Während sich ein großer Teil der deutschen Rapszene zunehmend darum bemüht, einen möglichst zugänglichen, ansprechenden Sound zu kreieren, ist und bleibt Füffis Musik wunderbar sperrig und schrecklich schön unangenehm. Das bewies der bei Corn Dawg Records gesignte Rapper im letzten Jahr bereits auf "Walter" und nun auch auf "Alles neue Freunde". Trotz des Titels ist also alles beim Alten. Warum er sich trotzdem dazu entschied, seine neue EP so zu nennen, was er allgemein von der Szene hält, wie er zum gesellschaftlichen Selbstoptimierungswahn steht und ob er sich vorstellen könnte, hauptberuflich Musik zu machen, hat er uns vor Kurzem im Interview verraten.
MZEE.com: Nachdem du den Titel deiner letzten EP noch deinem heimlichen Idol Walter Freiwald gewidmet hast, heißt dein neues Werk nun "Alles neue Freunde". Handelt es sich dabei auch um eine Hommage oder eine Anspielung an jemanden oder etwas?
Füffi: Also es ist schon irgendwie insofern eine Hommage, dass es ein Antistatement gegen diese ganze "keine neuen Freunde"-Politik darstellt, die im Deutschrap-Game gerade en vogue ist. Das ist irgendwie die Lieblingsfüllzeile der ganzen Swag-Rapper da draußen. Und am Anfang war das eher so ein Insider-Joke als Antithese dagegen. Aber im Laufe des EP-Prozesses hat sich das weiterentwickelt, ist tiefgründiger geworden und hat so eine Metaebene bekommen. Es steht ein bisschen für eine "Überforderungs-Mentalität". Man kennt das: Wenn man zu viele Freunde aus verschiedenen Kreisen hat, stellen diese auch ganz unterschiedliche Anforderung an einen. Dann will man dem ja gerecht werden und weiß gar nicht mehr, wem man absagt, mit wem man mehr Zeit verbringen will und so weiter. Das lässt sich auch auf unser alltägliches Leben übertragen. Diese ganze Beschallung. Die Optimierungsansprüche, die an dich gestellt werden. Fitness, mentales Training, Schlafoptimierung, das Unterbewusstsein anpassen und so weiter. Das sind ja auch ganz viele verschiedene Ansprüche, die an dich gestellt werden. Und manchmal weiß man gar nicht mehr genau: Wo steck' ich da eigentlich drin? Wo sind die alten Werte, auf die ich mich wenigstens etwas berufen kann? Dafür steht der Titel ein bisschen. Dass man sich zwischen diesen ganzen Ansprüchen und Hirngespinsten verliert, bis man gar nicht mehr weiß, wo man jetzt eigentlich seinen eigenen Mindstate zu verorten hat.
MZEE.com: Trotz der vielen neuen Freunde sind auf der EP mit dir uns Yunis vor allem die alten Bekannten federführend. Seine oftmals synthetisch-disharmonischen Beats unterstützen die Antihaltung, die du mit deiner Stimme verkörperst. Könntest du dir überhaupt vorstellen, mit einem anderen Produzenten zu arbeiten, ohne dass genau das verloren geht?
Füffi: Auf die Beats und Sounds bezogen würde ich es erst mal verneinen, dass etwas verloren gehen würde. Es gibt da draußen natürlich viele supercoole Produzenten. Aber Jonas ist halt einer von den alten Freunden, den kenne ich schon ewig. Und ich finde es einfach krass, was der macht. Ich bin oft sehr uninspiriert im Alltag und generiere nicht ständig Output. Aber wenn wir zusammen im Studio sind oder ich ihm dabei zugucke, wie er an Sounds rumbastelt, inspiriert mich das immer ein bisschen. Ich hab' das Gefühl, dass das mit anderen Leuten gar nicht funktionieren würde. Auch weil die Inhalte und die Art und Weise, wie ich schreibe, auf anderen Instrumentals gar nicht so entstehen würden. Das gehört für mich schon zusammen.
MZEE.com: Wie viel Einfluss hat Yunis denn auf die textlichen Inhalte eurer gemeinsamen Musik?
Füffi: Das läuft komplett separiert. Jonas hätte auch gern weniger Worte, weniger Inhalt und möchte, dass ich das am besten noch etwas swaggiger rappe. Das ist so ein typisches Produzenten-Ding, glaube ich. Die wollen natürlich, dass ihre Instrumentals durch eine melodiöse Wortführung ergänzt werden. Und bei mir ist es so, dass ich so viel Inhalt wie möglich reinpressen will, tausend Worte und alles am besten noch ein bisschen verschachtelt. Darum würde es gar nicht funktionieren, wenn wir irgendwie über die Texte reden würden. Da arbeitet einfach jeder in seinem Gebiet. Genau deswegen funktioniert es.
MZEE.com: Während man auf "Walter" vor allem noch das Gefühl bekam, du hättest endgültig keinen Bock mehr auf die deutsche Szene, klingt das neue Release etwas mehr so, als hättest du zumindest deinen Frieden mit Rap gefunden …
Füffi: Na ja, also meinen Frieden habe ich damit sicher nicht gefunden. Es ist tatsächlich eher so, dass meine Hass-Rap-Psychose schlimmer geworden ist. (lacht) Aber natürlich will man nicht immer das Gleiche erzählen und bei der letzten EP hatte ich das Gefühl, dass das schon dramatisch genug war. Da musste man thematisch nicht noch einen draufsetzen. Für mich waren in den letzten Jahren andere Themen einfach relevanter und darum bin ich auf Dinge eingegangen, die mich außerhalb der Szene abgefuckt haben. Denn eine Sache, die mich an ganz vielen aktuellen Rapsongs extrem nervt, ist, dass es sich immer nur um sich selbst dreht. Es geht im Rap immer nur um Rap. Und obwohl es um uns herum zurzeit so viele Sachen gibt, mit denen man sich thematisch auseinandersetzen könnte, schafft Rap es trotzdem irgendwie nicht, aus der Szene rauszusteppen und das zu thematisieren. Darum wollte ich jetzt nicht auch schon wieder Rap über Rap machen.
MZEE.com: Ist deine Musik denn an diejenigen gerichtet, die du kritisierst, oder möchtest du damit lieber die Menschen ansprechen, die genauso denken wie du?
Füffi: Schwierige Frage … Also, generell geht's nicht darum, jemanden zu therapieren. Ich glaube nicht, dass es wirklich Sinn ergibt, Songs zu machen, um die Szene damit aufzuwecken. Dass Leute danach sagen: "Boah, was der da rappt, das bewegt mich jetzt wirklich dazu, mein Mindset zu verändern." Man schreibt das ja auch einfach so ein bisschen, um seinen eigenen Frust damit zu kompensieren. Um's einfach mal gesagt zu haben. Ob darin aber auch der Anspruch liegt, Leute zu verändern? Das kann ich gar nicht beantworten. Ich glaube, da bin ich auch zu irrelevant für. Aber ich find's gut, das einfach mal zu sagen, weil man es den Leuten dann auch irgendwie mitgeteilt hat. Daher würde ich schon sagen, dass es eher für die Leute bestimmt ist, die von den Sachen genauso abgefuckt sind und sich auch darin wiederfinden.
MZEE.com: Siehst du dich selbst denn als Teil der Szene oder verstehst du dich eher als jemand, der das Ganze kritisch von außen beäugt?
Füffi: Als ich in Münster gewohnt habe, hatte ich schon das Gefühl, Teil der HipHop-Szene dort zu sein. Die ist ja auch relativ groß und da habe ich mich tatsächlich integriert gefühlt. Der fühle ich mich auch jetzt irgendwie noch ein wenig zugehörig, obwohl ich da gar nicht mehr so häufig abhänge. Aber der großen, medialen HipHop-Szene fühle ich mich nicht wirklich zugehörig. Nicht, weil ich nicht will, sondern weil ich da einfach nicht so stattfinde. Ich hab' meine drei, vier Leute, die ich kenne, aber ich bin da jetzt nicht irgendwie krass connectet oder so. Ich betrachte das alles auch eher als Musikkonsument. Wenn ich Sachen schreibe, meine ich auch gar nicht, dass ich alles besser machen würde und krasser wäre, weil ich den besseren Mindstate habe. Das ist schon eher so aus der Perspektive: "Also, ich als Musikkonsument finde es halt voll nervig, dass ihr dieses und jenes sagt und so drauf seid und dann trifft man euch auch noch und ihr seid nur irgendwelche Spackos." So ist das halt gemeint.
MZEE.com: Was ist denn für dich als Rapkonsument die positivste Veränderung, die die Szene in den letzten Jahren durchlaufen hat? Und welche ist die negativste?
Füffi: Ich glaube, das Positivste ist der Sound. Da ist die Entwicklung in Hinblick auf Rap ganz global in eine coole Richtung gewachsen. Man ist relativ offen geworden, auch was neue Einflüsse angeht. Das Negativste ist die inhaltliche Irrelevanz von allem, weil es plötzlich irgendwie nur noch darum geht, Clubsongs zu machen. Das ist natürlich an sehr viele Sachen geknüpft, weil da auch die ganze Fanszene der momentanen HipHop-Generation dranhängt. Und diese Fans würde ich auch in die negative Entwicklung reinschmeißen, weil sie auch die Außenwahrnehmung verfälschen im Vergleich dazu, wie man selbst HipHop für sich kennengelernt hat. Dadurch fühlt man sich da auch gar nicht mehr so wirklich zugehörig. Die Kombination aus diesen beiden Faktoren würde ich als am negativsten beschreiben.
MZEE.com: Du setzt dich auf der neuen Platte nicht nur mit Rap an sich auseinander, sondern wirfst beispielsweise auch einen kritischen Blick auf die Auslegung von Konzepten wie der Work-Life-Balance. Wie sieht deine persönliche Balance zwischen Arbeit und Leben denn gerade aus?
Füffi: Mittlerweile wieder besser, weil ich gekündigt habe. Jetzt versuche ich mich gerade als Freiberufler und da geht das auch noch klar, weil einfach noch nicht so viel zu tun ist. Im letzten Jahr war's aber sehr schwierig und deswegen ist daraus auch ein Song entstanden. Ich hab' als Grafiker in einer Agentur gearbeitet und parallel den ganzen Musikquatsch gemacht. Und da war es manchmal einfach schwer, zu trennen, was jetzt Arbeit und was "Life-Modus" ist. Gerade weil Musik inzwischen auch irgendwie zur Arbeit geworden ist und es da auch Termine und Zeitdruck gab. Da hatte ich dann das Gefühl, dass es gar nicht mehr möglich ist, wirklich die Balance zu finden. Darum habe ich hinterfragt, was die Work-Life-Balance für mich überhaupt ist und ob dieses Konzept an sich für die meisten heutzutage nicht eher ein Stressfaktor ist. Weil die Leute das Gefühl haben, sie müssten jetzt irgendwas finden, was sie nach der Arbeit wieder runterbringt, damit sie am nächsten Tag bei der Arbeit wieder hundert Prozent bringen können. Das ist einfach schwierig, weil dir heutzutage ja auch überall vermittelt wird, du müsstest in allem gut sein. Dadurch wird alles zur Arbeit. Bei allem ist so ein Erfolgsanspruch da.
MZEE.com: Wäre Musik als Beruf denn jemals eine ernsthafte Option für dich?
Füffi: So richtig kann ich mir das nicht vorstellen. Das habe ich letztens auch zu einer Freundin gesagt, die meinte: "Wäre es nicht voll geil, wenn du nur Musiker sein könntest?" Aber ich mag es einfach auch, Leuten "nur" zuzuarbeiten. Dieses Gefühl, innerhalb einer Arbeitskette ein kleines Rädchen zu sein, finde ich gut. Es ist cool, an sowas mitzuwirken und damit auch innerhalb der Gesellschaft etwas beizutragen, was nicht nur den privaten Interessen dient. Ich finde, das ist ein relativ befriedigendes Gefühl. Daher weiß ich auch nicht, ob ich nur diesen egoistischen Musikfilm fahren will. Ich glaube nicht, dass mich das auf lange Zeit befriedigen würde. Es wäre schon geil, da einen Mittelweg zu finden. Auch gar nicht immer so erfolgsgetrieben nach dem Motto: "Wir haben da ein kleines Start-Up und wollen damit viel Geld verdienen." Es hat auch was, wenn man einfach eine mittelständische Agentur oder ein Betrieb ist und etwas Solides herstellt. Und ich bin dann Teil davon und sorge einfach mit dafür, dass der Laden läuft. Das finde ich erstrebenswert. Die ganzen Kids heutzutage haben ja alle Bock darauf, Instagram-Stars zu sein und zum absoluten Hype-Thema zu werden. Aber ich fänd's toll, wenn man es schafft, dafür zu sorgen, dass die Leute auch ganz normale Sachen wieder geil finden.
MZEE.com: Apropos "Instagram-Stars" und der vorhin schon angesprochene Wunsch, in allem der Beste zu sein: Du prangerst auf der EP auch das Streben nach Selbstoptimierung an. Warum genau betrachtest du das so kritisch?
Füffi: Das darf man auch nicht falsch verstehen: Ich sehe es schon als notwendig an, dass man sein ganzes Leben lang versucht, sich weiterzuentwickeln. Aber was ich bei dem ganzen Optimierungshype schwierig finde, ist, dass dir innerhalb der Gesellschaft suggeriert wird, dass du nur als so ein hundert Prozent-Mensch funktionieren kannst. Die Ansprüche, die an einen gestellt werden, konnte man früher schon niemals alle tragen und das wird man auch heutzutage nicht wirklich schaffen. Du kannst nicht auf allen Ebenen sämtliche Ansprüche erfüllen. Das führt auch dazu, dass Leute, die "nur" zuarbeiten oder vielleicht ein bisschen introvertierter sind, etwas untergehen, ihren Platz in der Gesellschaft nicht finden und letztlich abgehängt werden. Wenn man das weiterspinnt, führt das irgendwann zu einer ganz großen Unzufriedenheit in der gesamten Gesellschaft. Ich meine, hier und da haben wir das ja schon. Mit dem ganzen Ostaufbau zum Beispiel. Das sind ja auch Leute, die das Gefühl haben, abgehängt und nicht wirklich beachtet zu werden. Die haben das Gefühl, es gar nicht zu schaffen, ihr Umfeld zu optimieren, während um sie herum alle Richtung Himmel wachsen.
MZEE.com: Also geht es dir vor allem um die Vorstellung, dass Selbstoptimierung auch immer etwas Egoistisches sei? Dass Leuten gar nicht klar ist, dass ein Wachstum auch gemeinschaftlich erreichbar ist?
Füffi: Genau, in "Selbstoptimierung" steckt ja schon das "selbst" drin. Das ist ein Ansatz, der nur egoistisch funktionieren kann. Das ist ja an sich nicht unbedingt schlecht. Aber wenn diese Mentalität so forciert in den Mittelpunkt gestellt wird, ist sie einfach ungesund. Wenn alle immer nur die Allerbesten sein wollen, gibt es keine Leute mehr, die zuarbeiten und dafür sorgen, dass das Ganze einfach läuft.
MZEE.com: In Fight Club schreibt Chuck Palahniuk: "Maybe self-improvement isn't the answer, maybe self-destruction is the answer." Ist die Lösung dieses Problems einfach, dass wir zur Selbstzerstörung tendieren sollten?
Füffi: Die Lösung ist nie, dass man das extreme Gegenbeispiel auslebt. Ich würde von mir jetzt auch nicht sagen, komplett aus diesem Selbstoptimierungs-Konzept raus zu sein. Es geht aber darum, sich selbst zu reflektieren und zu fragen, was das Ganze mit einem macht. Und zu manchen dieser Dinge eine gewisse Distanz aufzubauen. Ich glaube nicht, dass die Lösung ist, sich überhaupt nicht um seine Fitness zu kümmern oder sich nicht mental weiterzubilden. Aber man muss an manchen Punkten einfach akzeptieren, dass man nicht weiterkommt, dass man manchmal eben nicht abliefert. Und dass man dann auch anderen Leuten sagen kann: "Hey, ich möchte, dass ihr akzeptiert, dass ich in diesem Bereich nicht so gut bin." Ein gesunder Umgang mit dem Können und den Fähigkeiten. Da geht es dann ja auch wieder um die Balance. Das eigene Leben einfach wieder ein wenig besser auspendeln.
MZEE.com: Mal davon ausgehend, du könntest von heute auf morgen etwas an dir, der Gesellschaft oder deutschem Rap verändern: Was würdest du tun?
Füffi: Boah, das ist voll die heftige Frage … Bezogen auf die momentane Situation in der Rapwelt würde ich mir wünschen, dass Rap einfach nicht mehr so ein Hypethema ist. Dass diese "Rapblase", von der immer alle sprechen, wirklich platzt. Dass HipHop wieder ein Nischenbereich wird. Das fände ich jetzt gerade ganz geil und ich glaube, das würde uns allen mal ganz gut tun.
MZEE.com: Quasi ein Gesundschrumpfen.
Füffi: Ja, genau das!
MZEE.com: Zum Abschluss noch Folgendes: Angenommen, jemand hört deine Platte "Alles neue Freunde" und würde daraufhin gerne zu diesen neuen Freunden von Füffi gehören. Wie genau müsste diese Person sein, um wirklich ein Freund zu werden?
Füffi: Schwierig … Da bin ich halt auch einfach viel zu universell aufgestellt. Das kann man gar nicht einfach so runterbrechen. Ich glaube, solange jemand nicht rassistisch und nicht unbedingt auf den Kopf gefallen oder total egoistisch ist, dann bin ich relativ offen für jeden. Und solange man mir nicht auf die Nerven geht und erwartet, dass ich jeden Tag zurückrufe und sofort auf jede WhatsApp-Nachricht antworte, dann hat man gute Chancen.
(Daniel Fersch)
(Fotos von Lucas Christiansen)