Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: In deiner Facebook-Biografie gibst du an, bereits seit über zehn Jahren aktiver Teil der Szene zu sein. Wann und wie bist du HipHop denn erstmals begegnet?
Issoe: Mitte der Neunziger gab es an meiner Schule neben den Jungs, die Rock- und Hardcoremusik von Künstlern wie Guns N' Roses bis Biohazard gefeiert haben, auch die Crossover-Fraktion, die solche Bands wie Rage Against the Machine, (hed)p.e., Dog Eat Dog oder Faith No More gehört haben. Mir gefiel die Kombination aus Rap und Rockmusik auf Anhieb. Wir haben dann untereinander viele Kassetten und CDs ausgetauscht und dadurch unseren musikalischen Horizont erweitert. Da waren dann auch Sachen wie Public Enemy, House of Pain, Cypress Hill oder Wu-Tang darunter. Als MTV und andere Musiksender noch Videos gespielt haben, war ich von der Musik und der Bildsprache der amerikanischen Rapvideos begeistert. Es gab ja noch kein YouTube und man hatte das Gefühl, ständig etwas Neues zu entdecken. So eine Art Fenster in eine spannende Welt. Wir hingen in der Videothek und liehen uns Filme wie "Friday", "Judgement Night" oder "New Jack City" aus. 2Pac lebte noch und dann waren da noch die Saisons 1995 bis 98 der Chicago Bulls mit Michael Jordan, die mich stark geprägt haben. Man hatte das Gefühl, über unterschiedliche Kanäle immer tiefer in den HipHop-Kosmos eingesogen zu werden. In unserem Umfeld war das auch deutlich spürbar: Plötzlich gab es die Leute, die ihre Hosen wie Kriss Kross umdrehten, genauso wie diejenigen, die plötzlich im Unterricht Graffitiskizzen auf Papier zeichneten oder anfingen, Platten zu kaufen. Auf Partys lernte man dann auch die ersten Freestyler und bekannteren Rapper der Gegend kennen und plötzlich hielt ich ein Mikro in der Hand.
MZEE.com: Kannst du dich denn noch an deine allerersten geschriebenen Zeilen erinnern? Beziehungsweise an welche ersten Lines kannst du dich erinnern?
Issoe: Die ersten lyrischen Gehversuche unternahm ich Ende der Neunziger mit englischen Texten. Dabei war ich als Jugendlicher noch sehr stark von Geschichten und dem Slang großer amerikanischer Vorbilder geprägt. Diese Textblätter sind heute nicht mehr auffindbar. Vielleicht ist das auch gut so. Da ich zu der Zeit aber viel Wu-Tang gehört habe, ging es bestimmt um Kung Fu-Filme und Kampfsport-Assoziationen. Die "reiferen" Deutschrap-Versuche fanden sich dann auch gleich auf dem ersten Song wieder, den wir für unsere erste offizielle Rapgruppe geschrieben haben. "Wir sind die Besten. Ziehen von Ost nach West, um die Hallen zu füllen. Geben MCs den Rest." Diese Zeilen waren schon damals so "wegbereitend", dass sie auch gleich für die Hook verwendet wurden. Danach konnte es nur besser werden.
MZEE.com: Im Mai hast du dein Debütalbum "Feuer und Flamme" von 2010 re-releast und die Tracklist von damals um ein paar neue Titel ergänzt. Welcher ist dein persönlicher Lieblingstrack von dir selbst – einer der früheren oder einer der neuen?
Issoe: Auf alle Songs, an denen ich derzeit arbeite, bin ich sehr stolz. Manchmal kann ich aber erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand sagen, ob dieser oder jener Track etwas so Besonderes hat, um für mich zum Lieblingstrack werden zu können. Gerade bei den autobiografischen Songs, die ich auf meiner neuen Platte habe, bin ich da sehr selbstkritisch. Geht es aber um einen Track von "Feuer und Flamme", dann ist es auf jeden Fall "Sag was Dich bedrückt". Der ist genau so geworden, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Und auch textlich bin ich mit der Umsetzung sehr zufrieden. Vor allem das damalige Feedback auf den Song hat gezeigt, dass das Thema eine Menge Leute berührt. Das hat mich sehr gefreut. "Image Is Nothing" – zu dem auch ein Video gedreht wurde, welches ich vor Kurzem wieder veröffentlicht habe – gehört ebenfalls zu meinen Favoriten.
MZEE.com: Hast du eine bestimmte Botschaft, die du mit deiner Musik vermitteln willst?
Issoe: Genau wie bei vielen anderen geschätzten Künstlerinnen und Künstlern meines Handwerks versuche ich das, was ich alltäglich beobachte und erlebe, in den Texten meiner Musik zu verarbeiten. Je nach Art des Songs möchte ich ein bestimmtes Gefühl – heute spricht man ja auch gerne von Vibe – vermitteln oder zum Nachdenken anregen. Mir geht es nicht primär darum, den Zeigefinger zu heben und zu sagen, was richtig oder falsch ist. Vielmehr möchte ich bei bestimmten Titeln, dass sich die Leute mit gewissen Textzeilen auseinandersetzen und gegebenenfalls etwas daraus ziehen, was sie auf irgendeine Art weiterbringt, motiviert oder die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten lässt. Das gilt auch für Battlerap. Wenn ich es schaffe, dass sich der Hörer mit dem tieferen Sinn einer Punchline beschäftigt, dann hab' ich mein Ziel schon erreicht, denn Kunst lebt immer auch vom Diskurs mit ihr.
MZEE.com: Trotz deiner zehn aktiven Jahre in der HipHop-Szene scheinst du alles andere als genug von ihr zu haben. Glaubst du, dass du eines Tages zu alt bist für Rap?
Issoe: Musikmachen gehört für mich seit jeher zum Leben. Ich denke, solange die Beats mich kicken, die Reime fließen und ich etwas zu erzählen habe, werde ich auch weiter Rap machen. Der Song "Bis ans Ende" aus meinem Debütalbum von 2010, für den Primetime – mein DJ und Videoproduzent – und ich jetzt noch mal ein neues Video gedreht haben, bringt es auf den Punkt: Rap ist mein Weg und den geh' ich bis zum Schluss. Auf meinem kommenden Werk "Adamant" geh' ich diesen Weg auch konsequent weiter …
Ein Exclusive von Issoe könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von MZEE.com ansehen:
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Fotos von ivon.SEIDEL.Fotografie)
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