Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
2005: Kollegah – Zuhältertape X-Mas Edition
Ey, ihr rappt über Rap, ich mach' Über-Rap.
Als ein User namens DERKOLLEGAH Mitte der 2000er Jahre in der Reimliga Battle Arena seine Internet-Battles bestritt, ahnten die wenigsten, dass aus ihm zukünftig einer der bis dato erfolgreichsten deutschen Rapper werden würde. Ja, auch der selbsternannte Boss fing klein an und sein ganz großer Durchbruch ließ sogar einige Jahre auf sich warten. Dennoch schuf Kollegah bereits kurz nach seiner RBA-Zeit – am Anfang seiner Karriere – eine Platte, die nicht nur für ihn selbst richtungsweisend sein würde: das "Zuhältertape X-Mas Edition".
Das erste der Zuhältertapes kommt trotz seines Titels nicht besonders weihnachtlich daher – vom Glockenspiel auf "Showtime" vielleicht einmal abgesehen. In den Winter allerdings passte es perfekt, denn Felix Blume rappte mit einer kaltschnäuzigen Beiläufigkeit, dass es einen fast erschaudern ließ. In Sachen Technik setzte der Battlerapper hier neue Maßstäbe: Seine nahezu endlosen Reime stapelt der MC so spielerisch und cool, als seien es Bauklötze. Kolles vollkommen übertriebener Gestus und seine Wortspielereien etablierten einen ganz neuen Unterhaltungswert in deutschen Raptexten, den noch viele zu imitieren versuchten. Eine solche Mischung aus latent-verschrobenem Humor, textlicher Finesse und quasi konkurrenzlosen Rapskills hatte man bis dahin noch nicht gehört. Durch Features von Chissmann, Casper oder Favorite wurde das Tape zusätzlich abgerundet und zu einer wahren Untergrund-Perle. Denn alle Gastbeiträge klangen zum damaligen Zeitpunkt noch gänzlich unverbraucht und vor allem unglaublich hungrig.
Das "Zuhältertape X-Mas Edition" ist nicht das bekannteste und schon gar nicht das erfolgreichste Werk Kollegahs. Aber es ist das wichtigste. Nicht nur, weil es das Profil des ehemaligen Selfmade-Künstlers schärfte und den Grundbaukasten für all seine Werke danach bildete. Sondern auch, weil es die deutsche Rapszene als solche entscheidend mitprägte: Kollegahs Art und Weise zu rappen und zu texten folgte eine ganze Generation an Rappern nach.
(Florian Peking)
(Grafik von Daniel Fersch)