"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Ja, inzwischen haben wir alle akzeptiert, dass weder Slowy noch Eloquent weiterhin die Boom bap-Gallier im römischen Deutschtrap sind. Dennoch hat es auch mich anfangs schockiert, als Slowy nach drei Alben mit 12Vince plötzlich auf einem drippy Beat voller 808 Drums von dem mir bis dato unbekannten Niko daher kam. Doch trotz anfänglicher Skepsis hörte ich das komplette Album "Durch die Nacht" und es gefiel mir nicht nur musikalisch, sondern vor allem inhaltlich.
Besonders hängen blieb dabei "Terrorzellen". Der Track bringt so gut auf den Punkt, was mir in den letzten Jahren so hart gegen den Strich ging: "Selbstgerechte Presseredakteure bedienen rechte Hetze. Sei's politisch, sei's für Profit – ihr seid echt das Letzte!" Slowy redet sich hier einfach knapp drei Minuten von der Seele, was er von der BILD und deren Kollegen hält. Klar, wie in der Hook propagiert die Verlagsgebäude niederzubrennen, ist etwas unrealistisch. Und ja, weitere Vorschläge, was man gegen den Axel Springer-Verlag tun könnte, bringt der Hamburger nicht. Aber das muss er auch nicht. Es ist schon angenehm, wenn jemand mal seine Stimme erhebt und laut ausspricht, wie stark einige Medien Hass und Gewalt fördern. Das Ganze rappt er gewohnt routiniert auf dem für ihn so neuen Terrain. Für diesen Track hat Niko nämlich einen Beat gezaubert, der drillmäßig nach vorne geht, aber gleichzeitig massiv die triste Stimmung des Inhalts untermalt. Letzteres liegt allem voran an dem melancholisch klingenden Sample eines Blasinstruments, welches den Beat trägt. Kein Stück Boom bap, aber trotzdem ein äußerst starkes Zusammenspiel, da Slowys Stimme auch hier perfekt auf das Instrumental passt.
Kurz und knapp war spätestens mit diesem Titel meine Skepsis gegenüber dem neuen Weg des ehemaligen Oldschool-Verfechters gänzlich verflogen. Slowy steht auch das moderne Gewand sehr gut und der Inhalt ist gewohnt heftig. "Terrorzellen" spricht wieder mal ein Thema an, das viel zu wenige ansprechen. Und das auf hohem Niveau.
(Lukas Päckert)