Kategorien
Kritik

Zugezogen Maskulin – Alle gegen Alle

"Wir fal­len zurück auf ein Gesetz, das schon immer war." – Hier fin­det Ihr ab sofort die Kri­tik zu Zuge­zo­gen Mas­ku­lins aktu­el­lem Release "Alle gegen Alle" aus den Rei­hen der MZEE​.com Redaktion.

Wir fal­len zurück auf ein Gesetz, das schon immer war.

2017 ein poli­ti­sches Album zu machen, soll­te eigent­lich recht ein­fach sein. The­men gibt es dank Trump, AfD und Co. genug. Die deut­sche Rap­sze­ne aber fühlt sich hier­für sel­ten zustän­dig. Zwi­schen dem Nihi­lis­mus der pil­len­schmei­ßen­den Gene­ra­ti­on Trap und macho­haf­ten Plat­ti­tü­den von der Stra­ße bleibt kaum Raum für gesell­schaft­lich rele­van­te Aus­sa­gen. Eigent­lich höchs­te Zeit, dass wie­der "alles brennt". Doch lie­fern Zuge­zo­gen Mas­ku­lin auch mit ihrem neu­en Werk "Alle gegen Alle" wie­der dis­kur­si­ven Zündstoff?

In vie­ler­lei Hin­sicht trifft der Album­ti­tel schon den pro­gram­ma­ti­schen Punkt der Plat­te. Denn grim104 und Tes­to wen­den sich nicht nur gegen alles, was sie stört. Sie zei­gen auch auf, wie jedes Mit­glied der Gesell­schaft im Kon­flikt zu ande­ren steht. Die stän­di­ge Oppo­si­ti­on ist ein Sym­ptom für Spal­tung. Macht­los dem Macht­ge­fäl­le gegen­über­zu­ste­hen kommt für Zuge­zo­gen Mas­ku­lin aber nicht infra­ge. Unter­malt von Sil­ker­softs abwechs­lungs­rei­chen Beats beschrei­ben die bei­den Wahl­ber­li­ner angriffs­lus­tig zeit­ge­nös­si­sche Milieus und Phä­no­me­ne – mit ver­bis­se­ner Iro­nie und zyni­scher Ankla­ge. Das hat auch auf "Alles brennt" schon funk­tio­niert, wird auf "Alle gegen Alle" aber wei­ter zuge­spitzt. Zusätz­lich arbei­ten sich Tes­to und grim an Geschich­te ab – sowohl an der deut­schen, als auch an ihrer ganz per­sön­li­chen. In "Nacht­bus" etwa wird das eli­tä­re Selbst­ver­ständ­nis der intel­lek­tu­el­len Städ­ter im Gegen­satz zum lang­wei­li­gen, ten­den­zi­ell dümm­li­chen Dorf hin­ter­fragt. Und das ist Zuge­zo­gen Mas­ku­lins gro­ße Stär­ke – ein­ge­fah­re­ne Per­spek­ti­ven auf­zu­bre­chen und alter­na­ti­ve Sicht­wei­sen anzu­bie­ten. Denn am Ende sind irgend­wie alle gleich: scheiße.

Das nega­ti­ve und oft auch anstren­gen­de Gesell­schafts­pan­ora­ma auf "Alle gegen Alle" funk­tio­niert nur so wir­kungs­voll, weil die klu­gen Tex­te der Rap­per in einen wuch­ti­gen und eigen­stän­di­gen Sound­ent­wurf ein­ge­bet­tet sind. Somit gelingt Zuge­zo­gen Mas­ku­lin ein Kunst­griff, der ihre neue Plat­te in glei­chem Maße wich­tig, wie ästhe­tisch anspre­chend macht.

(Flo­ri­an Peking)