"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Es gibt Tage, da braucht es einfach melancholische Musik, die die eigene deprimierende Stimmung noch verstärkt. Lo-Fi-gleiche Instrumentals, eine angenehme Stimme und Texte, die nur wenig Frohsinn beinhalten. Einer meiner Lieblingskünstler, den ich in so einem Fall aus dem Fundus hole, ist Farmer. Seine vor einem Jahr erschienene EP "Zwei und Zwei ist 4" läuft bei mir besonders oft im Loop.
Das Release wird eröffnet mit einem seichten Vocalsample auf einem minimalistischen Beat, auf dem der Künstler eine Erklärung für den EP-Titel liefert. Es ist die Entwicklung vom kindlichen, blinden Vertrauen, dass Pippi Langstrumpf recht hatte, dass alles möglich sei, hin zur ernüchternden Erkenntnis: "Und 20 Jahre später denk' ich: Zwei und Zwei ist Vier." Bis auf diese Gleichung ist alles andere unklar. Das mag deprimierend klingen, doch es ist genau das, was Farmer ausmacht. Er beschönigt nichts auf diesem Release. Klar ist das manchmal unangenehm und gerade bei den Schilderungen vergangener Liebschaften nimmt der Rapper kein Blatt vor den Mund. Die ein oder andere Story ist wohl auch nicht gutzuheißen. Doch die EP wirkt wie eine Art Selbsttherapie für Farmer und dazu gehört, die unangenehmen Geschichten zu reflektieren. Es geht um seine innere Zerrissenheit, den ewigen Drang, das Glück zu finden und stets daran zu scheitern. Verpackt in mal mehr, mal weniger poetischen wie komplexen Bildern. Die von verschiedensten Produzenten gepickten Beats bilden dabei nur das musikalische Gerüst, welches den Hörer durch die Psyche des Rappers begleitet. Die Lo-Fi-Instrumentals unterstreichen stets die Stimmung, aber geben dem Text dabei enorm viel Raum, was den Inhalt umso erdrückender macht.
Am Ende ist es schwer, Farmers Musik mit nur wenigen Worten gerecht zu werden. Ich persönlich kann mich einfach immer wieder komplett auf seine Musik und ganz eigene, tristgraue Welt, die er beschreibt, einlassen. Nicht zuletzt, weil ich auch nach mehrmaligen Hören von "Zwei und Zwei ist 4" weiterhin Neues in seinen Zeilen entdecke.
(Lukas Päckert)