Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: Absztrakkt
In der letzten Zeit hat deutscher Rap immer wieder bewiesen, wie kritikunfähig er in weiten Teilen ist und dass Selbstreflexion für viele Vertreter der HipHop-Kultur in Deutschland eher ein Fremdwort zu sein scheint. Und obwohl er sich gerne als Gegenpol zum Szene-Mainstream sieht, glänzt auch Absztrakkt seit einigen Jahren genau damit. Kritische Gegenstimmen zu seinen Aussagen lässt er unreflektiert an sich abprallen oder äußert sich in Statements komplett widersprüchlich zu dem, was er in problematischen Tracks erzählt. Einen neuen Tiefpunkt erreichen die Äußerungen des Rappers auf dem Track "Deine Mudra Euda". Denn egal, ob die Zeile "Ja man, ich bin rechts – und es ist auch gut so" (die im Übrigen nur eine von mehreren fragwürdigen Textstellen ist) nun wirklich so gemeint oder nur aus einer "Wenn ihr mich alle rechts nennt, bin ich eben rechts"-Mentalität entstanden ist: Inakzeptabel bleibt sie in jedem Fall. Dass Rapper gerne mal bockig wie kleine Kinder sein können, müssen wir wohl hinnehmen. Wenn sie aus dieser Engstirnigkeit heraus aber – direkt oder indirekt – Vertretern rechter Gesinnung in die Hände spielen, muss dies in jedem Fall angeprangert und kritisiert werden. Selbst dann, wenn der entsprechende Künstler für Kritik absolut unempfänglich ist.
Video: Füffi – Peng / Voll in die Fresse
Füffis Video zu "Peng / Voll in die Fresse", das unter der Regie von Herr Wedding entstand, erinnert von der Farbgebung zunächst an das gegenderte Kinderzimmer eines kleinen Mädchens, dessen Mutter gerne eine Prinzessin in die Welt gesetzt hätte. Die schrägen Visuals machen dem Zuschauer jedoch sofort klar, dass einem hier trotz Lavendel, Altrosa und knalligem Orange kein Bubblegum-Wohlfühlprodukt präsentiert wird, sondern vielmehr ein psychedelischer Fiebertraum von einem Musikvideo. Während Füffi bitterböse Kommentare über Rapszene und Gesellschaft zum Besten gibt, zeigt ihn die sich ständig bewegende Kamera unter anderem dabei, wie er auf der Rückenlehne statt der Sitzfläche eines altmodischen Drehsessels sitzt und wild gestikuliert. Die Szenen, die den Wahlberliner beim Rappen zeigen, werden neben anderen kryptischen Bildern mitunter von solchen unterbrochen, in denen eine schemenhafte Kreatur scheinbar unter einer Plastikfolie zu ersticken scheint. Ästhetisch irgendwo zwischen M. C. Escher, Stanley Kubrick und Odd Future zu verorten, handelt es sich bei dem Video zu "Peng / Voll in die Fresse" um ein kurzweiliges Werk, das die Kreativität und schiere Verrücktheit seines Protagonisten bestens unterstreicht.
Song: Ćelo & Abdï – Vienna Calling feat. Niqo Nuevo (prod. by PzY)
Das Falco-Tribute-Album "Sterben um zu Leben" weist eine eindrucksvolle Auswahl an Interpreten auf, welche bei diesem Projekt mitwirken. Besonders durch ihren Song hervorheben konnten sich Ćelo & Abdï , die zusammen mit Niqo Nuevo den Klassiker "Vienna Calling" neu interpretieren. Auf sehr sympathische Art und Weise erzählen die drei von früher. Diese Art von Track ist im Rap selbstverständlich keine Neuerfindung des Rads, aber gerade zu Abdï passt dieses Thema – der 385er wirkt schließlich des Öfteren, als sei er immer ein Stück weit Kind geblieben. Viele Hörer werden besonders die Zeile "Es gibt Sachen, die ändern sich nie, wie Dragon Ball gucken und Playstation spiel'n" fühlen. Doch auch Ćelos Part und Niqo Nuevos catchy Hook gehen gut ins Ohr. Passend dazu ist auch das Instrumental von PzY, welches die gut gelaunten Vibes noch einmal unterstreicht. Alles in allem ein Track, der einfach Spaß macht und eine Empfehlung wert ist.
Instrumental: DISSY – Rave on 2018 (prod. by Dongkong)
Dissythekid und das Produzentenduo Dongkong haben bereits auf "Fynn", der letzten EP des Rappers, zusammengearbeitet. Während auf diesem Werk gerne mal Gitarren zu hören waren, ist nun das "Kid" aus dem Namen entfallen und der Sound klingt auch gleich deutlich rabiater. "Rave On 2018" kommt mit einem basslastigen Soundbild daher, das sich allerdings an keinen kontemporären Trends bedient. Dongkong setzen hierbei nicht auf rollende Hi-Hats oder andere oft benutzte Elemente, sondern konzentrieren sich auf schnörkellose Drums, die mit düsteren Synthies einhergehen. Während die Strophen minimalistisch erklingen, basiert die Hook größtenteils auf einem Vocalsample und einem Synthie. Das reicht aber auch aus, um bei kommenden Livegigs von DISSY die Menge ins Schwitzen zu bringen. Denn obwohl der Titel des Songs das Raven suggeriert, dürfte jede Menge in ausgelassenen Pogos zukünftig dazu feiern. Eine großartige erste Single, die neugierig auf das kommende Album macht.
Line: Marsimoto – Samstag der 14te
Der Spuk im Hochhaus ist vorbei, der Fluch Legende.
All die Hitchcocks und die Jigsaws crip-walken durchs Gelände.
Das sind die Zeilen, mit denen Marsimoto sein neuestes Album "Verde" eröffnet. Es sind Zeilen, die eine Geschichte von all den berühmten und verbitterten Horror-Legenden erzählen, die Samstag, den 14. erleben müssen. Es sind vor allem aber Zeilen, die uns ein weiteres Mal in die grüne und durchgedrehte Welt von Marterias Alter Ego entführen. Auf dem Trip durch die 14 Songs werden wir unter anderem durch den Alltag eines Terror-Kükens in der Massenfleischproduktion geführt, sehen die Welt von "Photoshop"-Philipp und die vom "besten Freund des Menschen". Allesamt irrwitzige Gedanken, die nur ein Charakter wie das sympathische "Green Berlin"-Männchen umsetzen könnte. Dabei sprüht vor allem das Horror-Szenario auf dem ersten Track vor lauter kreativer Ideen, die sich bereits mit der ersten Zeile kanalisieren lassen. Die Zeile des Monats ist dabei nur ein Beispiel für viele Metaphern, die einen bildhaft in Szenerien eintauchen lassen – und die ausgehende Gefahr von Norman Bates, Jigsaw und Co. definitiv einschränken.
(Daniel Fersch, Steffen Bauer, Steffen Uphoff, Lennart Wenner, Sven Aumiller)
(Zeichnung von Daniel Fersch, Foto von Paul Ripke)