Olli Banjo - Lifeshow
VÖ: 08.06.2007
Label: Headrush Records
Mit "Lifeshow" wollte Oliver Otubanjo der Szene beweisen, dass er der beste Rapper im Land ist und zeitgleich mehr von seiner Person preisgeben. Laut eigener Aussage hat sich Olli zu diesem Zeitpunkt musikalisch komplett gefunden um das maximale rauszuholen. Trotzdem und obwohl immer wieder sein ausbleibender, kommerzieller Erfolg en Thema war, sahen es Olli und Roman nicht ein, sich irgendwie anzupassen oder zu verbiegen. Entweder es klappt nach ihren Vorstellungen oder einfach gar nicht. Unter Hip-Hop-Kritikern war aber relativ früh klar, mit "Lifeshow" steht das Meisterwerk von Olli Banjo bevor und auch meine Erwartungen waren damals unermesslich. "Schizogenie" habe ich komplett totgehört und an Banjo kam in dieser Zeit für mich persönlich nichts ran. Eine der größten Überraschungen vor dem Release war sicherlich die Ankündigung der vielen Gastproduzenten. Roman aka Roe Beardie hat zwar weiterhin den größten Teil der 14 Tracks produziert, doch die Hälfte wurde von anderen Produzenten gebaut, was in der bisherigen Karriere von Olli Banjo definitiv ein Novum war. Als Hauptgrund wurde das anstehende Rock-Projekt genannt. Vielleicht war es aber auch das Eingeständnis um möglicherweise eine breitere Masse gewinnen zu können. Da der teils abenteuerliche Beat-Geschmack von Olli oft ein Kritikpunkte seiner vorherigen Alben war, erwartete man sich natürlich hier einen Schritt nach vorne. Da "Lifeshow" zu meinen meistgehörten Deutsch-Rap-Alben zählt und ich auch in den letzten Wochen wieder viel Spaß an diesem Album hatte, gibt es meine erste Track-by-Track-Review. "Vorhang auf!", She-Raw bitte:
"Das ist seine Lifeshow, ihr scheiß Spastenrapper.
Ihr Krüppelspitter alter, wenn Olli reimt geht ihr alle kacken ihr austauschbaren Mainzelmännchen, ihr Wannabe-Fiftys.
Er reimt auf nem anderen Level ihr Fotzen, ach, was sag ich alter, in nem komplett anderen Universum, alter.
Ihr Kackvögel, das ist Banjo, das ist Rambo, das ist dein Arsch Cocksucker.
Vergrabt für immer eure Mics, ihr Motherfucker.
Olli Banjo Lifeshow, BUBAMM!"
Lifeshow [Feat. Jonesmann] [prod. von Roe Beardie]
Fiepsende, fast nervige Flötengeräusche, ein dicker Bass. Ballert! Der Titeltrack wurde noch vor Album-Release als zweite Single veröffentlich und ist für mich persönlich zugleich die bis Dato beste Zusammenarbeit von Olli und Jonesmann. Nachdem auf den vorherigen, gemeinsamen Battle-Nummern wie "Ich hate mit dir" und "Lass sie Brenn'" noch Olli die Hooks übernommen hat, wurde endlich erkannt, dass Jones mit seinem R&G(angsta)-Style eigentlich prädestiniert dafür ist. Schade, dass dafür kein Rap-Part von ihm dabei ist. Olli rapt on top und prügelt Punchlines im Sekunden-Takt auf uns ein. Astreiner Start.
Ich bin frei [prod. von Monroe]
Es wird mit einem Chor gestartet, der sich im Hintergrund durch den gesamten Track zieht und an Kirchen-Szenen aus Ami-Filmen erinnert. Das Instrumental vom ersten Fremd-Produzenten Monroe baut sich ebenso epochal auf. Gewöhnungsbedürftig, wenn man sich darauf einlässt aber definitiv groß. Inhaltlich behandelt Olli seine Selbstzweifel und Versagensangst. Im JUICE-Interview zum Album erzählte er auch, dass er unter psychischen Problemen leidet, diese mittlerweile aber im Griff hat. Obendrein auch wieder einmal sehr erstaunlich, wie technisch versiert und komplex er solche Themen vorträgt.
Tagesschau [prod. von Benni Blanco]
Mit Benni Blanco hat Banjo bereits auf "Sparring 2" gearbeitet, der einen drückenden, zum vorliegenden Thema passenden Beat abliefert. Olli rapt über unzählige Dinge die in seinen Augen schief und falsch laufen, von arm und reich bis hin zur Vogelgrippe und Amokläufern. Selbst der Klimawandel war 2007 schon ein Thema ("Ich seh die schmelzenden Eisberge, weil's Klima zu heiß ist"). Starker Track, als erste Single für das Album, das ihn endgültig nach ganz oben hieven soll (evtl. sogar kommerziellen Erfolg), aber erneute eine sehr fragwürdige Wahl.
In deine Fresse [prod. von Benni Blanco]
Pompöse Bläser, der Beat knallt, Olli spittet Feuer. Technisch wird hier alles rausgeholt. Der Flow ist mal schnell, mal langsam, das Selbstbewusstsein könnte kaum größer sein:
"Ich bin Deutschlands bester Rapper, langsam wird's langweilig
Meine Lines sind kriminell, Rapper sollten mich anzeigen
Ich bin nicht größenwahnsinnig, würd ich auf Englisch brennen
Wär ich weltweit die Eins, zusammen mit Eminem"
Live dabei! (Skit) // Ich hasse dich [prod. von Roe Beardie]
Im "Live dabei!"-Skit gibt es ein fiktives Interview mit Banjo zu hören, bei dem abschließend gefragt wird mit wem Olli einen Beef hat und was er denn hassen würde, worauf dieser lachend mit
"Ne, ich mag alles." antwortet. Über ein aggressiv und rock-lastiges Instrumental wird dann aber klar, dass Olli doch mit vielem seine Probleme hat, ob es nun größere oder kleinere Hassobjekte sind.
Am Riden [Feat. Chamillionaire] [prod. von Roe Beardie]
Azad ersetzte in Deutschland Styles P auf Akons "Locked Up" und Olli Banjo durfte Krayzie Bone auf Chamillionaires
"Ridin'" ersetzen. Zusätzlich gab es noch einen Part von Chamillionaire für "Lifeshow" obendrauf und dieser ist durchaus stark und nicht der übliche, hingeklatschte Müll, den Amis auf deutschen Features zu dieser Zeit so hinterlassen haben. Der Titel erinnert natürlich an den oben erwähnten Welthit und ich hätte mir gewünscht, wenn Olli das Ridin-Thema vielleicht etwas mehr verfolgt hätte, anstatt fast ausnahmslos Punchlines zu droppen. Der treibende Beat von Roe Beardie ist typisch Hip Hop und regt ordentlich zum Kopfnicken an. Sehr stabile Nummer, auf dem Ollis Rap-Selbstbewusstsein zu dieser Zeit aus allen Nähten platzt:
"Das ist Lifeshow, dieses Album ist kochendheiß
In einem Atemzug mit Illmatic, Chronic und Doggystyle"
Dein Vadder (Skit) // Papa [prod. von Roe Beardie]
Auch wenn die Situation grundsätzlich eine etwas andere ist/war, kann/konnte ich den Track sehr fühlen, da ich mit meinem Vater damals auch schon etwas länger keinen Kontakt mehr hatte, was leider bis heute anhält. Das der Song ein so ernstes Thema behandelt wird eigentlich nicht direkt klar, da "Papa" nicht wie "Schönes Kind" vom "Schizogenie"-Album ernst rüber kommt, sonder anfangs wie ein Comedy-Track wirkt. Die bescheuerte Hook und das Instrumental, welches sich irgendwo zwischen Mundharmonika-Sounds, Western- und Afrika-Style bewegt erwecken diesen Eindruck ebenfalls. Textlich klingt das Ganze teilweise auch so, als würde aus der Sicht eines Kindes erzählt werden, was vermutlich daran liegt, dass Olli seinen Vater zuletz mit acht Jahren begegnet ist.
Don't Do Drugs [prod. von Crada]
Hier verfolgt Oliver ein ähnliches Konzept wie auf "AIDS" vom "Erste Hilfe"-Album, auf dem er vor Aids warnt und sich in das Virus verwandelt und von Körper zu Körper wandert. Vor was Olli auf "Don't Do Drugs" warnen möchte wird im Titel denke ich deutlich genug. Olli durchlebt hier einen Drogen-Trip inklusive der gelben Eidechse mit dem Aktenkoffer um vor Drogen abzuschrecken. Wenn man den Song oberflächlich betrachtet, kann man das sicherlich auch falsch deuten. Damals habe ich den Song durchaus gefeiert, aus heutiger Sicht sehr schwer zu beurteilen, da alleine der Dialog mit der Eidechse schon sehr creepy rüberkommt.
Olga & Gladys (Skit) // Black Boys [prod. von Roe Beardie]
Das "Olga & Gladys"-Skit ist wie die vorherigen erneut dämlich und auch nicht besonders lustig. "Black Boys" ist dann der obligatorische und unterhaltsame Porno-Rap-Track, der aber nicht mehr ganz so explizit rüberkommt wie wir es noch vor einigen Jahren von Olli gewohnt waren. Banjo verarbeitet hier u.a. das Problem als dunkelhäutiger akzeptiert zu werden und das er oft die Erfahrung gemacht hat, dass er von Eltern seiner Freundinnen aufgrund seiner Hautfarbe krumm angeguckt wurde. Verpackt wurde das Thema abermals auf lustige Art und Weise, indem Olli beim Liebesspiel mit seiner Sex-Partnerin von dessen Vater erwischt wurde, der unglücklicherweise dem Ku Klux Klan angehört.
Alzheimer (Skit) // Bayern München [prod. von Roe Beardie]
Olli macht hier klar, dass ihm Fußball und der FCB wichtiger sind als seine Freundin und diese machen könnte was sie wolle, wenn Bayern München spielt. Für mich als Dortmund-Fan natürlich grundsätzlich belastend, aber schon ganz witzig umgesetzt. Der Track hat mir aber weder damals zugesagt und macht es heute ebenfalls nicht. Der Beat ist extrem anstrengend und dieses langziehen und komische betonen mancher Reime ist auch absoluter Mist.
B.S.S.K. [prod. von Roe Beardie]
Blut, Schweiß, Scheiße, Kotze - eine wummernde Abriss-Nummer mit einem dröhnenden und hektischen Beat. Hab ich ehrlich gesagt nie gefühlt und ist für mich lediglich ein Skip-Track. Deshalb gibt es hier von meiner Seite auch nichts mehr zu schreiben.
Gimme The Light [Feat. Schivv] [prod. von 5ive7even (Drama Monks)]
Mächtiges und beeindruckendes Instrumental von 5ive7Seven von den Drama Monks, musikalisch vielleicht sogar der größte Track auf diesem Album. Inhaltlich eine Mischung aus "Tagesschau" und "Ich bin frei", technisch perfekt vorgetragen. Die gesungene Hook ebenfalls überzeugend. Der Part von Schivv hinkt natürlich etwas hinterher.
Deine Sprache [prod. von Roe Beardie]
Wohl mein meistgehörter Track vom Album, da ich zu der Zeit selbst ein Beziehungsende verdauen musste und da kam "Deine Sprache" eigentlich perfekt. Bisher ist Olli bei diesem Thema überwiegend aggressiver an die Sache gegangen (z.B. "Baseballschläger"), hier lässt er seinen Gefühlen freien lauf. Alleine wie sich der Piano-Beat aufbaut ist großartig.
Komm ans Fenster [prod. von Monroe]
Zum Abschluss gibt es einen ruhigen und vielleicht etwas unauffälligen Song, der aber erneut zeigt, dass Olli deepe Themen extrem liegen. Gewidmet ist "Komm ans Fenster" einem krebskranken Freund. Guter Abschluss.
Fazit:
Mit "Lifeshow" hat Olli Banjo 2007 seinen Zenit erreicht und sein Meisterstück aufgenommen, auch wenn das Album aus heutiger Sicht nicht mehr ganz so glänz wie noch vor 14 Jahren. Die Beats sind größtenteils zwar weiterhin gewöhnungsbedürftig und nicht jedermanns Ding, ich hatte mit seinem Beatgeschmack aber nie das große Problem und durch die vielen Produzenten-Gastbeiträge ist "Lifeshow" definitiv abwechslungsreicher als noch die Vorgänger und auch Roe Beardie beweist wieder, dass er ein guter Producer ist. Auch inhaltlich gibt es hier von Battle-Tracks bis hin zu deepen und lustige Nummern ein breites Spektrum an Themen. Hier haben aber vor allem die ironischen und witzige Nummern den Test der Zeit nicht wirklich bestanden. Was die Bewertung angeht habe ich auch lange überlegt, ob ich sogar 4.5 Sterne vergebe, aufgrund der teils eher mies gealterten Tracks hätte das aber irgendwie nicht mehr gepasst. Nichtsdestotrotz auch 2021 noch ein großartiges Album von Banjo. Turo Ende!
Anspieltipps: "Lifeshow [Feat. Jonesmann]", "Ich bin frei", "Tagesschau", "Am Riden [Feat. Chamillionaire]", "Gimme The Light [Feat. Schivv]", "Deine Sprache", "Komm ans Fenster"