Der Deutschrapzirkus ist ein umtriebiger Schauplatz. Zwischen all den Promophasen und Albumveröffentlichungen kann man schon einmal den Blick fürs Detail verlieren. Deshalb stellen wir jeden Monat an dieser Stelle die kleinen, feinen Highlights vor, die abseits des Album-Korsetts Beachtung verdienen. In den Kategorien Statement, Video, Song, Instrumental und Line präsentieren unsere Redakteure handverlesene Schmuckstücke. Egal, ob nun ein besonders persönlicher Bezug, eine wichtige Message oder ein rundes musikalisches Gesamtpaket den Anlass bieten. Hier wird ein tiefer Einblick in einzelne Facetten der Rapwelt geboten. Fünf Höhepunkte – klatscht in die Hände für unsere "High Five"!
Statement: Basstard
Mit "Meister der Zeremonie" ist es nun über zwei Jahre her, dass Basstard ein eigenes Album herausgebracht hat. Die Fans warteten also lange auf frischen Sound, den er Ende November nun in Form eines neuen Songs lieferte: "Meine Welt 2" ist fertig und steht gegen einen kleinen Aufpreis jedem zur Verfügung. Das Geld fließt jedoch keineswegs in die Taschen des Rappers – es geht zu 100 Prozent an Human Aid Collective, eine Organisation, die Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen hilft. Die Idee, die Einnahmen des Songs zu spenden, kam dabei aus Basstards eigener Community. Noch bis zum 15.12. können alle, die eine komplett frei wählbare Summe überweisen, den neuen Track hören. Danach wird er für alle anderen via YouTube und Spotify bereitgestellt. Auf diesem Wege sind bereits über 350,00 € (Stand: 10.12.2017) für den guten Zweck zusammengekommen. Eine großartige Aktion, die es zu unterstützen gilt und mit der Basstard für uns das Statement des Monats November gesetzt hat.
Video: Chima Ede – Ave Maria ft. CE$
Allein der Titel von Chima Edes neuester Videosingle "Ave Maria" ruft beim Hörer viele Assoziationen hervor, welche bei den meisten vermutlich einen starken Bezug zu Religion haben. Offensichtlich auch beim Team rund um Regisseur Julian Richberg, welches die Visualisierung des Stücks übernommen hat. So sind in vielen Szenen des Videos Chima und Featuregast CE$ inmitten einer eigenen Version des letzten Abendmahls zu sehen – mit dunkelhäutigen Jüngern, so manchem Joint und einer Tafel, die mit Fried Chicken und Weintrauben gefüllt ist. Ein starkes Bild mit viel Raum für Interpretation, womit der Rahmen eines High Five-Artikels bedauerlicherweise gesprengt würde. Ganz zu schweigen von den restlichen Szenen. Die Selfies schießende Duckface-Indianerin, die Blut weinende, nackte Päpstin und die Burkaträgerin gefolgt von einem halbnackten Kreuzträger sind nur Beispiele. Aber auch, wenn die verbildlichten Metaphern an dieser Stelle leider nicht analysiert und diskutiert werden können, lohnt es sich, das Video mit einem Auge auf die Details anzuschauen.
Song: Mauli – Offizielles Snippet Autismus & Autotür
Deutscher Rap ist auch im Jahre 2017 geprägt von unterschiedlichsten Trends und Strömungen, die einem, je öfter sie bedient werden, zunehmend auf den Keks gehen können. So ging es wohl auch Mauli, der ohnehin bekannt dafür ist, seine Sprechgesangskollegen wenig ernst zu nehmen. Mit dem knapp fünfminütigen Fake-Snippet zum Album "Autismus & Autotür" setzt er dem Ganzen allerdings die Krone auf. Von Beat-Klischee zu Beat-Klischee springend offenbart der Berliner die ganze Redundanz und Gleichförmigkeit, die in einem großen Teil der aktuellen Szene vorherrscht. Ob aus Frankreich importierter Afrotrap-Reggae-Brei oder Möchtegern-Trap-Geflexe – der dreckige Maulwurf veräppelt alles mit Bravour. Selbst eine kurze, kollegaheske Doubletime-Einlage gibt Mauli zum Besten. Lines wie "Ice auf meinem Shirt, so als hätte ich gesabbert" offenbaren, wie debil und festgefahren textliche Motive im deutschen Rap reproduziert werden. Dass sich in dem parodistischen Panorama tatsächlich viele unterhaltsame Zeilen verbergen, ist dabei nur ein netter Bonus. Maulis Snippet zeigt, wie einfach Trends ein Musik-Genre gleichschalten können, konstatiert damit eine gewisse Innovationsarmut – und das auf eine verdammt amüsante Weise.
Instrumental: Neunfünf – Pattonville (prod. by Tobias)
Aktueller Rap muss keine Elemente aus dem Trap-Baukasten beinhalten, um nach 2017 zu klingen. Auch elektronisch-souliger Future-Sound, wie er etwa von Übersee-Künstlern wie Kaytranada oder Sango produziert wird, eignet sich hervorragend, um ihn mit melodiösen Raps zu segnen und den Zahn der Zeit zu treffen. So ist auch Neunfünfs "Pattonville" eine Kombination aus genau diesen Komponenten. Der Beat zum Track stammt dabei von einem gewissen Tobias, über den sich auch nach extensivem Googeln nichts herausfinden lässt. Unabhängig davon handelt es sich bei dem Instrumental um ein herausragendes Stück Musik, das durch seine treibenden Drums und glasklare, warme Klänge überzeugt. Produzenten, die sich dieser kontemporären, in keine etablierte Schublade des Genres passenden Spielart von HipHop bedienen, gibt es in Deutschland bislang leider kaum. Umso schöner, dass das Berg Money Gang-Mitglied Neunfünf sich diesen exzellenten Beat von Tobias vorgeknöpft hat, um seine vernuschelten Singsang-Bars darauf zum Besten zu geben.
Line: Ebow – Punani Power
Denn ich rapp' wie 'ne Pussy, mach' Tracks wie 'ne Pussy.
Schreib' Texte und – fuck it – ich flex' wie 'ne Pussy!
Machen wir uns nichts vor: Trotz all der Fivas, Pilze und Antifüchse, die im Laufe der Zeit vorstellig wurden, ist deutscher Rap nach wie vor eine Männerdomäne. Wenn es um Gleichberechtigung geht, ist die Szene in vielen Bereichen dank eines Großteils ihrer Vertreter oftmals sogar noch vorsintflutlicher als die restliche Gesellschaft. Doch nur, weil ein Geschlecht in der Überzahl ist, sollte das andere noch lange nicht den Mund halten. Ganz im Gegenteil: Es ist umso wichtiger, dass weibliche MCs den Spieß umdrehen und ihn als Dorn im Auge der testosterongeschwängerten Szene nutzen. Und genau das tut Ebow auf dem Track "Punani Power" ihres neuen Albums "Komplexität". Nicht nur was den Sound angeht, kann die "Frida Kahlo der Straßen" problemlos mit den Male MCs mithalten. Wenn sie Lust hat, nimmt sie ihnen gleich auch noch Para, Anabolika und ihr Viagra ab. Insbesondere mit unserer Line des Monats beweist Ebow dabei nicht nur inhaltlich, sondern eben auch raptechnisch, dass "wie 'ne Pussy" zu rappen absolut nichts Schlechtes sein muss.
(Sven Aumiller, Steffen Uphoff, Florian Peking, Steffen Bauer, Daniel Fersch)
(Foto von Nima Najafi Hashemi)