Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Laut eigener Aussage auf "HG-90" bist du ja "hängen geblieben in den 90ern". Wie und wann genau bist du HipHop denn zum ersten Mal begegnet?
Eins A: Die Hook bezieht sich eigentlich auf eine Facebook-Diskussion in der Braunschweiger Rap-Gruppe. Da meinte einer, dass ich zwar gute Musik mache, aber in den 90ern hängen geblieben bin. Ich selbst bin mit HipHop beziehungsweise Rap erst richtig mit zwölf in Berührung gekommen, also im Jahr 2000. Vorher kannte man das eben von Puff Daddy oder "Space Jam". Da habe ich mich aber immer noch nicht intensiv damit auseinandergesetzt und hab' nebenbei auch andere Musikgenres gehört. Ich durfte HipHop aber zum Glück noch intensiv miterleben – und zwar 2008 in Catania, Sizilien, meiner zweiten Heimatstadt. Dort gab es eine richtig große Szene, die voll von Sprühern, Breakern, Rappern und auch Beatboxern war. Die haben 24/7 Sessions gemacht. Irgendwo war immer was los und jeder hat irgendwas gemacht. Am "Squibb", Catanias HipHop-Hotspot Nummer eins, waren tagtäglich Jams. In der Zeit habe ich viele Freundschaften geschlossen, die bis heute noch halten. Das war der Hammer und sehr prägend. Echter HipHop-Vibe eben.
MZEE.com: Auf der bald erscheinenden LP "Muutu" wird auch ein Feature mit dem sizilianischen Rapper Jamba zu hören sein, von dem du schon viele Jahre Fan bist. Gibt es nach so einer Zusammenarbeit überhaupt noch Rapper, die du gerne einmal featuren würdest?
Eins A: Das mit Jamba ist so ein gutes Beispiel dafür, welch schöne Geschichten das Leben schreibt. Ich hörte seine Musik in Deutschland, er lebte zu der Zeit in Palermo – und zehn Jahre später trifft man sich über Akme in London und macht zusammen Musik. Aber klar gibt es Features, die cool wären. In erster Linie will ich mit dem Menschen cool sein und auch eine persönliche Ebene haben. Ich finde, es hätte überhaupt keinen Wert, wenn man mit jemandem einen Song macht, ihn oder sie aber nicht persönlich kennt. Dürfte ich mir eins aussuchen, dann wäre es wohl Maulheld oder Döll.
MZEE.com: Bist du mit der Szene vorwiegend durch Rap verbunden oder hast du dich auch schon in den anderen HipHop-Disziplinen versucht?
Eins A: Graffiti und Breakdance fand ich immer sehr interessant, aber dafür habe ich nie die Leidenschaft entwickeln können. Bin aber trotzdem gerne zum "Battle of the Year" gefahren, weil das Finale ja glücklicherweise immer in Braunschweig stattfand. Ein paar Sketches habe ich in meinen Schulblock auch mal gekritzelt, aber das ist nicht der Rede wert. Was mich hingegen seit gut zwei Jahren mehr interessiert, ist das Produzieren. Ich höre ja eigentlich auch mehr instrumentalen HipHop. Die ganzen "Hi-Hat Club"-Sachen feiere ich zum Beispiel richtig. Als Rapper braucht man ja auch immer Beats, also wieso nicht mal selbst welche machen? Ich muss da aber noch viel lernen und zähle mich jetzt nicht zu den Top-Produzenten.
MZEE.com: Neben deiner Musik leitest du unter dem Titel "Rapflektion" seit 2015 auch Workshops, um Jugendlichen Selbstreflexion durch Rap näherzubringen. Siehst du diese auch als deine Hauptaussage oder ist die Quintessenz deiner Musik eine andere?
Eins A: Das bezieht sich jetzt mal nur auf die "realen" Rapper und da zitiere ich gerne Megaloh: "Einzige Mucke, wo man das, was man sagt, auch verkörpern muss." Ich finde, gerade Rapper, die einem "ihre Realität" verkaufen wollen, sollten mehr Selbstreflexion haben. Die merken meist selber gar nicht, wie oft sie sich widersprechen. Das hat für mich nichts mit Authentizität zu tun. Vor allem was da für Werte vermittelt werden, finde ich echt kritisch zu betrachten. "Die Mama soll aber nie wieder Tränen vergießen." Ja, dann verkauf und konsumiere keine Drogen mehr, protz nicht rum, lass dich nicht mit Knarren filmen, prügel dich nicht oder bau sonstigen Mist – denn deswegen weint sie. Übernimm Verantwortung und mach Mama stolz. Die wissen auch alle gar nicht, was sie bei den Kids anrichten, aber frag mal die Sozialarbeiter in den Jugendzentren in ganz Deutschland. Da ich mein Leben auf Ethik und Moral aufbaue, muss ich selbstreflektiert sein, um Fehler zu erkennen. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt soften Rap machen muss. Ich kann eine Message auch rough und dope verpacken und sie puncht trotzdem. Ich kann auch mal einen lockeren Battlerap-Part rappen, der sich auch als solcher zu erkennen gibt, aber sich nicht stumpf an Beleidigungen bedient. Das ist Authentizität, weil meine Persona dann auch dahinterstehen kann. Einsicht bringt uns alle weiter!
MZEE.com: Vor Kurzem hast du Doz9 zum Backgammon herausgefordert – und dieser scheint deine Herausforderung auch tatsächlich angenommen zu haben. Wenn du kein Rapper wärst, wärest du dann heute professioneller Backgammon-Spieler?
Eins A: Könnte ich mit Backgammon gutes Geld verdienen, wäre das auf jeden Fall eine Option, die mich glücklich stimmen würde. Ich liebe Backgammon, es gibt aber einfach zu wenig Leute, die das spielen. Deswegen bin ich umso glücklicher, mir ein schönes Konzert geben zu können und dann im Anschluss Doz zu duellieren. Ich hoffe, er ist gut! Als kleiner Junge wollte ich immer "Dinosaurier-Wissenschaftler" werden, so habe ich den Beruf auch immer als Kind genannt. Ich wurde dann aber Fremdsprachenkorrespondent und dann Fliesenleger. Jeder sollte mal einen Einblick in das Baustellenleben wagen. Es ist auf jeden Fall hart, aber sehr, sehr lustig. Ewig wollte ich das trotzdem nie machen. Zum Glück kam Carlos zu mir, der das Projekt "Rapflektion" schon seit über zehn Jahren erfolgreich meistert. Da er das Projekt auch in Südamerika organisiert, brauchte er Verstärkung, damit es hier in Deutschland weitergeht. Ich bin überaus glücklich, Teil davon zu sein, und froh, dass ich Jugendlichen helfen kann, ein gesundes, positives Bewusstsein mit Hilfe von Rap zu entwickeln. Beste Arbeit.
Ein Exclusive von Eins A könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von MZEE.com ansehen:
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Fotos von Ole Plönnigs)
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