Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Mic Check eine Hilfestellung bieten. Rappern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Bereits im Jahr 2009 hast du Raptracks veröffentlicht und kannst auf eine vielfältige Diskographie von vier EPs und diversen Freetracks zurückblicken. Hast du bei so viel Musik einen persönlichen Lieblingstrack von dir selbst?
Satán Anunnaki: Ja, auf jeden Fall. Früher waren das eher die battlelastigen Songs wie "Mundraub". Heute lege ich mehr Wert auf die Message. Von den bisher veröffentlichten Tracks sind meine aktuellen Favoriten "Maskenball (Eyes Wide Shut)" und "Die 4. Dimension". Ich mag aber auch meinen Part auf "Realitäten" sehr gerne.
MZEE.com: Gibt es andererseits aber vielleicht auch einen alten Track beziehungsweise eine Zeile von dir, die dir mittlerweile unangenehm ist? Wenn ja, welche?
Satán Anunnaki: Auch die gibt es. Im Intro meines ersten Albums "Parabellum" gibt es eine Line, wie ich sie jetzt nicht mehr bringen würde. Dort habe ich den Ausdruck "Schwule" als Beleidigung verwendet. Zwar richtete sich die Beleidigung nicht an Homosexuelle, allerdings kann man die Line leicht auf diese Weise missverstehen. Heute denke ich, mein Vokabular ist groß genug, um meinen Emotionen auch anders Ausdruck zu verleihen. Damals war ich aber eine ganze Dekade jünger und ignoranter als heute und zudem in einer schwierigen Lebensphase. Zu der Zeit war mir sowas völlig egal. Auch über den Song nach dem Intro kann ich heute nur noch den Kopf schütteln. Nicht, weil der Song an sich schlecht wäre, aber in meiner persönlichen menschlichen Entwicklung bin ich heute einfach so weit weg von dem, was ich damals inhaltlich von mir gegeben habe. Auf dem Album sind aber durchaus auch einige Perlen, die ich immer noch gerne höre, zum Beispiel "Blutsbruder" oder "Des Teufels Lied".
MZEE.com: Wie sieht deine Herangehensweise an einen neuen Track aus? Suchst du dir zuerst einen Beat und schreibst dann deinen Text oder andersherum?
Satán Anunnaki: Es gibt da keine feste Herangehensweise für mich. Meistens bekomme ich zuerst einen Beat – in der Regel von Denzel oder Mütos –, der mich inspiriert, und auf den schreibe ich dann. In letzter Zeit habe ich aber auch wieder öfter auf Instrumentals von Rap-Klassikern geschrieben und zum Teil auch aufgenommen. Ich habe dann erst im Nachhinein den passenden, exklusiven Beat für die Aufnahme bekommen, um ihn in der Session gegen das Instrumental auszutauschen. Das ist natürlich immer ein wenig riskant, weil es sein kann, dass man dann doch keinen passenden Exclusive-Beat für den Song findet oder einem das Ding einfach besser auf dem Beat gefällt, auf den man es aufgenommen hat. In dem Fall gibt es dann halt einen neuen Promo-Song auf Soundcloud oder YouTube zu hören.
MZEE.com: In deinen Tracks thematisierst du oft Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft und einen innerlichen Zorn – auch auf die Rapszene. Gibt es denn eine bestimmte Botschaft, die du mit deiner Musik vermitteln willst?
Satán Anunnaki: Da gibt es zu viele, um sie alle aufzählen zu können. Aber solche Botschaften sind mittlerweile definitiv in vielen meiner Songs enthalten. Die Rapszene ist meiner Meinung nach einfach ein gutes Beispiel dafür, was auch im großen Ganzen falsch läuft. Sei es, dass das geistige Niveau auch durch TV und Mainstream-Mucke kontinuierlich gesenkt wird oder die Heuchelei in Bezug auf die Rede- und Meinungsfreiheit. Oder dass die meisten Menschen ihren Lebenssinn nur noch im Konsum unnötiger materieller Güter sehen, mit denen sie sich vor anderen brüsten können, was auf Dauer unsere Lebensgrundlage zerstört. Bis vor Kurzem habe ich noch für sechs Monate im Camper gelebt und viel Zeit in der Natur Südeuropas verbracht. In dieser Zeit habe ich realisiert, wie wenig man eigentlich wirklich braucht. Natürlich darf und soll es alle inhaltlichen Richtungen im Rap geben. Aber ich denke, wenn sich in der Rapmusik nicht mehr die Leute am besten verkaufen, die diesen kapitalistischen Lifestyle propagieren, sondern die, die uns was zum Nachdenken und Recherchieren mitgeben, wäre das doch ein gutes Zeichen. Das bedeutet aber nicht, dass Rap für Akademiker gemacht werden sollte. Rap kommt von der Straße und muss auch immer wieder eine gewisse Härte aufweisen, um als solcher gelten zu können. Die für mich größten Künstler in diesem Genre können immer beides miteinander vereinen sowie das raptechnische Verständnis und die nötigen Skills vorweisen."Make sure he a thug and intelligent too" – Nas.
MZEE.com: Und zum Schluss, beende folgenden Satz: "Meine Musik ist wie eine Mischung aus …"
Satán Anunnaki: … Meditation und Revolution!
Ein Exclusive von Satán Anunnaki könnt Ihr Euch ab sofort auf dem YouTube-Channel von
MZEE.com ansehen:
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Satán Anunnaki auf Instagram
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
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