Gerard ist anders als alle. Mit seiner Musik füllt der Österreicher diese Rolle innerhalb der Rapszene Release für Release aus. Die Premium-Box zu seinem neuen Album "AAA" ist dafür nur eines von vielen Beispielen. Während allein der Begriff "Premium-Box" bei dem einen oder anderen wohl schon ein Kopfschütteln hervorrufen dürfte, zeigt Gerard, wie es anders geht: Seiner Box liegen nicht irgendwelche minderwertigen Gimmicks bei, sondern eine Handynummer, die die Möglichkeit bietet, beim exklusiven Release-Konzert dabei zu sein. Bei Gerard liegt der Fokus auf der Kunst und darauf, sich ständig weiterzuentwickeln – in Richtungen, die der Künstler wahrscheinlich selbst nicht voraussehen kann. Auch Interviews mit Gerard sind immer ein bisschen anders – mit uns sprach er unter anderem über Kritik und Komplimente, Überzeugungen und Inspiration.
MZEE.com: Angenommen, man würde dich gar nicht kennen: Was müsste man über dich wissen?
Gerard: Ich bin sehr optimistisch, sehr motiviert und hab' große Ziele.
MZEE.com: In welchem Bereich?
Gerard: In ganz unterschiedlichen Bereichen – irgendwelche geilen Projekte groß machen, Firmen gründen, ein Buch schreiben.
MZEE.com: Was für ein Buch?
Gerard: Einen Roman.
MZEE.com: Damit das Geschriebene aus oder in der Welt ist?
Gerard: Eine Mischung aus beidem. Aber auch ein bisschen, um zu sehen, was geht, um Leute zu inspirieren. Genauso wie ich von gewissen Leuten inspiriert werde, sodass ich das auch weitergeben kann. Ein Geben und ein Nehmen.
MZEE.com: Gibt es irgendein zentrales Thema in deiner Kunst?
Gerard: Nee, da bin ich immer sehr egoistisch. Weil es mir egal ist, was Leute sagen. Ich mache das eigentlich wegen mir, ich mache ja auch die Musik, die ich mag. So würde ich das beschreiben. Ich bin auch ein großer Fan von anderen Dingen, von daher will ich das machen, wovon ich selber Fan sein kann.
MZEE.com: Das kann ich nachvollziehen. Die andere Frage ist thematisch: Ist nicht seit Shakespeare schon alles geschrieben? Goethe hat es noch mal geklaut und umgedreht und seitdem wiederholt sich alles ständig?
Gerard: Jein. Es sind ja auch immer andere Zeiten. Ich weiß schon, was du meinst, aber erstens sind die Konsumenten von damals nicht dieselben wie jetzt. Sie haben die Geschichte nicht gehört. Und außerdem ändert sich ja trotzdem etwas. Die Themen sind natürlich dieselben – wir sind ja auch nur Menschen. Aber natürlich ändert sich drum herum viel, deshalb kann man es upgraden.
MZEE.com: Als Autorin finde ich, dass alle Themen schon besprochen wurden. Ich habe auch einen eigenen Anspruch daran, Sachen anders zu vermitteln, aber inhaltlich kann ich mich eigentlich immer auf Shakespeare berufen.
Gerard: Ich bin da jetzt ehrlich gesagt nicht so belesen, dass ich sagen kann, ob sich das mit meinen Themen schneidet.
MZEE.com: Betrug, Glück, Liebe, Geld, Selbstverwirklichung, Leute, die einem bewusst oder unbewusst Steine in den Weg legen, weil sie es einem nicht gönnen.
Gerard: Dann natürlich schon, ja, das sind dann schon unterschiedliche Motive. Aber dann sind es, glaub' ich, einfach Dinge, die Menschen erleben – egal, wann sie leben.
MZEE.com: Magst du Menschen?
Gerard: Ich mag Menschen sehr gern.
MZEE.com: Als Masse?
Gerard: Ja, Menschen, die ich kennenlerne, mag ich schon.
MZEE.com: Also die, die dir begegnen?
Gerard: Ja, da mag ich schon 99 Prozent. Es gibt ganz wenige Menschen, die ich nicht mag. Ich hab' jetzt nicht das Bedürfnis, mit jedem befreundet zu sein. Ganz im Gegenteil, das sind sehr wenige. Aber ich gehe oft aus Gesprächen raus und denke mir: "Oh, das war jetzt ein geiles Gespräch, der ist lieb, mit dem kann man reden." Aber dann denke ich halt nicht weiter über denjenigen nach.
MZEE.com: Kommen wir mal zu einem ganz anderen Thema: In Deutschland flammt in letzter Zeit immer wieder die Debatte über ein Grundeinkommen auf. 82 Prozent der Deutschen sagten nach einer Umfrage letztes Jahr: "Ja, ich würde arbeiten gehen." 50 Prozent sagten dann: "Die meisten würden nicht mehr arbeiten." Was sagst du dazu?
Gerard: Ich würde auf jeden Fall arbeiten. Wie viele andere es tun würden, kann ich echt nicht sagen. Ich mache aber auch jetzt schon aus Prinzip nichts für Geld, das ich nicht ohne Bezahlung machen würde. Das heißt, irgendeine Kooperation mit einer Marke oder einem Projekt, hinter dem ich nicht stehen kann. Das ist mein Grundprinzip. Ich habe zehn Jahre Musik gemacht, ohne etwas zu verdienen. Und ich hätte es auch noch weitere zehn Jahre gemacht. Ich mache Dinge nicht wegen des Geldes, sondern einfach, weil ich Spaß daran habe und weil ich das Bedürfnis habe, das zu machen. Wenn ich jetzt ein paar Monate kein Lied schreibe, dann geht es mir auch richtig schlecht. Ich muss das einfach machen. Natürlich musst du aber nebenbei Geld verdienen, das ist ja klar. Als ich noch gearbeitet hab', habe ich, als ich heimgekommen bin, trotzdem noch Musik gemacht. Das kommt bei mir immer alles aus dem Bauch.
MZEE.com: Teil deines momentanen Jobs sind ja auch die Sozialen Medien und alles, was in diesem Bereich auch an Negativem dazugehört. Wann und wie kannst du denn grundsätzlich Kritik annehmen?
Gerard: Ich kann grundsätzlich immer Kritik annehmen und finde das auch voll wichtig. Gerade Kunst ist ja total subjektiv, da gibt es kein Richtig und kein Falsch.
MZEE.com: Na ja, Falsch gibt es schon.
Gerard: Ich weiß nicht.
MZEE.com: Alles, was sich in die rechte Ecke instrumentalisieren lässt, ist definitiv falsch.
Gerard: Ja okay, das stimmt natürlich. Aber ist es dann Kunst?
MZEE.com: Ich glaube, Frei.Wild halten sich für Künstler.
Gerard: Na, so gesehen hast du recht. Dann gibt es Falsch in der Hinsicht. Aber grundsätzlich nehme ich Kritik gerne an. Es geht mir aber natürlich nicht nah, wenn irgendein Scheiß in YouTube-Kommentaren steht.
MZEE.com: Deine YouTube-Kommentare waren ja eigentlich immer recht friedlich.
Gerard: Bei DISSLIKE meinten die Redakteure auch: "Mit dir haben wir uns schon schwergetan, weil alles so positiv war." Das ist doch schön. Aber wenn es dann mal größer wird, ist natürlich auch der Prozentsatz an negativen Kommentaren größer. Ich nehme Kritik immer sehr gern wahr. Man muss aber auch aufpassen, dass man das nicht zu sehr in die eigene Kunst einbindet. Deshalb meine ich, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Bestes Beispiel: Einen Song von meinem Album mochte ich am allerwenigsten von allen. Ich hab' überlegt, den runterzuschmeißen. Dann hab' ich ihn aber kurzfristig drauf gelassen und später war er der Lieblingssong meiner Backgroundsängerin.
MZEE.com: Denkst du dir bei mancher Kritik nicht: "Hättest du mir das nicht sagen können, bevor ich es rausbringe?"
Gerard: Nee, das gibt es nicht. Die Kritik wäre mir wohl nicht so wichtig gewesen, dass ich etwas geändert hätte. Wenn es dann halt nicht so geil ist, dann wird es beim nächsten Mal geil. Ich sehe das nicht so streng. Weißt du, Fehler machen ist zum Beispiel in Amerika eine ganz andere Kultur. Da gehört es dazu, das ist überhaupt nicht verpönt. Wenn du hier scheiterst, wirst du ausgelacht. Aber im Endeffekt ist es natürlich viel wahrscheinlicher zu scheitern, wenn du etwas machst, was noch keiner vor dir gemacht hat. Ich bin da ganz relaxt, ich bereue nichts.
MZEE.com: Nimmst du die positiven YouTube-Kommentare dann eher an?
Gerard: Ich nehme beides nicht so ernst. Ich weiß, wie schnell sich die Dinge drehen und deshalb darfst du dich von sowas nicht abhängig machen. Bei irgendeinem Video hat mal jemand gehatet. Zwei Jahre später kommentiert er sich selbst und schreibt: "Krass, mittlerweile feier' ich das." Von daher lass' ich beides nicht wirklich an mich ran. Aber mich freut natürlich positive Kritik mehr als negative.
MZEE.com: Was wäre das ultimative Kompliment, über das du dich am meisten freuen würdest?
Gerard: Dass ich Leute inspiriere. Das höre ich auch oft in ganz verschiedenen Bereichen. Vor längerer Zeit hat jemand einen Artikel von einer Zeitung auf meiner Seite gepostet. Darin stand, dass jemand aus einer Uni sich dafür eingesetzt hat, dass dort ein Labor gebaut wird. Das hat er nach einem Jahr bekommen und dann hat er da einen Text von mir zitiert. Dinge einfach zu machen und zu schaffen. Das ist total geil, dass du dann in irgendeiner Uni ein Labor hast, weil ein Student deine Musik gehört hat und sich dafür einsetzen wollte. Genauso ist es bei mir auch. Ich wurde auch durch Menschen und deren Kunst inspiriert. Und das ist für mich die wichtigste Kunst.
MZEE.com: Musst du aufpassen, dass du Kunst, die du selbst total geil findest, nicht kopierst? Inspirieren und kopieren sind ja zwei Paar Schuhe.
Gerard: Das meiste, was mich inspiriert, ist englischsprachig, von daher kann ich es ja so nicht kopieren. Dass man auf die Idee käme, es ist jetzt eins zu eins das Gleiche. Da ich viele verschiedene Sachen höre, fließt vielleicht ein bisschen was ein, aber ich denke, eine Plagiat-Gefahr besteht nicht. Ich erzähle ja auch immer von mir und von meinem Umkreis und erlebe auch andere Dinge, von daher kann ich das nicht einfach übersetzen. Das wäre sonst nicht ich. Ich lasse mich eher von der Genialität anderer inspirieren. Wenn ich etwas krass Neues höre, motiviert mich das, selbst noch krasser zu werden.
MZEE.com: Wer inspiriert dich denn aktuell?
Gerard: Ich weiß nicht, ob du "Everything Everything" kennst. Das ist so eine Band und der Sänger singt die ganze Zeit Kopfstimme. Da hab' ich mir dann für "Luftlöcher" auch die Kopfstimme reingemacht. Aber wenn du die Songs hörst, würdest du jetzt nicht sagen, dass es ähnlich ist, weil nur die Herangehensweise abgeguckt ist.
MZEE.com: Ich hab' die Kopfstimme nicht rausgehört, das tut mir jetzt unfassbar leid.
Gerard: Das macht nichts. (grinst) Aber das ist lustig: Teilweise spiele ich es Leuten vor und die fragen dann, wer das gesungen hat. Und ich sage dann: "Das bin ich."
MZEE.com: Machst du denn Dinge wie Stimmtraining oder Gesangsunterricht, um dich weiter zu entwickeln?
Gerard: Doch auch, aber ehrlich gesagt nicht so viel, wie ich wahrscheinlich sollte. Muss ich mal wieder öfter machen. Ich bin schon ein Fan von Weiterbildung. Ich hab' auch durch das Gesangstraining mein Asthma wegbekommen, weil ich vorher immer falsch geatmet habe. Das musst du dir mal vorstellen, wenn man 28 Jahre lang falsch atmet …
MZEE.com: Worüber magst du noch reden, außer über Musik? Irgendwas muss dir doch auf der Seele brennen.
Gerard: Gute Frage. Ich hab' gemerkt, dass man, je älter man wird, immer mehr Selbstvertrauen bekommt und mit weniger Zweifeln an Dinge rangeht … und man sich doch letztendlich selber verarscht. Ich bin zum Beispiel in meinem Kopf immer schon ganz woanders. In anderen Ebenen oder wo auch immer das sein soll. Je älter man wird, desto heftiger merkt man auch irgendwie, was für krasse Leute man trifft, egal auf welchem Gebiet. Am Ende kocht jeder mit dem gleichen Wasser. Es ist wichtig, zu verstehen, dass jeder krasse Künstler auf der Welt dieselben 24 Stunden und dieselben Gedanken hat wie du. Und die haben gewisse Methoden, wie sie bessere Leistungen erbringen. Aber aus jedem kann etwas werden. Jeder hat seine Leidenschaft. Es ist nicht alles so unmöglich, wie es das falsche Umfeld einem manchmal einreden will.
MZEE.com: Apropos "falsches Umfeld": Wir hatten es damals noch ein wenig einfacher, als das Internet noch kein böser Ort war. Es war alles noch so neu und ein Gespräch bei ICQ war nicht mit so viel Risiko verbunden.
Gerard: Aber da gab es sicher auch schon Perverse.
MZEE.com: Heute ist es mit dem Mobbing viel krasser, wenn jemand ein Video ins Netz stellt und man in der Schule dann dafür gemobbt wird. Da geht es im Internet noch weiter.
Gerard: Bei uns gab es kein Mobbing. Es gab Beliebtere und Unbeliebtere, aber dass man immer einen so verarscht hat, daran kann ich mich nicht erinnern. Es ist auch eine Herausforderung. Da verstehe ich meine Oma etwas, wenn sie sagt: "Früher war alles leichter." Aber dafür mussten sie sich früher vor Bomben verstecken. Da meinte ich dann zu meiner Oma, dass damals Krieg war. Und sie sagte, dass man wenigstens wusste, wer die Feinde sind. Jetzt kannst du in die Luft gesprengt werden, wenn du auf ein Konzert gehst. Man denkt immer, dass die anderen es schwerer haben. Außer ich. (grinst)
MZEE.com: Das Problem, das ich grundlegend durch alle Zeiten sehe, ist der Versuch, sich selbst als Individuum zu fassen. Das zu begreifen.
Gerard: Ja, das war ja schon immer schwierig. Das ist, glaub' ich, in jedem Alter so. Da fragst du dich: "Was bist du für ein Mensch? Was machst du denn da eigentlich?" Das frage ich mich wirklich. Ich hab' ja auch etwas ältere Freunde, die so 40 sind und da merke ich das auch. Die verstehen das Leben von Jahr zu Jahr mehr. Eben weil sich alles immer ändert. Das ist, glaube ich, auch alles ihnen geschuldet, dass ich in regelmäßigen Abständen schaue, ob meine Pläne aufgehen und was ich schon so erreicht habe.
MZEE.com: Hast du noch eine abschließende Nachricht für unsere Leser?
Gerard: Ja, ich freue mich, wenn man meinen Songs lauscht und sich die Leute daraus etwas mitnehmen. Und: Go for it – für all deine Ziele und Pläne und lass dir von anderen nichts sagen!
(von unserer freien Mitarbeiterin Jasmin N. Weidner)
(Fotos von Kidizin Sane)