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Interview

Abroo

"Die Leu­te hal­ten sich in Vide­os beim Rap­pen Geld­sta­pel ans Ohr. In einem Video hat sich einer eine Blu­men­va­se ans Ohr gehal­ten. Kannst du mir sagen, was das bedeu­tet?!" – Abroo im Inter­view über das aktu­el­le Niveau im deut­schen Rap, sein neu­es Album sowie die Poli­tik der USA.

"Angst" ist ein all­ge­gen­wär­ti­ges The­ma – so auch für den Lem­goer Rap­per Abroo, der dar­über ein gan­zes Kon­zept­al­bum ma­chen woll­te. Bereits vor fünf Jah­ren kün­dig­te er die­ses Pro­jekt das ers­te Mal an. Dar­aus ent­stand sein aktu­el­les Album "König­reich der Angst", des­sen Titel klar an den Roman "King­dom of Fear" des ame­ri­ka­ni­schen Autors Hun­ter S. Thomp­son an­ge­lehnt ist. Zu Beginn des Inter­views stan­den noch ge­zielte Fra­gen zum Release selbst im Vor­der­grund. Im we­ite­ren Ver­lauf ent­wi­ckel­te sich aller­dings eine span­nende Dis­kus­si­on über die Poli­tik der USA, das ak­tu­elle Niveau im deut­schen Rap und die Ver­gan­gen­heit des Musik­gen­res. Die kri­ti­schen Aus­sa­gen von Abroo zu den un­ter­schied­li­chen The­men run­de­ten das Gespräch op­ti­mal ab – lest selbst.

MZEE​.com: Zu Beginn des Inter­views wer­fen wir mal einen klei­nen Blick in die Ver­gan­gen­heit. Dei­ne aktu­el­le Plat­te hast du bereits 2011 zum ers­ten Mal ange­kün­digt. War­um hat sich das Release der­art in die Län­ge gezo­gen? Wie lan­ge hast du tat­säch­lich an "König­reich der Angst" gearbeitet?

Abroo: Ich habe wirk­lich vier bis vier­ein­halb Jah­re dar­an gear­bei­tet. Fer­tig gewor­den ist alles dann Ende 2015, denn mit dem Mischen und Mas­tern zieht sich das ja immer in die Län­ge. War­um es so lan­ge gedau­ert hat, lag an meh­re­ren Fak­to­ren. Ers­tens habe ich gemerkt, dass es ein schwie­ri­ges The­ma ist und man ein Kon­zept­al­bum nicht mal eben so in drei Wochen run­ter­schreibt. Dadurch habe ich recht viel recher­chiert und mich ein­ge­le­sen. Der eigent­li­che musi­ka­li­sche Rah­men stand auch schon, aber den habe ich dann wie­der ver­wor­fen. Hier und da kam ein Song dazu, den ich doch nicht mehr auf dem Album haben woll­te. Eigent­lich ist es immer die Kunst des Weg­las­sens, gera­de bei dem The­ma "Angst". Da hät­te man theo­re­tisch auch ein Dop­pel­al­bum draus machen kön­nen. Der zwei­te Grund ist, dass ich beruf­lich rela­tiv stark ein­ge­bun­den war und ein Stück weit noch gesund­heit­li­che Pro­ble­me dazu­ka­men. Das hat sich dann alles mehr oder weni­ger in den Vor­der­grund geschoben.

MZEE​.com: Wer ist denn über­haupt das Ober­haupt in die­sem König­reich und wie regiert er gerade?

Abroo: Die Fra­ge ist gut. (grinst) Es ist eine Refe­renz zum Hun­ter S. Thompson-​Buch "King­dom of Fear", aber ich wür­de im Grun­de genom­men sagen, dass Deutsch­land das König­reich der Angst ist. Wir haben auf jeden Fall die meis­te Angst vor allem und uns wird auch die meis­te Angst gemacht. (lacht) Im König­reich der Angst regiert natür­lich auch die Angst selbst.

MZEE​.com: Neben dem eigent­li­chen Album befin­det sich auf "König­reich der Angst" auch ein Hör­buch des Autors Dirk Bernemann. Was hat es mit dem Hör­buch auf sich und wie kam die Zusam­men­ar­beit zustande?

Abroo: Ich habe Dirk Bernemann 2010 auf einem Antihelden-​Album eine Zei­le gewid­met, die lau­tet: "Irgend­was zwi­schen Bernemann und Bret Eas­ton Ellis" – und dar­auf­hin hat er sich tat­säch­lich gemel­det. Über die Jah­re hin­weg haben wir eine Art Freund­schaft auf­ge­baut. Ich bin zu sei­nen Lesun­gen gegan­gen, er ist zu Kon­zer­ten gekom­men. Ich habe ihm Musik zuge­schickt, er hat mir Bücher vor der Ver­öf­fent­li­chung zukom­men las­sen. Und dann haben wir uns gegen­sei­tig mehr oder weni­ger die Kri­tik um die Ohren gehau­en. Wir haben uns aber auch bei der Ent­ste­hung der jewei­li­gen Wer­ke ein biss­chen gehol­fen. Irgend­wann habe ich ihm erzählt, dass ich vor­ha­be, ein Album namens "König­reich der Angst" zu machen. Er wuss­te natür­lich sofort, wo das her­kommt, wor­auf­hin ich ihm die ers­ten Tracks geschickt habe. Er war sofort begeis­tert und ich hab' ihm vor­ge­schla­gen, mir was für das Book­let zu schrei­ben. Er hat sich dann aber dazu ent­schlos­sen, nicht über jeden Song, son­dern einen kom­plet­ten Text zu schrei­ben. Das End­pro­dukt war recht lang und wir über­leg­ten, ein Buch zu machen, das zur CD dazu­kommt. Er kam auf die Idee, die­ses Buch zu ver­to­nen und ein Hör­buch dar­aus zu machen. Genau so, wie es ist, woll­te ich es auf die CD packen und bei der Vinyl als 7Inch auch noch mal dazulegen.

MZEE​.com: Warst du denn sofort begeis­tert von dem, was er dazu bei­tra­gen woll­te? Oder habt ihr euch noch mal zusammengesetzt?

Abroo: Das Gan­ze funk­tio­niert als Sym­bio­se, nur eben ein­mal aus Autoren­sicht und ein­mal aus Rap­per­sicht. (lacht) Es ist schon sei­ne eige­ne Sicht­wei­se und er hat das auch in sei­nem Stil ver­ar­bei­tet. Auf mein Album wird nur an weni­gen Stel­len ein­ge­gan­gen. Ansons­ten ist es sei­ne Art und Wei­se, mit den ver­schie­de­nen Ängs­ten umzu­ge­hen, wobei es sicher­lich hier und da auch nicht immer ganz ernst gemeint ist. (grinst) Unge­wöhn­lich ist es auf jeden Fall, aber es ist nicht so, dass ich von Anfang an gedacht habe: "Oh, die machen alle Amazon-​Pakete, da muss ich jetzt auch irgend­was machen, aber mir fällt nichts ein – dann mach' ich halt ein Hör­buch". Wir machen kei­ne Amazon-​Boxen, weil mir schon klar ist, dass da mit den Charts nichts geht. Dem­entspre­chend war mir ein­fach wich­tig, dass das Pro­dukt toll ist und nicht pene­trant auf den Umsatz hin­ge­ar­bei­tet wird. Dirk Bernemann – auch wenn er davon lebt – geht es genau­so. Wir sind da bei­de im Kopf zu sehr Künst­ler und wol­len ein­fach das machen, wor­auf wir Bock haben. Mir ist auch klar, dass es die Ziel­grup­pe des nor­ma­len Rap­pers nicht trifft. Das war aber schon immer so und ich muss auch nicht Everybody's Dar­ling sein. Mein Album ist dann doch sehr ernst gewor­den, ein­fach schwe­re Kost und sehr eckig. Wenn es der eine oder ande­re hört, ist mir das schon viel wert.

MZEE​.com: Grei­fen wir mal ein paar poli­ti­sche The­men auf. Du sprichst auf dem neu­en Album davon, dass die Lage "hoff­nungs­los, aber nicht ernst" sei und rappst von einem Über­wa­chungs­staat und dro­hen­dem Atom­krieg. Siehst du dar­in eher ein Endzeit-​Szenario oder die Gegenwart?

Abroo: Es ist alles mit einem zwin­kern­den Auge zu ver­ste­hen. Jeder ande­re wür­de sagen, dass ich Spie­gel vor­hal­te, aber das ist Quatsch. Ich ver­su­che die Leu­te mit sol­chen Sät­zen wie "Die Luft riecht schon viel bes­ser mit den Umwelt­pla­ket­ten" zum Nach­den­ken zu krie­gen, ohne mit dem erho­be­nen Zei­ge­fin­ger daher­zu­kom­men. Es war mir wich­tig, dass man diver­se The­men so anpackt, wie es noch kei­ner gemacht hat, und auch ein Stück weit Leu­te dazu bewegt, eine Zei­tung oder ein Buch zu lesen. Ich hal­te es für wich­tig, die Nach­rich­ten ein wenig zu fil­tern, um sehen zu kön­nen, dass sich vie­les um Schlag­zei­len dreht. Das ist natür­lich schwie­rig heut­zu­ta­ge bei so enorm viel Ablen­kung, aber einen Ver­such war es wert.

MZEE​.com: Du hast mit "Ster­ne und Strei­fen" gera­de einen kri­ti­schen Track über die USA raus­ge­bracht. Wie ver­folgst du den aktu­el­len Präsidentschafts-Wahlkampf?

Abroo: Dar­an kommt man ja eh nicht mehr vor­bei, das ist klar und war noch nie anders. Es ist ein The­ma für sich, denn im End­ef­fekt kann man es mit "Big Brot­her" oder dem Dschun­gel­camp ver­glei­chen, weil es auch nur ein gro­ßes Thea­ter ist. Am Ende kommt es dar­auf an, wer sich am bes­ten prä­sen­tiert oder durch skur­ri­le Sät­ze in den Vor­der­grund stellt, wie Trump es tut. Die Amis sind auch mitt­ler­wei­le ein her­an­ge­züch­te­tes, dum­mes Volk. Natür­lich nicht alle, aber die sind ein­fach das Vor­zei­ge­bei­spiel, dass viel Schei­ße pas­sie­ren kann und ein­fach nie­mand auf die Stra­ße geht. Das letz­te Mal, dass rich­tig was los war, war beim Viet­nam­krieg zwi­schen 1965 und 1974. Da war Action, aber danach kam auch nichts mehr. Und es ist ja nicht so, als hät­ten die Ame­ri­ka­ner danach kei­ne Krie­ge mehr geführt. Irgend­wie haben sie es hin­be­kom­men, dass alle unin­ter­es­siert und unkri­tisch an alles her­an­ge­hen. Ich glau­be, dass bei die­sem Wahl­kampf – wie in vie­len ande­ren Län­dern auch – der bes­se­re Schau­spie­ler gewählt wird. Aber der kriegt eben dann kei­nen Oscar, son­dern das Amt. Klingt viel­leicht auch ein biss­chen abge­dro­schen, als wür­de ich alles nur nega­tiv sehen, aber es gibt nichts, was mich vom Gegen­teil über­zeu­gen könnte.

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MZEE​.com: Ich fin­de, du hast gera­de ein paar inter­es­san­te Punk­te ange­spro­chen. Ich weiß nicht, inwie­weit du dich mit den ande­ren Kan­di­da­ten beschäf­tigt hast. Die gro­ßen zwei die­ser Vor­wah­len sind ja allen bekannt. Siehst du jeman­den, der einen Wan­del in die Welt­po­li­tik brin­gen könn­te, oder denkst du, dass es eigent­lich total egal ist, wer gewählt wird?

Abroo: Ich ver­mu­te eher Letz­te­res. Ich glau­be, dass das wie bei jedem jun­gen Poli­ti­ker oder auch Staats­an­walt ist: Am Anfang ist man immer sehr über­zeugt von der Sache, etwas zu ändern. Aber wenn man den rich­ti­gen Ein­blick in die­se gan­zen Machen­schaf­ten bekommt, dann ist man auch rela­tiv schnell wie­der run­ter von sei­nem Trip und ver­sucht die eige­ne Amts­zeit abzu­sit­zen, ohne irgend­wel­che extrem schlim­men Feh­ler zu machen. Und selbst das wird bei den Ame­ri­ka­nern recht schnell ver­zie­hen. Da baut ein Bush 1991 Schei­ße, ein paar Jah­re spä­ter kommt der nächs­te Bush und für die­ses Jahr hat­te sich schon wie­der einer zur Wahl gestellt. Wür­den sie wirk­lich Kan­di­da­ten stel­len, die was Wich­ti­ges und Intel­li­gen­tes zu sagen hät­ten, wäre das alles schwe­rer. So sieht man ja, dass jemand wie Donald Trump wei­ter­kommt, der einen Bun­des­staat nach dem nächs­ten holt, was woan­ders undenk­bar wäre … Bei "Big Brot­her" oder dem Dschun­gel­camp gewinnt ja auch nicht der mit den intel­li­gen­tes­ten Reden, son­dern die skur­rils­te Per­son. Dass bei den Prä­si­dent­schafts­wah­len aber gera­de über die eige­ne Zukunft ent­schie­den wird, ver­ste­hen vie­le gar nicht. Ich habe nur Kopf­schüt­teln dafür übrig. Und von "Ster­ne & Strei­fen" sind man­che Zei­len schon ganz lan­ge in mei­nem Kopf. Die ers­ten habe ich 2003 geschrie­ben, aber es ist ein­fach immer noch aktu­ell und das ist doch irgend­wie erschre­ckend. Das soll aber nicht bedeu­ten, dass wir Deut­sche da bes­ser sind, denn man­che The­men, die wir vor 20 Jah­ren hat­ten, haben wir auch immer noch. Das nimmt auch kein Ende, aber bei den Amis ist es auf einem ganz ande­ren Level.

MZEE​.com: Auf "Ster­ne & Strei­fen" rappst du: "Doch anstatt im Big Apple mal die Wür­mer zu zäh­len, schickst du Bau­ern in den Krieg, weil dir zwei Tür­me feh­len". Ich lese unter ande­rem dar­aus, dass für die USA dei­ner Mei­nung nach die Aus­ein­an­der­set­zung mit den natio­na­len Pro­ble­men Prio­ri­tät vor einem "Krieg gegen den Ter­ror" oder gene­rell mili­tä­ri­schen Inter­ven­tio­nen im Aus­land haben soll­te. Kannst du etwas detail­lier­ter erläu­tern, wie­so du die­ser Ansicht bist?

Abroo: (lacht) Ich habe die­se Schach-​Analogie natür­lich ver­wen­det, weil es tak­tisch ist. Man kann sehr viel hin­ein­in­ter­pre­tie­ren, was auch gut so ist. Ich glau­be, dass die Ame­ri­ka­ner die innen­po­li­ti­schen Pro­ble­me für Außen­po­li­tik ver­wen­den. Wenn ein Ein­hei­mi­scher wie Timo­thy McV­eigh (Anm. d. Red.: Bom­ben­at­ten­tä­ter von Okla­ho­ma City, 1995) daher­kommt und nicht nur gegen den Staat, son­dern wahr­schein­lich auch noch rechts­ra­di­kal ist, dann bringt denen das nichts. Da könn­te man aller­höchs­tens sagen, dass man das Bud­get für das FBI ver­dop­pelt, aber davon hat der Staat außen­po­li­tisch nichts. Als das damals pas­siert ist, wur­de er ver­ur­teilt und ist hin­ge­rich­tet wor­den. Das war's. Wenn aber jemand von außer­halb kommt und das macht, muss Krieg geführt wer­den. Dann muss man über­all hin – im Namen von allem Mög­li­chen … im Namen der Frei­heit und im Namen Got­tes, was ja Bush andau­ernd erwähnt hat – der übri­gens auch mit einem Zitat in dem Track ist. Im eige­nen Land haben sie so wahn­sin­nig vie­le Pro­ble­me und ich weiß ja nicht, wie man Ter­ror genau defi­niert, aber ich defi­nie­re das wahr­schein­lich anders als die. Für die ist das wahr­schein­lich kein Ter­ror, wenn alle zwei Mona­te jemand mit zwei TEC-​9-​Waffen durch eine Schu­le rennt oder im Kino als Joker ver­klei­det Men­schen ermor­det. Die­ses The­ma wird gar nicht ange­gan­gen. Ganz im Gegen­teil heißt es dann, dass man sich erst recht bewaff­nen muss, weil das jedem über­all pas­sie­ren kann. Wenn jetzt aber jemand Amok läuft, der einen lan­gen Bart hat und nicht aus Ame­ri­ka kommt, dann müs­sen wir auf­pas­sen, wo sie als Nächs­tes angrei­fen. Das ist schein­hei­lig bis zum Geht­nicht­mehr und mei­ner Mei­nung nach auch extrem durchsichtig.

MZEE​.com: Kannst du viel­leicht auch direkt ein paar der größ­ten "Wür­mer" iden­ti­fi­zie­ren, die dir in den Sinn kommen?

Abroo: Im End­ef­fekt ist es nichts ande­res als in ande­ren Staa­ten auch, denn es regiert kei­ne Per­son oder Senat. Von daher gibt es jede Men­ge Wür­mer, die das Land zugrun­de rich­ten, viel Schei­ße bau­en und das kom­plett offen machen kön­nen. Neh­men wir mal das The­ma "Ernäh­rung" als Bei­spiel. Es gibt Leu­te, die die Schul­kü­chen kom­plett in der Hand haben. Die Kids krie­gen ihre Slop­py Joes plus Bur­ger mit Coca-​Cola und das wird dann als Nah­rung hin­ge­stellt. Das alles nicht, weil es beson­ders güns­tig ist, son­dern weil dahin­ter eine rie­si­ge Fir­ma steht, die den klei­nen Kon­su­men­ten an ihr Essen gewöh­nen will. Da ist nichts mehr echt, denn es gibt nicht mal rich­ti­gen Wei­zen. Das ist nur noch gen­ma­ni­pu­lier­tes Zeug. Allein das Fleisch ist ein ganz ande­res The­ma. Die fan­gen schon früh an, die Kids von Din­gen abhän­gig zu machen; ein ganz gro­ßer Fak­tor dabei ist auf jeden Fall Zucker. Da hän­gen also noch ganz vie­le ande­re Sachen dahin­ter, wie zum Bei­spiel die Phar­ma­zie. Ich weiß, das kommt einem jetzt so vor, als wür­de man mit einem Ernäh­rungs­wis­sen­schaft­ler reden, aber das kann man bei denen ein­fach nicht ver­nach­läs­si­gen, weil es süch­tig macht. Bei der Waf­fen­lob­by zum Bei­spiel brau­che ich nicht mal erklä­ren, war­um die auch zu den Wür­mern zählt. Ich glau­be, ich wür­de sogar soweit gehen und auch gezielt die Bil­dung nen­nen. Ich kann mich erin­nern, dass, als ich in der Schu­le war, man­che Mit­schü­ler nach einem Aus­lands­jahr in den USA voll­kom­men scho­ckiert über die dor­ti­gen Zustän­de wie­der­ka­men. Das ist unfass­bar und ich glau­be auch irgend­wie, dass das Absicht ist. Für eine Welt­macht einen solch beschis­se­nen Bil­dungs­stan­dard zu haben, da kann nur eine Metho­de dahin­ter sein. Anders kann ich mir das nicht erklä­ren. Deutsch­land ist inzwi­schen auch irgend­wo im Mit­tel­feld. Es gibt eini­ge Staa­ten, die sowas mit­ma­chen und zum Glück auch eini­ge, die es sein las­sen – wie die Skan­di­na­vi­er, die in allen Berei­chen sehr gut auf­ge­stellt sind, auch im Bildungs- und Gesund­heits­sys­tem. Ame­ri­ka hat extrem vie­le Wür­mer und die Leu­te, die gezielt nach die­sen Wür­mern suchen, um sie zu ent­lar­ven, wür­den ein­fach ruhig­ge­stellt und nicht ernst genom­men werden.

MZEE​.com: Warst du denn mal selbst in den USA und konn­test dir einen Ein­blick gewin­nen oder beruht dei­ne Mei­nung eher auf Recher­chen und Berichten?

Abroo: Ich war noch nie da und muss auch sagen, dass es mich nicht unbe­dingt reizt. Es gibt man­che Sachen, die inter­es­sant sind, zum Bei­spiel die Bay Area um San Fran­cis­co. Wenn man sich mit Ame­ri­ka­nern unter­hält, dann fällt schon auf, dass sie die­sen Abso­lu­tis­mus in die Wie­ge gelegt bekom­men. Es hat auch einen Grund, wie­so man in der Schu­le ein Treue­ge­löb­nis spre­chen muss und nach Sen­de­schluss die Hym­ne kommt. Die sind extrem über­zeugt von sich. Es ist, wie ich es in dem Song auch sage: Es gibt unfass­ba­re Tech­no­lo­gien dort und dann gibt es Bun­des­staa­ten, in denen die Wahl­zet­tel gestanzt wer­den müs­sen, wobei ein­fach Feh­ler pas­sie­ren. Die wol­len auch gar nicht, dass dort rich­tig gewählt und aus­ge­zählt wird. (lacht) Ich glau­be, über Ame­ri­ka allei­ne hät­te man fast ein gan­zes Album machen kön­nen. Nicht jeder kam auf die­sen Song klar. Es hieß mal, es sei ein "ein­sei­ti­ger Anti-​Amerikanismus" … da bleibt aber auch nicht viel auf der ande­ren Sei­te ste­hen. (grinst) Wenn du sagst, man soll was Posi­ti­ves auf­schrei­ben, wird es eng und man kann kaum was sagen. Ich glau­be auch, dass vie­le Leu­te, sobald ein kri­ti­scher Song über Ame­ri­ka kommt, in die Defen­si­ve sprin­gen und es als sehr ein­sei­tig oder ober­fläch­lich bezeich­nen, was nicht wahr ist. Aber sie kön­nen damit ein­fach nicht viel anfan­gen oder wol­len es nicht wahr­ha­ben. Natür­lich habe ich dabei völ­lig über­trie­ben und gera­de in den letz­ten zwei Zei­len gibt es vie­le Wor­te, die ich mit­ein­an­der ver­bin­de, was sehr pla­ka­tiv ist. Aber es inter­es­siert auch kei­nen, wenn ich nur mit poli­tisch daher­ge­sag­ten Sät­zen kom­me. Dann lie­ber ein­mal rich­tig mit dem Vor­schlag­ham­mer drauf­hau­en und die Leu­te sind viel­leicht scho­ckiert, aber den­ken wenigs­tens dar­über nach.

MZEE​.com: War­um hast du dir für einen Track gera­de die­ses und kein inter­es­san­tes euro­päi­sches The­ma aus­ge­sucht? Wie­so liegt dir das so am Herzen?

Abroo: Euro­päi­sche The­men sind natür­lich auch auf dem Album ver­tre­ten, aber einen gan­zen Track über eine The­ma­tik habe ich nur in die­sem Fall gemacht. Aller­dings muss man auch sagen, dass kein ande­res Land unse­re Nach­rich­ten und unser Welt­bild gene­rell so sehr bestimmt wie Ame­ri­ka. Wir mögen ja alle ein paar Din­ge. Zum Bei­spiel Pop­corn essen im Kino. Es hat auch einen Grund, war­um ein­mal im Jahr alle zum Super Bowl ihre Football-​Klamotten raus­ho­len und sie­ben Stun­den ein Spiel gucken, was sie über­haupt nicht ver­ste­hen. Ich glau­be, man guckt auch immer noch ein biss­chen hoch und denkt, dass Ame­ri­ka der Stan­dard ist. Man hät­te auch über die Men­schen­rechts­ver­let­zung in Chi­na schrei­ben kön­nen, aber dazu hät­te ich wahr­schein­lich zu wenig Stoff gehabt. Ame­ri­ka ist wirk­lich die­ses eine Land, was mit jedem Scheiß durch­kommt – und des­we­gen ist das so der Gul­li der Welt. Es muss eine Per­son geben, die das alles mal zusam­men­fasst, aber letzt­end­lich inter­es­siert es die Mehr­heit auch nicht, was ein klei­ner Rap­per aus Lem­go erzählt. Nur muss es mir ja auch auf der See­le gebrannt haben, sonst hät­te ich kei­nen gan­zen Song dar­über gemacht. Selbst wenn nur 20 Leu­te dabei sind, die dar­über nach­den­ken, dann habe ich mehr erreicht als mit einem Album, was sich Mil­lio­nen Mal ver­kauft hät­te und alle nur: "Siz­zurp".

MZEE​.com: Kom­men wir noch mal zum The­ma "Angst" zurück. Lud­wig Bör­ne hat ein­mal geschrie­ben: "Es ist nichts zu fürch­ten als die Furcht". Denkst du, da ist was dran?

Abroo: (über­legt) Ja, ich den­ke, dass da was dran ist. Und in man­chen Berei­chen ist die Furcht an sich auch in Ord­nung. Aber es gibt mitt­ler­wei­le kei­nen Bereich im Leben mehr, wo einem kei­ne Angst gemacht wird. Man wächst damit schon von klein an auf. Des­halb fan­ge ich mein Album auch mit dem Song "Bie­nen­staat" an, weil man mit so viel Blöd­sinn auf­wächst, der einem erzählt wird. Die Angst ist ein Werk­zeug, von dem Staats­män­ner schon vor tau­send Jah­ren wuss­ten, dass es super funk­tio­niert. Mit Furcht und Angst wur­de schon immer gespielt. Es fängt im Kin­des­al­ter an und geht bis in das Erwach­se­nen­le­ben, wie ich es jetzt auch mit der Fra­ge nach Hei­rat, Haus­kauf und Kin­der­krie­gen erle­be, weil man das doch so macht. (lacht) Den gro­ßen Teil über die Reli­gi­on habe ich raus­ge­las­sen. Der kommt jetzt aber auf ein ande­res Album, da ich den ein­fach machen woll­te. Reli­gi­on arbei­tet natür­lich auch viel mit Ängs­ten. Ich rede aber nur vom Chris­ten­tum, weil ich von den ande­ren Reli­gio­nen in den besag­ten Song nichts habe ein­flie­ßen las­sen. Ich habe viel davon mit­be­kom­men, bin aber sel­ber Athe­ist und gera­de dadurch habe ich wahr­schein­lich immer die­se kri­ti­sche Hal­tung gehabt, war­um einem etwas so und so vor­ge­hal­ten wird und man etwas so und so machen muss.
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MZEE​.com: In der Pres­se­er­klä­rung zur Plat­te heißt es: "Die Exis­tenz von Ängs­ten ist über­wie­gend unab­hän­gig von Kul­tur und Zeit­al­ter – was sich ändert, sind nur die Angst­ob­jek­te". Dar­auf fol­gen eini­ge Bei­spie­le wie "Bak­te­ri­en, Unfäl­le und Ein­sam­keit". Aber: Wovor hast du denn abseits all­ge­mei­ner Ängs­te der Gesell­schaft per­sön­lich Angst?

Abroo: Ich hab' nicht so Bock auf Höhen. (lacht) Ich kann mich nicht im zwan­zigs­ten Stock auf ein Fens­ter­brett set­zen, das geht ein­fach nicht. Abge­se­hen davon wür­de ich behaup­ten, dass ich mich von den gesell­schaft­li­chen Ängs­ten frei­ma­chen kann. Nach dem Ende des Stu­di­ums habe ich mir auch gedacht, dass ich erst mal ein Jahr lang nichts mache, was ja auch in Ord­nung ist, wenn man bedenkt, dass ich 14 Semes­ter stu­diert habe. (lacht) Selbst in die­sem Jahr, wo ich nichts gemacht habe, hat­te ich den Gedan­ken, dass ich was Ver­nünf­ti­ges machen muss. Viel­leicht auch etwas, was mir nicht jeden Tag Spaß macht, ich aber trotz­dem machen muss, weil ich Ver­pflich­tun­gen habe. Ich glau­be, das ist die Angst, die jeder hat: Ein­fach irgend­wann für sei­nen Lebens­stan­dard nicht mehr zah­len zu kön­nen und auf­grund des Gel­des eine Arbeit zu haben, auf die man nicht immer Lust hat. Zum Glück habe ich aber einen Job, mit dem ich zufrie­den bin, weil ich etwas sehr Sinn­vol­les mache und damit viel bes­ser leben kann. Nichts­des­to­trotz hat man die Angst bezie­hungs­wei­se Fra­ge, ob es einen in dem Beruf in zehn Jah­ren noch gibt. Ansons­ten habe ich, glaub' ich, tat­säch­lich nur Angst vor der Dumm­heit ande­rer. Das ist natür­lich jetzt sehr ober­fläch­lich. Da kann jemand ganz dumm in mein Auto rein­ra­sen. Da kann mich aber auch jemand ganz dumm ver­su­chen aus­zu­rau­ben oder in mei­nem Bekann­ten­kreis kann jemand ganz dum­me Sachen von sich geben. Ich den­ke, ich habe am meis­ten Angst davor, dass die Leu­te noch mehr ver­blö­den, dum­me Ent­schei­dun­gen tref­fen und ihr Gehirn an das soge­nann­te Smart­phone abgeben.

MZEE​.com: Du hast schon vor cir­ca zwei Jah­ren über das nied­ri­ge Niveau von deut­schem Rap debat­tiert. Wür­dest du heut­zu­ta­ge die Aus­sa­gen von damals auf die heu­ti­ge Sze­ne bezo­gen abän­dern oder hat sich für dich nichts verändert?

Abroo: Ich glau­be, ich wür­de es sogar noch wei­ter über­dra­ma­ti­sier­ten und sagen, dass es schlim­mer gewor­den ist. Wobei ich sagen muss, dass für mich inhalt­li­ches Niveau nicht mit guter Mucke gleich­zu­set­zen ist. Man kann auch ein Buch von Imma­nu­el Kant vor­rap­pen und trotz­dem ist es schei­ße. (lacht) Ich wür­de behaup­ten wol­len, dass es vom Niveau her gesun­ken ist. Das liegt gene­rell viel­leicht auch an den Deut­schen. Wir sind ein­fach das Schnappi-​Krokodil-​Land. Wir wol­len nicht nach­den­ken, son­dern tan­zen, fei­ern und uns mit Musik ablen­ken. An sich ist das auch kom­plett in Ord­nung. Ich fin­de nur, dass es auch die ande­re Sei­te geben soll. Poli­ti­sche Singer-​Songwriter-​Folkrock-​Geschichten, die damals die Leu­te auf­ge­rüt­telt haben und Sound­track zur Revo­lu­ti­on waren, sind heu­te undenk­bar. Die Leu­te hal­ten sich beim Rap­pen Geld­sta­pel ans Ohr in den Vide­os … In einem Video, was ich letz­tens gese­hen habe, hat sich einer eine Blu­men­va­se ans Ohr gehal­ten. Kannst du mir sagen, was das bedeu­tet?! Viel­leicht ist es auch eine Ver­ar­sche vom Geld­sta­pel – das habe ich zumin­dest gehofft. Es wird auf jeden Fall immer stump­fer und stu­pi­der und die Leu­te lachen dar­über, was ja in Ord­nung ist. Aber wenn das zu viel und der Anteil an Künst­lern und Alben, die abseits von jeg­li­chem Enter­tain­ment etwas Wich­ti­ges zu sagen haben, zu gering wird, dann ist das scha­de. Ich bekom­me jetzt viel­leicht mit dem ein oder ande­ren Gangs­ter­rap­per Ärger (grinst), aber ich wür­de schon sagen, dass Gangs­ter­rap inzwi­schen auch Spaßmu­cke ist. Man muss sich nur mal die Hörer­schaft angu­cken. Das sind 17-​jährige, gut behü­te­te Mit­tel­stands­kin­der, die gegen die Eltern rebel­lie­ren wol­len. Kann ich aber auch nach­voll­zie­hen. Als ich 14 oder 15 war, habe ich auch N.W.A., Ice Cube oder Ice-​T gehört – je kras­ser, des­to bes­ser. Klar gibt es Miss­stän­de, die man auf­zei­gen kann. Und es gibt auch Vier­tel, die nicht in Ord­nung sind. War­um man das aber machen muss, indem man die dicken Kar­ren und Geld­sta­pel zeigt, um dann zu sagen, man ist trotz­dem noch in der Hood, erschließt sich mir nicht so ganz. Das ist die­se Ghetto-​Romantisierung, die immer noch funk­tio­niert und immer funk­tio­nie­ren wird. Ein­mal für die, die da wirk­lich her­kom­men – und dann für den Rest, der damit über­haupt nichts am Hut hat.

MZEE​.com: Du hast die Sze­ne über vie­le Jah­re hin­weg mit­er­lebt und sicher­lich auch beob­ach­tet. Gibt es noch etwas, was dich der­zeit an deut­schem Rap stört und wenn ja, warum?

Abroo: Was mich auch sehr stört, ist, dass die gan­zen Künst­ler – und es ist egal, wer – alle immer ankom­men mit die­sen Aus­sa­gen wie: "Ihr müsst mein Album kau­fen", oder: "Geht in den Laden, ich zeig' euch auch, wie", und: "Wenn ihr das saugt, dann seid ihr Huren­kin­der". Mich wür­de es mal sehr inter­es­sie­ren, wie vie­le Plat­ten und CDs die tat­säch­lich sel­ber im Schrank ste­hen und gekauft haben. Ich habe das Gefühl, dass die selbst näm­lich gar nichts kau­fen und sich mit ande­rer Musik gar nicht rich­tig beschäf­ti­gen. Ich mache es genau anders­rum, denn ich kau­fe extrem viel, sogar viel zu viel Musik. Klar mache ich auch eine Art Pro­mo mit, aber ich stel­le mich nicht vor die Leu­te und sage ihnen, sie haben mein Album zu kau­fen. Ent­we­der sie kau­fen es oder eben nicht. Das sagt aber ja erst mal alles nichts über die musi­ka­li­sche Ebe­ne. Da stört mich eigent­lich gar nicht so viel, denn es hat alles sei­ne Berech­ti­gung. Gera­de das moder­ne Zeug, was nicht so meins ist, ich aber kom­plett nach­voll­zie­hen kann. Es wäre ja auch schlimm, wenn alle auf 90 bpm-​Samplebeats rap­pen wür­den. Die Leu­te den­ken immer nur, dass ich so ein hän­gen­ge­blie­be­ner Rucksack-​Typ bin, dabei ist das gar nicht so. Ich bin schon dafür, dass es sowas gibt, nur muss ich es nicht sofort kau­fen oder jeman­dem ans Herz legen. Ich fin­de, man muss halt wirk­lich nach den Trüf­feln suchen und ein biss­chen gra­ben. Ich kom­me aus einer ande­ren Zeit: Da bist du in den Laden gegan­gen, hast eine CD oder eine Plat­te gese­hen, von der du noch nie gehört hat­test, und hast sie ent­we­der gekauft oder vor Ort rein­ge­hört. Inzwi­schen gibt es aber einen Mar­ke­ting­plan, wo drin­steht, dass man sie­ben Sin­gles macht und dazu sie­ben Vide­os, die dann und dann gezielt raus­kom­men. Das hat natür­lich auch sei­ne Vor- und Nach­tei­le, gera­de bei den moder­nen Sachen … Das klingt immer so, als wäre ich 100 Jah­re alt. (grinst) Neh­men wir als Bei­spiel mal LGo­o­ny und Crack Ignaz: Ich krie­ge mit, dass vie­le von mir geschätz­te Leu­te das fei­ern, aber ich kann mich da nicht anschlie­ßen, weil es über­haupt nicht meins ist. Es ist was ganz ande­res, etwas Zeit­ge­nös­si­sches und eben nicht die­ses Zurück­bli­cken­de mit der Aus­sa­ge "frü­her war alles so real". Man wird mitt­ler­wei­le aber auch ein­fach über­schwemmt. Im Deutschrap erschei­nen bestimmt zehn Alben pro Woche. Natür­lich wird da auch auf einen Zug auf­ge­sprun­gen, weil es der neu­es­te Scheiß ist und es momen­tan vie­le Abneh­mer dafür gibt. Die Her­an­ge­hens­wei­se ist jedem selbst über­las­sen. Bei dem einen Rap­per hat es eher mone­tä­re Grün­de, beim nächs­ten, dass er die Musik wirk­lich fei­ert. Und ein ganz ande­rer ver­wei­gert sich der Sache. Wenn mir jetzt jemand sagen wür­de, dass ich wie­der beim Splash!-Festival auf­tre­ten dürf­te, ich dafür aber mei­ne Mucke ändern müss­te … nee, dann nicht.

MZEE​.com: Ich habe im Vor­feld auch über­legt, dich zu bestimm­ten Deutschrap-​Subgenres zu befra­gen. Aber ich dach­te mir, wenn es dir auf der See­le liegt, wirst du es selbst zur Spra­che brin­gen, was du jetzt ja auch getan hast.

Abroo: Selbst wenn ich die ein oder ande­re Zei­le in Rich­tung eines neu­en Sub­gen­res von Deutschrap schie­ße, ist das doch nicht so extrem zu bewer­ten. Ich glau­be, ich bin da schon locke­rer als der ein oder ande­re in mei­nem Umfeld. Mit dem Alter bin ich ent­spann­ter gewor­den, weil ich frü­her defi­ni­tiv ein ganz ver­kopf­ter HipHop-​Typ war. Mir kam nur Rap ins Haus, aller­höchs­tens ein biss­chen Soul. Mitt­ler­wei­le höre ich auch ganz ande­re Musik­rich­tun­gen. Vie­le von denen, die ihren alten Stil wei­ter­fah­ren, sind ein Stück weit gar nicht ange­pisst von der Musik selbst, son­dern eher davon, dass gewis­se For­ma­te die­sen neu­en Rap­pern eine Platt­form bie­ten. Da kom­men jetzt irgend­wel­che daher­ge­lau­fe­nen 19-​Jährigen und rap­pen über Hus­ten­saft und Geld. Dann sind die alten Hasen sau­er und fra­gen sich, wie­so sol­che Leu­te auf ein­mal über­all prä­sent sind und war­um man selbst nicht mehr statt­fin­det, obwohl man schon seit zehn Jah­ren dabei ist. Zu sol­chen Leu­ten zäh­le ich mich schon mal gar nicht. Aber ich kann die Sei­te schon ver­ste­hen, weil heut­zu­ta­ge alles Geschäft ist. Es ist schön, dass alles so bunt ist und es so vie­le ver­schie­de­ne Künst­ler und Schub­la­den gibt. Aber wenn ich mir mal angu­cke, wer im März qua­si mit mir ein Album raus­ge­bracht hat, den­ke ich schon, dass ich in mei­nem Bereich allein auf wei­ter Flur bin. Das soll jetzt nicht bedeu­ten, dass es das ein­zi­ge Allein­stel­lungs­merk­mal ist, aber ich freue mich ein Stück weit dar­über, dass so etwas ver­tre­ten ist, auch wenn es nur von mir kommt. Es soll­te immer was dabei sein, wor­über man nach­den­ken kann, selbst wenn man dazu nicht mit den Homies in der Dis­co tan­zen kann.

MZEE​.com: Zum Abschluss wür­den wir ger­ne wis­sen, was eigent­lich aus der "Jäger­meis­ter­gang" gewor­den ist? Exis­tiert die noch oder hat sich das verloren? 

Abroo: Das war ja nur ein Über­be­griff. Wenn man es genau neh­men wür­de, wären in der "Jäger­meis­ter­gang" cir­ca 50 Leu­te. Es sind ver­schie­de­ne Grup­pie­run­gen. (grinst) Da war der ein oder ande­re Frank­fur­ter, Leip­zi­ger und Lem­goer dabei … und man hat unter­ein­an­der noch Kon­takt. Wir Lem­goer unter uns ja sowie­so, aber mit den ande­ren Städ­ten auf jeden Fall auch noch. Es gab ja vor gerau­mer Zeit auch noch ein Album, "Jäger­meis­ter­gang", was rein als Down­load raus­kam … völ­li­ger Wahn­sinn. Das war ein super Spaß­pro­jekt. Im Grun­de genom­men war es ein Zusam­men­schluss von Leu­ten, die sehr gern Par­ty gemacht haben. Wo auch Leu­te invol­viert waren, die auf den ers­ten Blick gar nicht zusam­men pas­sen wür­den, was auch ganz inter­es­sant war. Ein Vega war dabei, aber auch das gesam­te Umfeld von Mor­lockk. Das war schon eine coo­le Zeit und eine ver­rück­te Zusam­men­stel­lung von Cha­rak­te­ren und Leu­ten. Ab und zu den­ke ich noch, dass es ein klei­nes Revi­val geben müss­te, auch wenn ich danach wahr­schein­lich zehn Jah­re älter wäre. Es wär' aber inter­es­sant, die gan­zen Leu­te wie­der­zu­se­hen. Freut mich, dass euch das über­haupt ein Begriff ist. (grinst)

(Lai­la Drewes)
(Fotos von cra​de​.one)