Du nennst dich Boss, oder Gott, oder King.
Doch mit grim triffst du dann auf einen Graf!
Süßes, sonst gibt's Saures! Passend zu Halloween veröffentlichte grim104 die EP "Das Grauen, das Grauen". Erstmals seit sechs Jahren betritt das Zugezogen Maskulin-Mitglied also wieder Solopfade. Den Graf Dracula-Swag dreht er dabei bis zum Anschlag auf: Selbst auf dem Cover der Platte prangen spitze Zähne aus seinem Mund. Aber auch die Musik ist eine Art zehnteiliges Gruselkabinett.
Während sich die Menschen an Halloween verkleiden, um schaurig auszusehen, macht grim auf seiner neuen Platte genau das Gegenteil: Er reißt der Wirklichkeit ihre Maske herunter und zeigt gerade damit, wie furchtbar sie ist. Auf "Hölle" etwa schildert der Rapper die unerträglichen Zustände Berlins, wo sich der Schrecken der Gentrifizierung mit dem der Obdachlosigkeit paart. Noch tiefer hinab geht es auf "Unter der Stadt", einer eindrücklich erzählten Dystopie, die den Hörer in die schmutzigen U-Bahn-Schächte und Kanalisationen der Großstadt entführt. Mit seinem eigenen Schicksal beschäftigt sich grim104 hingegen auf dem biographischen "Das Grauen". Die Beschreibung ist so packend und treffend, dass man als Hörer unweigerlich auch Parallelen zu den Schrecken des eigenen Daseins erkennt. Neben all den unbarmherzigen Momenten auf "Das Grauen, das Grauen" wirkt der Grusel-Representer "Graf Grim" fast schon harmlos. Trotzdem entfaltet auch dieser Song dank der exzentrischen Vortragsweise des Protagonisten eine unweigerliche Sogwirkung. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass man sich in puncto Beat und Flow fleißig bei US-Rapper Denzel Curry bedient hat. Allgemein unterstreichen die Instrumentals von Silkersoft, BLVTH und Kenji451 die Schilderungen grims auf fast bestialische Weise – und tragen so entscheidend zur extrem dichten Atmosphäre der Platte bei.
Mit "Das Grauen, das Grauen" beweist der ZM-Rapper: Das Ungeheuerliche bedarf keines Pseudo-Feiertags und keiner geschnitzten Kürbisse. Es beherrscht schon immer unseren Alltag. Und es braucht nur einen extrem talentierten Texteschreiber wie grim, um das in all seinen furchtbaren Facetten klarzumachen.
(Florian Peking)