Sie kommen aus den Tiefen des Dschungels und zeigen klare Kante, wenn es um Themen wie Natur- oder Klimaschutz geht. Als erste Echsen-Crew im deutschen Rap verdeutlicht die Lazy Lizzard Gang außerdem, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Modeerscheinung ist, sondern ein Thema, welches jeden Einzelnen im Alltag betreffen sollte. Mit ihrem neuen Projekt "Erde" haben sie wieder ein Album mit einer deutlichen Message an den Start gebracht: "Ihr zieht alles aus der Erde und sie leidet. Millionen Jahre, bis sie wieder heil ist." – Anders gesagt: Es ist kurz vor zwölf und wir sollten langsam schauen, wie wir unserem Planeten etwas Gutes tun können. Im Gespräch mit OG Kush Salamanda und Lil Lizzy wurde schnell klar, dass sich ihre enge Bindung zur Mutter Natur nicht nur in ihren Texten, sondern auch in ihrer Lebensweise widerspiegelt. Wir haben uns mit ihnen unter anderem über die Nachhaltigkeit von Musik in Zeiten von Streaming und ihr recyceltes Merchandise unterhalten. Außerdem ging es darum, was Politik und Einzelpersonen dazu beitragen können, um Nachhaltigkeit voranzutreiben.
MZEE.com: Ich bin bei meiner Recherche auf eine Definition von nachhaltiger Entwicklung gestoßen. Sie stammt von den Vereinten Nationen und wurde im Jahr 1987 festgelegt: "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende." – Inwieweit entspricht diese Erklärung eurer persönlichen Definition?
OG Kush Salamanda: Das klingt für mich so, als sei der Begriff an den Bedürfnissen der Menschen orientiert. Wir würden uns wünschen, dass alle Lebewesen mit einbezogen werden.
Lil Lizzy: Es ist falsch, Mutter Erde als Ressource zu betrachten. Es geht darum, mit ihr zu leben und die Bedürfnisse aneinander anzupassen.
MZEE.com: Wie würde denn eure persönliche Definition lauten?
OG Kush Salamanda: Nachhaltig zu leben, bedeutet für uns, dass man nicht mehr nimmt, als wieder nachwachsen kann. Es gibt viele Menschen, die mit ihrem vernunftbegabtem Wesen immer wieder neue Möglichkeiten finden, um Ressourcen zu schonen. Über solche Ansätze freuen wir uns sehr.
MZEE.com: Wann habt ihr euch das erste Mal bewusst mit dem Thema auseinandergesetzt?
Lil Lizzy: Bei uns im Dschungel werden wir da reingeboren. Wir lernen von Anfang an, mit der Natur zu leben. Erst durch das Handeln der Menschen ist uns bewusst geworden, dass Nachhaltigkeit nicht selbstverständlich ist.
OG Kush Salamanda: Es gab eine Zeit, in der Menschen Ressourcen verschwendet und Tiere gejagt haben, ohne groß darüber nachzudenken. Ein solches Mindset kannten wir vorher gar nicht. Zum Glück findet so langsam ein Umdenken statt.
MZEE.com: In eurer Musik spielt das Thema Naturschutz eine zentrale Rolle. Beim Hören eures neuen Albums "Erde" fällt auf, dass der verträumte und tanzbare Sound gute Laune macht, die Texte aber sehr kritisch sind und zum Nachdenken anregen. War diese Kombination von Anfang an so geplant?
OG Kush Salamanda: Ein Gegensatz hilft manchmal dabei, Themen zu transportieren, die vielleicht nicht so zugänglich sind. Beim Track "Gewarnt" wird das deutlich: Wir beschreiben einen Zustand, in dem alle singen und tanzen, ohne zu merken, dass man kurz vor dem Abgrund steht. Auf der einen Seite haben wir uns bewusst dafür entschieden, auf der anderen Seite ist das einfach unser Style.
MZEE.com: Wenn ihr mich fragt, hört man raus, dass ihr in den Wäldern von Peru aufgewachsen seid. Ich habe da selbst einige Monate gelebt und erkenne die mystische Atmosphäre von dort in eurer Musik wieder.
OG Kush Salamanda: Schön zu hören! Ich glaube aber, dass man eine solche Atmosphäre überall in der Natur findet. Dafür muss man nicht unbedingt einmal um die Welt reisen.
MZEE.com: Abseits von der Musik kann man euch auch mit dem Kauf von Merchandise unterstützen. Inwieweit seid ihr darüber informiert, wie eure Shirts produziert werden und woher sie kommen?
OG Kush Salamanda: Bei unseren neuen Shirts wissen wir tatsächlich nicht genau, woher sie kommen. Das liegt daran, dass wir eine Recycling-Kollektion haben. Wir haben ausgewählte T-Shirts von verschiedenen Marken bedruckt und mit Labels versehen. Die Idee dahinter ist, nicht noch mehr Klamotten herzustellen, als es sowieso schon auf der Welt gibt.
Lil Lizzy: Deshalb haben wir uns in den letzten Jahren auch so mit Merchandise zurückgehalten. Wir wollten erst mal eine Form finden, mit der wir uns wohlfühlen. Davor haben wir bei der Produktion den Fokus auf Fairtrade und Bio-Baumwolle gelegt, aber erst jetzt fühlt es sich richtig stimmig an. Bei uns ist es immer eine kleine Überraschung, wenn man sich ein T-Shirt bestellt, denn es sieht nicht jedes gleich aus. An dieser Stelle muss man seinen eigenen Anspruch etwas runterschrauben. Man hat am Ende vielleicht kein perfektes T-Shirt, aber dafür wurde es mit Liebe hergestellt.
MZEE.com: Beim Thema Nachhaltigkeit kommen wir nicht daran vorbei, über die Klimakrise zu sprechen. Durch die Fridays for Future-Bewegung sind viele Menschen auf die Straße gegangen, um sich für Veränderungen einzusetzen. Was sind eurer Meinung nach die größten Baustellen, an denen die Gesellschaft arbeiten muss?
Lil Lizzy: Zu dem Thema können wir nicht so viel sagen, weil wir nicht in eurem Lebensraum unterwegs sind. Größere Firmen und Industrien müssen nach nachhaltigen Technologien suchen und dafür muss eure Politik eine klare Linie vorgeben. Natürlich muss auch jeder Einzelne schauen, dass er Verantwortung übernimmt und als Vorbild vorangeht.
MZEE.com: Kann man denn als Einzelperson effektiv mithelfen oder steht und fällt das Thema Nachhaltigkeit mit unserem System?
Lil Lizzy: Mithelfen kann man immer, indem man im kleinen Kreis als Beispiel vorangeht. Die wirkliche Verantwortung liegt in unseren Augen aber bei der Politik und der Wirtschaft. Deshalb wäre es wichtig, dass sich das weltweite Umdenken dort manifestiert.
OG Kush Salamanda: Das sind natürlich auch alles einzelne Menschen, die die Möglichkeit haben, etwas zu verändern.
MZEE.com: Muss ein Systemwechsel her, um eine effektivere Klimapolitik fahren zu können?
OG Kush Salamanda: Diese Frage müssen die Menschen beantworten und am besten welche, die sich damit ausreichend beschäftigt haben. Aus unserer Perspektive können wir nur feststellen, dass sich etwas verändern muss.
MZEE.com: 2019 seid ihr am Weltklimatag auf einer Demo vor dem Brandenburger Tor aufgetreten. Obwohl Konzerte eine gute Möglichkeit sind, um auf Missstände aufmerksam zu machen, habt ihr insgesamt noch nicht viele gegeben. Habt ihr diesbezüglich schon Pläne für die Zukunft?
OG Kush Salamanda: Wir arbeiten gerade an Plänen für Konzerte, damit wir ready sind, sobald es wieder geht. Wir feilen außerdem an einem Konzept für einen Livestream. So wie man uns kennt, dauert das aber alles seine Zeit. (lacht) Wir wollen eine einmalige Atmosphäre schaffen, sodass die Leute in unsere Welt eintauchen können. Es wird noch ein bisschen dauern, aber dafür können wir dann ein einmaliges Erlebnis bieten.
MZEE.com: Kommen wir noch mal auf euer aktuelles Album zurück: Auf eurem Track "Wie es sein soll" beschreibt ihr die oftmals naive Denkweise unserer Gesellschaft. Was muss sich eurer Meinung nach in den Köpfen der Menschen ändern, die ihr auf dem Song kritisiert?
OG Kush Salamanda: In dem Song kritisieren wir die Egal-Haltung vieler Menschen, mit der sie Missstände einfach so hinnehmen oder schönreden. Dabei merken sie gar nicht, dass es bereits kurz vor zwölf ist.
MZEE.com: Durch die Pandemie sind viele Lebensbereiche aus dem Gleichgewicht geraten. Welche Entscheidungen kann die Politik jetzt treffen, von denen langfristig alle etwas haben?
OG Kush Salamanda: Ich weiß nicht, ob ich auf eine so große Frage mal eben eine Antwort parat habe. (lacht)
Lil Lizzy: Die Frage ist ja, ob es einige dieser Probleme vielleicht schon vorher gab und sie durch die aktuelle Situation erst ans Licht gekommen sind.
OG Kush Salamanda: Eine Entschleunigung der Wirtschaft ist vielleicht auch nicht das Schlechteste, was der Welt passieren kann. Aus der aktuellen Situation kann man einige Lehren ziehen, um es in Zukunft besser zu machen.
Lil Lizzy: Ja, genau. Es geht nicht nur darum, die Brände zu löschen – man sollte jetzt schon anfangen, zukunftsorientiert Entscheidungen zu treffen.
MZEE.com: Zum Schluss möchte ich noch über euch als Privatechsen sprechen: Welche nachhaltigen Entscheidungen trefft ihr bewusst im Alltag?
Lil Lizzy: Wir versuchen, mit dem zu leben, was die Natur uns schenkt. Man kann besonders im Frühling so viele Wunder entdecken, wenn man einfach mal die Augen aufmacht – Gänseblümchen essen oder den Bäumen zuhören, was sie so zu erzählen haben. Das klingt vielleicht witzig, kann aber ein echtes Geschenk sein.
OG Kush Salamanda: Bei euch in der Menschenwelt werden immer wieder Sachen verschenkt, die noch in einem guten Zustand sind. Es muss nicht immer alles neu sein.
MZEE.com: Habt ihr Laster, auf die ihr nicht besonders stolz seid?
OG Kush Salamanda: Wir verpesten die Luft mit Kush. (lacht)
Lil Lizzy: Wir verzichten zwar auf CDs oder andere Tonträger, da wir keinen Plastikmüll herstellen wollen – aber auch Streaming ist nicht super nachhaltig, weil dafür ein hoher Energieaufwand nötig ist. Das bedeutet, dass es schon noch Bereiche gibt, in denen wir noch keine bessere Alternative gefunden haben und deshalb vielleicht auch Strukturen nutzen, die unseren Werten widersprechen.
(Moritz Friedenberg)
(Foto von Vincenz Neuhaus, Illustration von Niji)