pokusa
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718 (Theodore Unit)
VÖ: 03.08.2004
★★★
Es gehört zu den ungeschriebenen Rap-Gesetzen, dass halbwegs erfolgreiche und bekannte Rapper über kurz oder lang ihre eigene Posse aus dem Boden stampfen. Zumeist geht es da um egoistische Interessen, denn entsprechende Sampler bedeuten mehr Output und somit auch mehr Präsenz der eigenen Marke. Idealerweise profitierten aber auch die unbekannten Gesichter vom „Fame“ des Anführers und werden selbst erfolgreich, was mehr $$$ für alle bedeutet.
Ghostface Killah führte seine Theodore Unit, dessen Name angeblich von „The Open Door“ abgeleitet ist, weil jeder talentierte MC beitreten kann, auf dem 2001er-Werk „Bulletproof Wallets“ mit dem Track „Theodore“ ein. Aber Wu-Tang-typisch sind selbstverständlich alle Mitglieder der Gruppe in irgendeiner Art und Weise mit dem Clan verbunden oder gleich verwandt, weshalb das „Open Door“ eher kritisch hinterfragt werden sollte.
Auf dem angesprochenen 2001er-Song bekam er Unterstützung von Trife Da Good aka Trife Diesel aka Trife, dem bis heute wohl bekanntesten Ghostface-Sidekick, und Twiz. Zeit einmal, auf die verschiedenen Mitglieder zu schauen:
Trife Da God agierte zuvor zusammen mit den Rappern Kryme Life und Tommy Whispers als „T.M.F.“ (The Most Feared), die Ghostface unter seine Fittiche nahm. Das Trio konnte Ende der 90er einige Achtungserfolge im ambitionierten Untergrund feiern und landete Magazine Shots (Hefte, kein Waffengelaber) sowie gemeinsame Auftritte mit dem Clan und auch Eminem vor seinem großen Durchbruch. T.M.F. ging also nahtlos in die Theodore Unit über, wenngleich Tommy Whispers offiziell nie als Mitglied geführt wurde.
Twiz war zuvor Teil vom „American Cream Team“, der Posse von Raekwon und der ersten Wu-Tang-Splittergruppe überhaupt. Nach dem Tode von Mitglied Chip Banks löste sich die Crew aber auf und Raekwon brachte „Ice Water Inc.“ an den Start, eine neuerliche Gruppe / Label. Twiz fand auf 718 gar nicht statt und verließ die Truppe um 2004 bereits wieder.
Zwei Mitglieder, Shawn Wigs und Du-Lilz, waren Teil der „Othorized F.A.M.“, eine weitere Clan-nahe Truppe. Eines der F.A.M. Mitglieder, Lounge Lo, ist der Bruder von Cappadonna, weshalb wohl diese Connection zustande kam.
Solomon Childs ist der Cousin von Ghostface, that’s that. 2005 verließ er die Posse aus unbekannten Gründen und GKFs Sohn Sun God stieß hinzu. Das erwähne ich, weil die Theodore Unit kein gemeinsames Werk mehr veröffentlichen sollte, also schreibe ich das hier. Was man so liest, hat sich die Gruppe aber nie aufgelöst und besteht gewissermaßen bis heute, gelegentliche Features inklusive.
Ach ja: Cappadonna ist auch noch als Mitglied der Theodore Unit geführt und hat auf 718 zwei Verses am Start. Schwer zu sagen, ob es sich um eine Mitleidsaktion seitens GKF gehandelt hat, denn der gute Cappachino war Anfang der 2000er obdachlos und musste Taxi fahren, um über die Runden zu kommen. Und ein ziemlich mittelmäßiger Rapper war er auch, wobei er als Feature-Gast hier und da gut kommt. Zudem sagt man, dass Ghostface mal sein Leben gerettet haben soll, aber dazu ist mir nichts weiter bekannt.
Kommen wir aber endlich mal zum Sampler. „718“ ist natürlich der ursprüngliche Area Code von Brooklyn, Queens und eben Staten Island, Ghostface’s Hood. Veröffentlicht wurde die Platte über „Sure Shot Recordings“, das mir jetzt nichts weiter sagt. Laut Discogs veröffentlichte das Label einige New Yorker Untergrund Sachen, z.B. vom Infamous Mobb oder auch Craig G (der die Freestyles für 8 Mile schrieb).
Das meiste Material entstand während den Aufnahmesessions zum Pretty Toney Album in New York, außerdem in Miami (wie auch schon Bulletproof Wallets). Auf der Platte finden sich zahlreiche Überbleibsel von der Toney LP. In Summe sollen es ca. 10 Stück sein, aber das ist mir etwas sehr ambitioniert aufgerundet. Ich kann mir gut vorstellen, dass Tony ein paar gute Sachen für seine Crew zurückhalten wollte. Ebenso werden Songs mit vermeintlich teuren Samples gerne auf Untergrund-Compilations gepackt, weil man da hinsichtlich der Clearances wohl nicht so genau hinschaut.
Der Opener „Guerilla Hood“ ist gleich solch ein Pretty-Toney-Ding, das ursprünglich „Gorilla Hood“ hieß, eine andere Hook hatte und Solomon Childs featurte. Aber die 718-Version ist ziemlich gut, vielleicht sogar besser, weil viel treibender und ohne lästige Breaks. Ein aggressiver Representer, auf dem Ghostface mal wieder ein paar Trademark-Lines raushaut: „2 O'Clock, the Apollo on, no socks, wallo's on / Eatin' olives with Vodka, lampin' on plush sofas“. Sample auch sehr heilig, Freunde.
Anspielstation Nummer 2 ist das erste Trife Da God Solo „Punch In, Punch Out“ und hier möchte ich diesen zumeist eher belächelten und – auch von mir – als Sidekick abgestraften Artist mal lobend erwähnen. Wie schon in einer Review zuvor geschrieben hat Trife eine ziemlich krasse Stimme (auch wenn sie manchmal ziemlich „quiekt“) und delivert vor allem im Kontrast zu Ghostface mehr direkten Gangster-, und Straßen-Shit mit Drogen-, und Waffen-Gelaber. Seine druckvollen Vocals klingen irgendwie auch immer wie gedoppelt. Damals hat er ziemlich viele Props bekommen und wurde auch schon als „Juelz Santana seiner Posse“ bezeichnet (oder wie auch immer). Auf einem sehr bekannten Sample von Grover Washington Jr., das auch schon Too Short verwendete, gibt’s straighten Drogendealer-Stuff.
Auf dem „’88 Freestyle“ spitten Ghostface und Trife über das berühmte „Set It Off“ von Big Daddy Kane. Letzterer stiehlt seinem Mentor hier sogar ziemlich die Show mit einfachen und scharfen Rhymes (dope/soap/approach/coat/coke/remote). Großes Kino. Genauso großes Kino ist die Line „Easy, duke, man I need this loot / Look at my face, all hairy like some kiwi fruit“.
„The Drummer“ sollte ursprünglich auch auf dem Pretty Toney Album erscheinen – eine ebenfalls nach vorne gehende Kollabo, auf denen sich GFK, Trife, Streetlife und Method Man die Bälle zuspielen (klingt auch ziemlich nach Tical Material wenn man das mal vergleicht). Der Wallabee Champ droppt mal wieder extrem unterhaltsame Lines wie „Ey yo, it's Ghost with the sky blue kufi, smashin' groupies“.
„Gatz“ mit einem Uptempo-Funk-Beat bleibt jetzt nicht besonders hängen, aber das Sample ist wieder ziemlich 70er-Like und hat ein nettes Bass-Instrument. Shawn Wigs gibt mir übrigens gar nichts, zuweilen klingt er wie eine White-Trash-Ghostface-Kopie und ein echter Wankster. Naja, irgendwas muss GFK ja in ihm gesehen haben. Solomon Childs ist solide auf dem Teil.
„Who are we?“ sampelt ein Scooby-Doo-Theme (!) und kommt bedrohlich schwerfällig aus den Boxen. Ghostface flowt mal anders als gewohnt, was sehr zum Tempo des Tracks passt. Der Mann weiß einfach, was er tut. Außerdem shoutet Bone Crusher die Hook, ist doch auch was. Klasse Street-Hymne. Ob des Samples leider nicht auf YouTube zu finden, aber ein Highlight...
„Smith Brothers“ mit GFK und Trife verwendet den gleichen Beat wie „Smith Bros“ von Raekwon auf dem Lex Diamond Album. Deshalb kam es wohl nicht aufs reguläre GFK-Solo. Im Intro macht Tony gleich klar, dass er „bulletproof mothafuckin gooses outdoors“ hat LOL. Er hat ignorante Lines im Gepäck wie „Lookin' at these faggots, like yeah, you get amped off of Pepsi“ und auch Trife ist solide, steht hier aber klar im Schatten.
„Mama can you hear me“ ist ein Solomon Childs Solo und hat ein ziemlich kitschiges Hochglanz-Sample. Er rappt mit viel Schmerz in seiner Stimme, bleibt inhaltlich aber relativ beliebig. „Paychecks“ mit GFK und Trife ist jetzt auch nicht besonders, sie rappen über Geld, Cream, Spinat und dass sie ganz viel davon wollen. „The first check I ever got, Son, I spent it up top, blowin' a cop...“
„Wicked with Lead“ ist eine weitere Kollabo zwischen Ghostface und Trife mit einem funky Gitarren-Sample. GFK stellt in seinem Part, was recht selten vorkommt, ganz unverfrohlen und direkt heraus, dass er besser rappt als alle anderen. "Mona Lisa, Mona Lisa, can I bone you? Say I can / Yes, I can, I'm lethal / None of these rappers can touch my pen / I'mma killer, that's why I bounce back in the end“. Eine reduzierte, straighte HipHop-Nummer im 90er-Style.
„Daily Routine“ ist ein Shawn Wigs Solo, aber wirklich nicht weiter erwähnenswert. Er möchte irgendwie seine coolen Alltagserlebnisse glorifizieren, aber wie gesagt klingt er eher wie ein weißer Möchtegern-Gangster, find das zwischen den Zeilen ziemlich peinlich. „Right Back“ ist ein Song von den beiden ehemaligen Partnern Trife und Kryme Life (sein einziger Auftritt). Der Beat ist stampfend und anstrengend, obwohl die Parts solide sind. Aber auch das ist eher ein Lowlight.
„Pass the Mic“ klingt nicht nur dem Titel nach wie eine Rap-Cypher Anfang der 90er mit Du-Lilz, Shawn Wigs, Trife, Solomon Childs, Ghost und Cappadonna. Die Akteure performen etwas zu routiniert mit soliden Bars, Cappa fällt aber schon ziemlich ab. Nichts Besonderes.
„Work“ ist ein Solomon Childs Solo. Das Sample ist sehr melodiös, erinnert mich an typische Label-Sampler-Produktionen Mitte der 00er. Childs rappt eher behäbig darüber, dass er mehr arbeitet und sich nicht ausverkauft. Dementsprechend ist seine Karriere auch verlaufen. Für zwischendurch ist der Song aber okay denke ich. „It’s The Unit“ ist ein sehr unspektakulärer Representer mit Wigs, GFK und Cappadonna. Mit dem komischen Rock-Sample soll der Beat wohl nach vorne preschen, aber klingt mir zu Try-Hard. Das ist genau der Sound, den ich von Ghostface NICHT hören will, eigentlich von gar keinem.
„Be My Girl“, erneut eine Solomon Childs Nummer, hat ein ganz knuffiges Sample und schöne Old-School-Snares. Hätte auch von Dipset kommen können. Inhaltlich ist das typisches Hood-Geflirte, aber ist doch ein gelungener Abschluss.
So, jetzt hat 718 viel mehr Text bekommen, als es vermeintlich verdient hätte, aber alles in allem ist die Theodore-Unit-Compilation überraschend kurzweilig und besser als erwartet. Die erste Hälfte ist echt stark, ab Hälfte #2 flacht aber alles hörbar ab. Natürlich wird es immer ziemlich beliebig, wenn Ghostface mal nicht rappt, aber Trife legt eine überdurchschnittliche, roughe Performance hin und auch Member wie Solomon Childs fügen sich ganz gut ein. Das sind jetzt alles keine MCs mit Ausnahmetalent, aber GFK ist sowieso der Hauptakteur und er kann nicht ernsthaft erwartet haben, dass bei irgendeinem Act Solo-technisch mehr geht. Eventuell bei Trife, aber auch da hatte er offensichtlich kein Vertrauen (wie das nächste Album zeigen wird).
("Who are We?" - Nicht auf YouTube)
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