Wenn es draußen langsam wieder kälter wird und sich das Jahr dem Ende neigt, blickt man selbst ja gerne mal zurück und lässt die vergangenen Tage Revue passieren. Wir möchten mit unserem diesjährigen Adventskalender einen Blick zurückwerfen – von heute bis hin zu den Anfängen von HipHop in Deutschland. Sprich: knapp ein Vierteljahrhundert deutscher Rap. Eine Szene, die Mitte der 90er unter anderem "direkt aus Rödelheim" kam, aus dem "Fenster zum Hof" kletterte, sich "vom Bordstein zur Skyline" aufschwang und "zum Glück in die Zukunft" reiste, um sich letztlich zwischen ein paar "Palmen aus Plastik" niederzulassen. Kein Element der hiesigen HipHop-Kultur dürfte in all den Jahren einen so gewaltigen Wandel, so viele Höhen und Tiefen, so viele Erfolge und Misserfolge durchlebt haben wie Rap. Genau diese Entwicklung innerhalb der letzten 24 Jahre möchten wir nun für Euch skizzieren, indem wir jedes Jahr anhand eines Albums darstellen, welches – unserer Meinung nach – nicht nur das entsprechende Veröffentlichungsjahr, sondern auch die Szene allgemein nachhaltig prägte.
1999: Eins Zwo – Gefährliches Halbwissen
Ich will nichts anderes machen als das hier und zwar in Bestform.
Und erfüll' mal wieder mit links die Testnorm.
Ein wenig schade ist es schon, dass nach der Trennung von Eins Zwo "nur" noch Dendemann-Soloreleases erschienen sind und ein Comeback des Duos wohl trotz manchmal aufkommender Anzeichen für immer ein Traum bleiben wird. Denn es ist und bleibt der Meilenstein "Gefährliches Halbwissen", mit dem damals eine deutsche Rapgeschichte überhaupt erst ihren Lauf nahm …
So ist egal, wie eingängig "Endlich Nichtschwimmer" oder auch "Stumpf ist Trumpf 3.0" sein mögen, an die Eins Zwo-Releases kam bisher keine Dendemann-Platte wirklich heran. Doch was hat gerade "Gefährliches Halbwissen" überhaupt zu einem so großen Klassiker gemacht? Da wäre zum einen Dendes markante Reibeisen-Stimme, mit der er locker-lässig über den Beat flowte und die bis heute einzigartig ist. Zum anderen wären da die eingängigen Geschichten, die jeder Track zu erzählen wusste. Geschmückt mit schönsten Wortspielen berichtete uns Larusso von der "Omi aus dem ersten Stock" oder er warf einen Blick in die Zukunft aus der Sicht seines gealterten Ichs. Dabei vergaß er nie, auch eine gewisse Prise Humor und Selbstironie einzustreuen. Oder war es am Ende doch das zeitlose Soundbild, das DJ Rabauke gemeinsam mit Dendemann und I.L.L. Will produzierte? Denn obwohl die Platte schon bald 20 Jahre alt wird, überzeugt die Mischung aus abwechslungsreichen Samples, scheppernden Drums und den passend gewählten Cuts damaliger Hits auch heute noch. Und wenn die Beginner oder auch Samy Deluxe nicht gerade für diese Cuts herhalten mussten, waren sie gleich selbst auf den Tracks gefeaturet. So wurde die Crème de la Crème der 90er auf einer Platte versammelt, ohne fehlplatziert zu wirken.
Am Ende war es ganz einfach die Mischung aus all diesen Komponenten, die "Gefährliches Halbwissen" zu dem machten, was es bis heute ist: ein Klassiker, an den bis jetzt kein Dendemann-Werk mehr heranreichen konnte. Aber eigentlich hätte man dieses Adventskalender-Türchen auch mit einem schlichten "Was soll ich euch noch erzählen, was ihr nicht selber wisst?" abtun können, oder?
(Lukas Päckert)
(Grafik von Daniel Fersch)