begriff Straßenrap fiel, dachte ich zunächst: "Schon wieder so einer." Doch schon vor seinem Debütalbum "BB.U.M.SS.N" konnte er mich mit Tracks wie "Alles Routine" vom Gegenteil überzeugen – durch seine Herangehensweise an die Musik, die sich von der seiner Kollegen unterscheidet.
Ssiawosch Sadat hat mit "BB.U.M.SS.N." etwas geschafft, das in dieser Form niemandem vor und nach ihm gelungen ist. Mit seiner frischen, lockeren Art konnte er neben den eingefleischten AON-Fans viele Hörer aus verschiedenen Ecken für sich gewinnen, die sonst recht wenig mit Rap zu tun haben. Inhaltlich bewegte er sich zwar in Gangsterrap-typischen Themenbereichen wie etwa Drogen und illegalem Geldgewinn, doch es gab da trotzdem etwas, das seine Musik auch heute noch neu und ungewöhnlich wirken lässt. SSIO versteht es, derartige Inhalte – anders als andere Rapper – äußerst humorvoll zu verpacken. Mit Wortspielen sowie einfallsreichen Vergleichen und Reimketten sorgt er dafür, dass man als Hörer hin- und hergerissen ist zwischen Schmunzeln und Kopfnicken. Der Bonner schafft es, manche Lines so zu verkaufen, dass man sie entweder, wenn man denn möchte, ernst nehmen oder die dahintersteckende Ironie für sich herausfiltern kann. Darüber hinaus flowt SSIO äußerst stark auf jedem der sauber ausproduzierten Beats. Der Westcoasteinfluss zwischen G-Funk und Boom bap in den Instrumentals ergänzt die Lyrics perfekt und ist ein weiteres nennenswertes Highlight der Platte.
Hätte mir vorher jemand gesagt, dass all das in das Subgenre Straßenrap fallen und dann auch noch auf einem Album namens "BB.U.M.SS.N." stattfinden kann, so hätte ich es nicht geglaubt. Aber nun weiß ich es besser, denn "SSIO macht schlau" und es sind eben nicht alle seine Fans "maskuline Jungs".
(Dzermana Schönhaber)
(Grafik von Daniel Fersch)