"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Lass mal bitte nich' so tun, als wär Rappen was Schwieriges." – Die Line könnte überheblich wirken, für Shogoon, den Urheber, scheint sie aber zutreffend. Der Mindener hat seine Rapskills in den letzten Jahren exponentiell ausgebaut und ist Autodidakt in Sachen Producing. Dass er Talent hat, beweisen bereits seine Features mit Artists wie Eko Fresh, Pimf sowie Audio88. Sein Können zeigt sich zudem auf der letzten EP "Akt 3: Rookie Season". Obwohl 2021 erschienen, schiebt mich der Vibe der Platte zurück in meine Jugend und lässt für mich in Sachen Nostalgie keine Wünsche offen.
Referenzen aus den 90ern und frühen 2000ern sind neben Sneaker-Anekdoten ein beliebtes Stilelement des Künstlers. Das zeigt sich spätestens auf dem Track "Onkel Phil Freestyle". Größen wie Prince, Biggie, Whitney Houston, 50 Cent und Lauryn Hill wird hier Respekt gezollt und die eigene Vergangenheit spielt ebenfalls eine Rolle: "Ohne ein' Daddy, is' schon gut, alles happy; fünf in Musik, aber träumte von Grammys." Bei all der Retrospektive geht auch der zwischenmenschliche Faktor nicht unter, weshalb beim Anspielen von Track vier wohl einige Hörer:innen dank "süßem Tafelwein" und Herzemojis auf ihrer ganz eigenen "Rückbank 2013" landen werden. Die thematischen Rückblenden, samplebasierte Beats, die Stimme und der dazu passende Flow sind auf den fünf Songs jeweils optimal aufeinander abgestimmt und hinterlassen eine Gefühlswelt irgendwo zwischen nostalgischem Pathos und Laidback-Modus. Es ist demnach kaum verwunderlich, dass die Platte "written und produced by" Shogoon ist. Diesen Alleingang zieht er fast bis zum Ende durch. Das letzte Wort hat allerdings kein Geringerer als Curse, der auf "Bulls 95" der EP einen runden Abschluss beschert.
Shogoon summiert selbst am besten, was seine Musik ausmacht: "Immer anders als die meisten, das' die Quintessenz." Wer es bisher nicht getan hat, sollte sich die EP anhören, um Altbekanntes wiederzuentdecken oder HipHop neu lieben zu lernen. Denn auch, wenn bisher ein Album fehlt, gibt "Akt 3: Rookie Season" bereits einen Vorgeschmack auf all das, was hoffentlich bald kommen mag.
(Sandra Heuler)