"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Wenn wir darauf zurückblicken, wer uns geprägt und aus kleinen große HipHop-Fans gemacht hat, sortieren wir gerne mal aus. Wir erzählen liebend gern, wie viel Einfluss Dendemann und Freundeskreis auf unsere geistige Entwicklung hatten. Kommerziellere Künstler:innen wie Sabrina Setlur, Tic Tac Toe oder Die Fantastischen Vier unterschlagen wir jedoch häufig in der Erzählung über uns selbst. Dabei haben diese "Sellout-Acts" vermutlich genauso mitgeholfen, Reime auf Deutsch in unsere Köpfe zu pflanzen.
Deswegen möchte ich zu seinem diesjährigen 25. Geburtstag mein erstes selbst gekauftes HipHop-Album aus der Plattenkiste ziehen: "4:99". Dessen Vorgänger "Lauschgift" hatte Fanta 4 bereits kommerziellen Erfolg gebracht und so flimmerte "MfG" als erste Singleauskopplung im März 1999 direkt auf MTV und VIVA über unsere Bildschirme. Klar, der Track hatte mit Doubletime und mehrsilbigen Patterns noch nicht viel am Hut, aber die Aufmerksamkeit auf dem Schulhof war ihm mit Reimen wie "UKW, NDW und Hubert Kah. BTM, BKA, hahaha" sicher. "MfG" schaffte es aus dem Stand auf Platz zwei der deutschen Charts. Das Album wurde später die erste Nummer eins der Bandgeschichte. Im Juli 1999 machten die vier dann, beflügelt vom Erfolg, Moves der besonderen Art. Sie releasten drei Singles gleichzeitig, mit Fokus auf jeweils einen der MCs: "Buenos Dias Messias" von Thomas D, Michi Becks "Michi Beck in Hell" – ein Storyteller und mein Favorit – sowie Smudos "Le Smou", ein tanzbarer Soul-Banger, der bis heute funktioniert. Die Aufmerksamkeit auf "4:99" und die deutsche Rapwelle führten dazu, dass Fanta 4 das erste deutsche Rap- und das zweite hiesige MTV Unplugged überhaupt spielten. Und so erreichten sie über Jahre einen Platz ganz vorne in der deutschen Musiklandschaft.
Natürlich kann man einige Promo-Aktionen der neueren Zeit kritisch betrachten – ich sag nur: Aldi-Stadiontour. Dennoch wird zu selten erwähnt, dass die Crew in den 90er Jahren unter anderem über DJ Thomilla und die Turntablerocker versuchte, Kontakt in die Szene zu halten. Auch das von den Fantas 1996 gegründete Label Four Music förderte bis in die 2000er Jahre Künstler:innen, die bei den Majors weniger Chancen gehabt hätten. Also steht zu Euren Kommerz-Vorlieben und hört mal wieder rein. Tut gar nicht weh, versprochen.
(Kerstin Klein)