Ich bin Wutbürger, der wütend auf Wutbürger ist.
Vor einigen Jahren existierte unter dem Namen "Weisse Scheisse" ein Label, das als Untergrund-Geheimtipp durch das Netz geisterte. Zu dem Künstlerkollektiv gehörte auch Rynerrr, dessen Platte "Symptome" aus dem Jahr 2008 durchaus als kleines Meisterwerk bezeichnet werden kann. Danach musste man lange auf ein erneutes musikalisches Lebenszeichen des Rappers warten. Doch nun meldet er sich mit dem per Crowdfunding finanzierten Album "Gutmensch/Wutbürger" zurück und scheint dabei in so zerstörerischer Laune wie eh und je zu sein.
Als altem Weisse Scheisse-Hörer kann es einem bei Rynerrrs Einstieg auf dem Opener "Fuck Society" schon mal eiskalt den Rücken herunterlaufen: "Wer oder was will Streit mit dem Chef?" Fans erkennen darin die Anspielung auf frühere Tracks. Auch sonst rappt Rynerrr Schrott, als sei er nie weg gewesen. Der Wut in seinem Bauch macht er nach wie vor durch seinen Rapstil Luft. So spuckt er vernichtende Lyrics mit verachtungsvoller Stimme auf den Takt – heile Welt sucht man hier vergebens. Der landläufige Begriff des "Wutbürgers" wird von dem Freiburger neu besetzt. Statt mit einem politisch fragwürdigen Stammtischvokabular gegen die Obrigkeit zu wettern, richtet Rynerrr seine Ablehnung gleich gegen die gesamte Menschheit. Dabei wird kein Blatt vor den Mund genommen und so können einem die anarchischen Gewaltfantasien des Rappers stellenweise auch sauer aufstoßen. Doch erkennt man bei näherer Beschäftigung mit dem Werk den künstlerischen Überbau des Konzepts: In Rynerrrs Weltverneinung blitzen häufig Momente der scharfsinnigen Kritik auf, die einen Probleme realisieren lassen und zum Nachdenken anregen.
Bei seiner Rückkehr in die Rapszene bringt Rynerrr sicherlich keine Musik der guten Laune mit. Doch der raue Untergrund-Sound der stark gerappten Tracks erzeugt in Verbindung mit dem Inhalt eine ganz eigene Faszination. Die radikale Gesellschafts- und Kulturkritik des Rappers macht vor nichts und niemandem Halt. Und vielleicht braucht es genau das für eine Erweiterung des allgemeinen Problembewusstseins.
(Florian Peking)