Pedaz steht für harten Rap aus dem Ruhrpott. Schon 2007 hatte der Essener die Gelegenheit, sich beim legendären Battle-Format "Feuer über Deutschland" einem breiten Publikum mit seinen Punchlines zu präsentieren. Seit dem Release seiner "Pott für immer"-EP im Jahr 2012 versorgte er die hiesige Hörerschaft dann regelmäßig mit klassischem Punchline-Rap in alter Ruhrpott-Tradition. Auf die angesprochene EP folgte 2013 sein Debütalbum "100% Original", im Jahr darauf ein Kollabo-Album mit dem Würzburger Blut & Kasse ("100% Macher"). Vor einigen Wochen reihte sich nun das Solo-Album "Schwermetall" in Pedaz' Diskographie ein. Vor allem der Prachtkerle-Remix des Tracks "Wie ein Mann" fand vorab großen Anklang in der Szene und verhalf ihm zu beachtlicher Aufmerksamkeit. Mehr als genug Gründe also, sich einmal genauer mit ihm zu unterhalten: Im Interview kamen neben seinem aktuellen Album auch sein Mentor RAF Camora sowie deutscher Rap aus dem Ruhrpott und aktuelle Battlerap-Formate zur Sprache.
MZEE.com: Zu Beginn des Interviews würde ich gerne direkt auf dein aktuelles Release zu sprechen kommen. Es trägt den Titel "Schwermetall" – ein Begriff, der Metalle ab einer gewissen Dichte zusammenfasst. Mit welchem Metall aus dieser Gruppe lässt sich Pedaz am ehesten beschreiben?
Pedaz: Ich würde Stahl sagen, Krupp-Stahl. Ich komme aus dem Ruhrpott und das war die Hochburg der Stahlindustrie. Damit würde ich mich identifizieren, wenn ich ein Metall wäre.
MZEE.com: Mit dem Ruhrpott verbinde ich unter anderem die Arbeiterklasse und die hart arbeitende Gesellschaft. Würdest du das auch auf dich beziehen?
Pedaz: Auf jeden Fall! Ich gehe jeden Tag arbeiten, meistens auch samstags und sonntags. Ich komme einfach aus einer Arbeiterfamilie und hier im Ruhrpott sind viele Arbeiter.
MZEE.com: Im Oktober 2013 konnten sich die Leute bereits davon überzeugen, wie "100% Original" Pedaz klingt. Was hat sich seit damals an dir und deiner Musik verändert?
Pedaz: Meine Musik ist auf jeden Fall ein ganzes Stück professioneller geworden, vor allem durch RAF Camora, der als Executive Producer für mein Album fungiert hat. Die Beats haben sich dahingehend verändert, dass ein eigener Sound kreiert worden ist. Der setzt sich insbesondere aus schweren E-Gitarren und dicken Drums zusammen. Es wurden auch Metallstücke aneinander gehauen, damit wir einen Metallsound haben. Insgesamt ist die Platte auch ein bisschen langsamer geworden. Die BPM-Zahlen sind zumindest bei den Hauptsongs um einiges niedriger.
MZEE.com: Wie du gerade erwähnt hast, kamen auf dem Album E-Gitarren zum Einsatz. Ist das nun dein Stil, den du gefunden hast, oder kann es auf dem nächsten Album wieder einen komplett anderen geben?
Pedaz: Ich feier' diese E-Gitarren sehr, das hab' ich früher ja auch schon gemacht. Das ist etwas, mit dem ich mich identifizieren kann. Der Sound ist einprägsam und ich sag’ mal so … der hat Eier. (lacht) Jeder Song hat irgendwo an irgendeiner Stelle E-Gitarren, die RAF selbst eingespielt hat. Ich würde aber schon sagen, dass das inzwischen ein Merkmal von mir ist. Aber es ist nicht so, dass da kein Synthie-Banger-Beat auf dem Album drauf ist.
MZEE.com: Woher kommt die Leidenschaft für diesen Sound?
Pedaz: RAF spielt leidenschaftlich gerne E-Gitarre und kann das auch sehr gut. Als wir zusammen ins Studio gingen, waren ihm die Beats teilweise zu mau und er hat vorgeschlagen, dass wir da ein bisschen Gitarre reinbringen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und als Erstes kam der Track "Presslufthammer" raus. Als ich den gehört habe, wusste ich, dass das der richtige Sound ist.
MZEE.com: Wie viel Einfluss hat RAF, den du mittlerweile auch als deinen Mentor bezeichnest, auf "Schwermetall" genommen und woran ist das am ehesten zu spüren?
Pedaz: Eigentlich hat RAF nur bei den Beats Einfluss gehabt. Er ist keiner, der sagt, dass es so und so sein muss, sondern fragt, was man darüber denkt, wenn man es so macht und ob das für einen cool wäre. Er ist auf jeden Fall Executive Producer von dem Ding, aber es gibt nichts, was mir irgendwie aufgedrückt wurde. Es ist schon alles so, wie ich es auch haben wollte.
MZEE.com: Wie war es generell für dich, mit RAF zusammenzuarbeiten? Für viele ist das ja ein Traum …
Pedaz: Also, die Beats hatte ich schon vorher. Die waren von unterschiedlichen Producern wie Joshimixu zum Beispiel. RAF feiert dieses französische Trap-Ding richtig krass. Er hat es mir gezeigt und mich gefragt, ob ich das mal versuchen will und wie es bei mir mit Singen aussieht. (grinst) Ich meinte zu ihm, dass ich auf keinen Fall singen werde. (lacht) Für mich ist das natürlich auch ein Traum und ich bin immer noch ein sehr großer Fan. Es macht unheimlich viel Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich hab' viel gelernt – auch ganz einfache Dinge wie Atemtechniken und sowas. Früher war mir das egal, aber ab einem gewissen Punkt muss man auch Professionalität reinbringen und es nicht mehr nur als Hobby sehen.
MZEE.com: Kommen wir auf eine deiner letzten Singleauskopplungen zu sprechen. Auf dem Prachtkerle-Remix zu "Wie ein Mann" hast du eine Reihe namhafter männlicher Akteure versammelt, die darüber rappen, wie Mann sich zu verhalten hat. Ist es in einer Szene, die sich oft genug mit Vorwürfen von Sexismus und Homophobie konfrontiert sieht, wirklich noch angebracht, ein solch stereotypes Männerbild zu unterstreichen?
Pedaz: Der Song ist auf jeden Fall mit einem Augenzwinkern zu sehen und ich denke, dass viele ihn auch so verstanden haben. Das ist jetzt nicht alles todernst gemeint. Ich war privat mit meinen Jungs unterwegs und einer sagte: "Dann habe ich das gemacht wie ein Mann". Darüber wollte ich einen Song machen und habe mir die skurrilsten und absurdesten Dinge gesucht, die Männlichkeit darstellen sollen. Aber ich selbst habe kein Problem mit Schwulen oder Lesben. Auch Frauenrap finde ich nicht schlimm und es gibt Rapperinnen, die ich feier'. Es ist schon echt krass, was bei dem Song rumgekommen ist, denn in meiner Familie und auch im privaten Freundeskreis haben viele den Track gehört. Ich hab' den einfach so gemacht und nicht viel drüber nachgedacht. Ich hatte einfach Bock darauf.
MZEE.com: Und wonach hast du die Rapper für den Remix ausgesucht?
Pedaz: Natürlich muss ich dazusagen, dass das auch nach dem Bekanntheitsgrad der Jungs ging. Ich hätte auch viel mehr draufpacken können, aber ich dachte mir, dass ich von den Jungs, die ich kenne und feiere, die Crème de la Crème drauf haben will. Das ist super für die Reichweite des Songs gewesen, weil ihn jeder gepostet hat. In erster Linie feier' ich aber alles dieser Jungs. Silla zum Beispiel habe ich letztes Jahr in Berlin kennengelernt, MoTrip kannte ich sowieso schon. Und mit Siggi war das eine ganz lustige Story: Der folgte mir auf einmal bei Twitter. Ich hab' erst mal geguckt, ob das der wirkliche Sido ist. Dann hab' ich ihn angeschrieben und er meinte, dass er mein Zeug feiert und ich was rüberschicken soll. Ich hab' ihm dann ein paar Songs von meinem Album gezeigt, die er gut fand. Danach hab' ich ihn gefragt, ob er Bock auf einen Remix zu dem Track hat. So sind die Leute dann halt zusammengekommen.
MZEE.com: Wie kann man sich den Videodreh dazu vorstellen? So wie du das alles erzählst, kann ich mir vorstellen, dass das ein guter Dreh war.
Pedaz: Es war hart … Sehr lustig, aber auch schwierig zu organisieren. Das Coole an dem Dreh war auch, dass alle Protagonisten an einem Drehort waren – außer MoTrip wegen einer Krankheit und Blut & Kasse wegen der Arbeit. Ich habe das ganz gut abgepasst bekommen: Sido hatte einen Tourstopp mit MoTrip und JokA als Backups, da hatte ich schon mal drei Leute zusammen. Dann habe ich Silla gefragt, ob er aus Berlin kommen kann, RAF und Joshi sowieso, Sinan kommt ja aus Essen. Wir haben um zwölf Uhr in Essen in der Institution Café Nord gedreht. Das musste ja auch alles echt aussehen und ich hatte dann auch schon ein paar Bierchen gekippt. (grinst) Die Biere, die wir im Video in der Hand halten, haben wir auf jeden Fall auch getrunken. (lacht)
MZEE.com: Da du dich bekanntermaßen dem Punchlinerap verschrieben hast, würde ich gerne wissen, was deine persönliche Lieblingsline auf "Schwermetall" ist?
Pedaz: Dass mich das noch keiner gefragt hat und ich spontan keine Antwort parat habe, ist hart. (überlegt) "Ich bin Arbeiter, so als würd' ich Azads Texte klauen" ist meine Lieblingsline, weil sie eigentlich ziemlich plump daherkommt, was meinen Humor trifft, und sie – wie die Rapper sagen – dennoch real ist.
MZEE.com: Auf deinem Album fiel mir vor allem auf, dass du oft betonst, wer du bist und woher du kommst. Findest du es denn wichtig, dass man sich in seinen eigenen Texten oft representet?
Pedaz: Das ist schon typisch für mich. Ich schnapp' einfach alles auf. Wenn ich etwas sehe, woraus ich eine Line machen könnte, schreib' ich mir das direkt auf und versuche auch, eine Punchline draus zu machen. Manchmal kommen die Sachen aber auch einfach so. Natürlich kann Storytelling supergeil sein, wenn Rapper etwas über andere erzählen. Ich mach' das auch nicht extra, aber ich will mich nicht verstellen und glaube, dass es den Leuten gefällt, wenn sie am Leben des Künstlers teilhaben können.
MZEE.com: Welche "deepen" oder inhaltsstarken Rapsongs feierst du? Du beschränkst dich ja mehr oder weniger auf reinen Punchlinerap.
Pedaz: Ich find' Megaloh überkrass. Bei ihm hab' ich keinen bestimmten Song, aber "Endlich Unendlich" und "Regenmacher" waren schon super. Ich muss echt nachdenken gerade …
MZEE.com: Gibt es vielleicht einen Künstler, der dich – egal, was er macht – immer mit seiner Musik fesselt?
Pedaz: Es würde mich vielleicht nicht immer alles fesseln, aber ich weiß eigentlich, dass es einen Künstler von früher gibt, der das kann … nämlich Curse. Da weiß ich: Der kann Battlerap und auch deepes Zeug. (überlegt) Okay, MoTrip kann das auch. Mittlerweile gibt es schon ein paar, die alles können. Curse hat das aber früher schon abgerissen.
MZEE.com: Kannst du denn überhaupt noch Punchlinerap von anderen Künstlern feiern? Oder denkst du dir jedes Mal: "Verdammt, diese Line hätte mir auch einfallen können"?
Pedaz: Das ist schwierig. Vor allem, weil dann im Unterbewusstsein immer die Lines hängenbleiben. (grinst) Dann schreibst du was, freust dich zu Tode und einen Tag später fällt dir ein, dass Ali As die Line schon hatte. Ich hab' mir "Euphoria" übrigens gekauft und er ist auch überkrass. Es sind viele krasse Punchlines drauf, aber es ist kein Punchline-lastiges Album, obwohl es super ist! Ich hör' mittlerweile schon wieder mehr Punchlinerap. Es gab aber eine Zeit, da habe ich wirklich versucht, alles zu meiden, damit ich nicht beeinflusst werde.
MZEE.com: Hörst du denn ausschließlich deutschen Rap?
Pedaz: Ja, eigentlich schon. Wenn ich mal nach Berlin muss und im ICE sitze, höre ich auch gerne mal "2001", aber insgesamt ist das nicht so einfach. Wenn ich einmal anfange reinzuhören, denke ich wieder, dass es mich zu sehr in meiner Art von Rap beeinflusst. Ich hab' Angst davor, sagen wir mal so. (lacht)
MZEE.com: Wie bist du denn eigentlich zu deutschem Rap gekommen?
Pedaz: Ich glaube, "Gefährliches Halbwissen" von Eins Zwo war mein erstes Album und auf jeden Fall eines meiner Top-5-Alben überhaupt. Ich habe Samy, Creutzfeld & Jakob und Ruhrpott AG gehört. Ich musste auch ein bisschen was nachholen, weil manches teilweise zu früh für mich rausgekommen ist. Überkrass waren auch die Stieber Twins und Afrob. Durch Creutzfeld & Jakob bin ich natürlich auch mit "Fehdehandschuh" zu Savas gekommen. Ich hab' mich nie darauf festgelegt, dass ich jetzt nur Hamburger oder Berliner Rap hören muss, sondern hab' alles gehört: Sido bei Aggro oder Bushido.
MZEE.com: Kommen wir mal auf deine Vergangenheit zu sprechen: Du warst schon sehr früh bei "Feuer über Deutschland" am Start. Die Written Battle-Szene ist momentan durch Formate wie "DLTLLY" und "Rap am Mittwoch" stark vertreten – verfolgst du solche Formate?
Pedaz: Überhaupt nicht. (grinst) Ich weiß, dass es diese Formate gibt. Ich wurde auch schon öfter angefragt, ob ich da nicht mitmachen will und ich weiß auch, dass sie mega erfolgreich sind. Vor ein paar Tagen erst hat mir auch einer geschrieben, ich wär' dieser Neo aus irgendeiner Battleliga, der immer eine Maske trägt. (lacht) Der hat einfach drei Millionen Klicks und ich war voll überrascht – läuft bei dem. Das Ganze ist echt groß geworden, aber über das Internet gibt mir das nichts. Früher war das anders. Ich bin mit KC Rebell und PA Sports auf Jams gegangen und wir haben auf der Bühne gegeneinander gebattlet. Das ist was anderes. Ich find' das nicht scheiße, aber für mich wäre das nichts.
MZEE.com: Warum genau findest du das für dich nicht cool?
Pedaz: Wenn das Erfolg hat, dann gönne ich es allen. Ich mein', es gibt ja auch diese Battleformate auf der Bühne, wo sie einen Gegner gestellt kriegen und sie sich dann, so wie ich damals bei "Feuer über Deutschland" gegen Mike Fiction, auf diesen Gegner einstellen können. Dann battlen die gegeneinander und ich weiß, da sind überkrasse MCs am Start. Ich hab' mir letztens einen Artikel darüber durchgelesen, aber ich kenn' keinen einzigen Namen. (lacht) Wahrscheinlich kennen die mich auch nicht. Ich hab' mal geguckt: Die haben zigmal mehr Likes als ich. Aber ich denke, das ist auch schon gerechtfertigt. Ich gönn' denen auf jeden Fall den Erfolg … Vielleicht mache ich das auch irgendwann mal, wenn mein Album floppt. (lacht) Dann probier' ich mich da noch mal.
MZEE.com: Würde dich denn ein neues "Feuer über Deutschland" reizen? Oder könntest du dir das heute nicht mehr vorstellen?
Pedaz: Nee, da muss auf jeden Fall ausgepackt werden. (überlegt) Das müsste schon richtig gut aufgezogen sein. Sagen wir es mal so: Im Moment reizt es mich nicht.
MZEE.com: Als waschechter Lokalpatriot würde ich von dir gerne noch wissen, wie du die aktuelle Rapszene im Ruhrpott beurteilst. Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert und wer ist aktuell das Aushängeschild für den Pott?
Pedaz: Für mich ist immer noch Snaga die Nummer eins. Das war schon immer so. Pillath ist zurück, das freut mich natürlich auch sehr. (überlegt) Aushängeschild … es gibt keinen, der sich so wirklich mit dem Pott identifiziert. Wenn man nach Erfolg gehen soll, dann muss man natürlich die 257ers und KC Rebell erwähnen. Ansonsten auch Lakmann – aber er ist nicht so erfolgreich wie die 257ers oder KC. PA Sports ist auch noch da und Manuellsen hält ebenfalls die Fahne hoch. (grinst) Hier gibt's schon echt viele krasse Rapper. Ich liebäugle ja noch immer mit einem "Aus dem Ruhrpott"-Track, aber ich weiß nicht, ob der jemals zustande kommen wird. Mal schauen.
MZEE.com: Zum Abschluss habe ich noch eine letzte Frage: Wie sehr hat dich die Essener oder die Ruhrpotter HipHop-Szene musikalisch oder persönlich beeinflusst?
Pedaz: Die Essener Szene vielleicht ganz am Anfang, 2004 oder 2005, als ich mit PA unterwegs war … aber nicht viel. Ansonsten Snaga & Pillath, die ich zu Tode gefeiert habe, gerade auch mit "Die linke & die rechte Hand Gottes". (grinst) Ich würd' schon sagen, dass sie mich in die Richtung des Punchlineraps mit der Ruhrpott-Attitüde geschubst haben, aber den Rest habe ich dann irgendwie aus dem Leben gegriffen und dazugepackt.
(Laila Drewes)