Und all die Farben spiegeln wider, was du siehst …
Doch mein Film läuft im Endeffekt in Anthrazit.
Wer an Scotch denkt – und sich dabei nicht direkt auf Alkohol bezieht –, der erinnert sich an das VBT, poppige Elektro-Beats und dann irgendwie doch wieder an Alkohol. Denn während seiner Turnierzeit war der Flensburger vor allem für partylastige Musik bekannt. Laut, grell und bunt. Kaum eine Farbe könnte den Scotty von damals wohl weniger treffend beschreiben als "Anthrazit". Dennoch ist genau das der Titel seines neuesten Releases – und ein Blick in das Werk erklärt, warum.
Das eingängige, elektronische Soundbild ist geblieben, wirkt auf "Anthrazit" von Beginn an allerdings viel finsterer und weniger ausgelassen. Düstere Synthies schallen über tiefen Bass – teilweise zwar durchaus energisch, aber merklich weniger mit dem Anspruch, locker-flockige Sommerhits liefern zu wollen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Protagonisten selbst: Flow und Talent sind Scotch geblieben, textlich besteht aber nur wenig Verbindung zu früher. Auch wenn der Alkohol noch immer ein wichtiger Fixpunkt im Leben des Rappers zu sein scheint, ist er inzwischen viel weniger feuchtfröhliches Genussmittel als verteufelte Hassliebe. Statt von Konfettiregen erzählt Scotch von den Gedanken rund ums Älterwerden, die ihn, "immer, wenn es schneit", beschäftigen. Das breite, sorglose Grinsen wird durch tiefschwarze "Augenringe" ersetzt und das "Nachhause kommen" ist inzwischen mehr nostalgische Schwärmerei als alltägliche Routine. Auch wenn Scotch die fortwährend trübe Stimmung im Alleingang überzeugend vermittelt, sorgen die Gastbeiträge von Das W, Fehring Grau, Calli, Mave sowie Duzoe und Dollar John durch Gesangseinlagen und ihre ganz eigenen Flows für zusätzliche Abwechslung – in Sachen Rap und auch bezüglich des allgemeinen Soundbilds.
Ob Scotch diesem Stilbruch nun treu bleibt oder damit nur beweisen wollte, dass er auch eine düstere, nachdenkliche Ader besitzt, wird sich zeigen. Überzeugend vermitteln kann er jedenfalls sowohl kunterbunte Stimmung als auch eine Atmosphäre ganz in "Anthrazit". Klar dürfte nun zumindest sein, dass man beim Flensburger an mehr als nur poppige Partymucke denken darf.
(Daniel Fersch)
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