"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künstler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der Gesprächspartner ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
"Was war denn dein erstes HipHop-Konzert?", wird man als Rap-Hörer manchmal gefragt. Meins war eigentlich gar kein Konzert. Nicht mal ein richtiger Festival-Auftritt. Es waren K.I.Z, 2008 auf dem Red Bull-Bus vor dem HipHop Open-Gelände in Bad Cannstatt. Davor, weil sie keine geladenen Gäste waren – frei nach dem Motto: "Wir mach'n selber Party, drauß'n uffer Parkbank." Ebenjenes Nicht-Konzert hat meine Liebe zu dieser Band und ihrem ein Jahr zuvor erschienenen Album "Hahnenkampf" besonders geprägt.
So gut wie jeder Track schreit nämlich nur danach, live performt zu werden und erweckt in mir das Bedürfnis, Ellenbogen einzusetzen. Das beginnt schon beim ersten Takt von "Geld essen (Ausgestopfte Rapper)". In feinster Battlerap-Manier folgt hier eine Punchline der nächsten. K.I.Z sind bekannt für Beats, die nach vorne gehen und Reime, die vor Wortgewalt und zweideutigen Inhalten nur so strotzen. "Böhses Mädchen" hat damals für mich die Geschlechter-Rollen vertauscht. Das fand ich toll. Auch wenn ich heute manch eine Zeile nicht mehr so abfeiern kann, muss ich zugeben, dass ich mich über Texte gefreut habe, die nicht einfach von unterwürfigen Frauen gehandelt haben. Generell zeigt die Band auf der Platte, dass mehr in ihr steckt als lustige Parodien und Wortwitz. Tracks wie "Wenn es brennt" haben mich damals schon zum Nachdenken gebracht: "Opa war Gastarbeiter, mach als Hustler weiter." Hinter all den lustigen Vergleichen verbirgt sich nämlich meist bittere Realität. Um meine Wut über diese rauszulassen, kam der Track "Ellenbogengesellschaft" gerade richtig. Und 2008 durfte ich dann live erleben, was diese Gesellschaft ausmacht. Ich liebe sie bis heute.
"Hahnenkampf" hat meine Verehrung für K.I.Z endgültig besiegelt. Sicherlich hängt das auch mit dem einmaligen Auftritt zusammen. Aber ich kann mich an diesem Album und der Genialität der Jungs einfach nicht satthören. Es ist wohl was dran, wenn es heißt: "Man sagt, die Guten sterben jung, doch die Besten sterben nie."
(Sandra Heuler)