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Soundcheck

Wilczynski

Im Sound­check prä­sen­tie­ren wir Euch jene Künst­ler, die sonst eher im Hin­ter­grund aktiv sind: die Pro­du­zen­ten. In die­sem Fall Wilc­zyn­ski aus dem badi­schen Achern, den wir Euch mit Steck­brief und Kurz­in­ter­view vorstellen.

Kaum eine Sze­ne hier­zu­lande scheint so facet­ten­reich zu sein wie die Deutschrap­szene. Wäh­rend es bereits jetzt schon fast unmög­lich erscheint, jeden ein­zel­nen, eta­blier­ten Ver­tre­ter zu ken­nen, steigt die Zahl neu­er, noch unbe­kann­ter Künst­ler expo­nen­ti­ell wei­ter an. Den Über­blick zu behal­ten, gleicht einer Her­ku­les­auf­gabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-​Hydra gemerkt, tau­chen schon wie­der min­des­tens zwei neue auf. Gleich­zei­tig ist es für unbe­kannte, jun­ge Talen­te über­aus schwer, aus der über­wäl­ti­gen­den Mas­se an Musi­kern her­aus­zu­tre­ten und sich einen Namen zu machen. 

Bei­den Sei­ten soll unser Sound­check eine Hil­fe­stel­lung bie­ten. Pro­du­cern, die bis­her noch in den Tie­fen des Unter­grunds unter­ge­gan­gen sind, eine Platt­form geben, auf der sie sich kurz, aber prä­gnant prä­sen­tie­ren kön­nen. Und Hörern und Fans ermög­li­chen, sich einen schnel­len Über­blick über nen­nens­werte Künst­ler zu ver­schaf­fen, die sie bis­her viel­leicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.

 

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MZEE​.com: In unse­rem Inter­view hast du kürz­lich bereits erzählt, wie du mit dem Pro­du­zie­ren ange­fan­gen hast. Wie bist du denn Hip­Hop ganz all­ge­mein gese­hen zum ers­ten Mal begegnet?

Wilc­zyn­ski: Das ist 'ne ziem­lich schwie­ri­ge Fra­ge, da das schon sehr lan­ge her ist. Ernst­haft begeg­net ist mir Hip­Hop dann wohl 1997 oder 98. Da konn­te ich dann lang­sam ein­ord­nen, was die­se Kul­tur alles mit sich bringt. Hier in dem Kaff, aus dem ich her­kom­me, gab es auch kei­ne Älte­ren, die dir das näher­brin­gen konn­ten, hier hör­ten alle irgend­wie nur Guns N' Roses und ähn­li­ches. Ich hat­te damals in mei­ner Jugend­zeit schon den Drang, nicht der Norm zu ent­spre­chen und mein eige­nes Ding machen zu wol­len, da kam Hip­Hop gera­de rich­tig. Hip­Hop hat mich daher in sei­ner rebel­li­schen, fri­schen, ande­ren Art sehr schnell begeis­tert und in sei­nen Bann gezo­gen. Einer der prä­gends­ten Momen­te war sicher ein Torch-​Konzert hier in Offen­burg in der Reit­hal­le. Das war, den­ke ich, so 2000 oder 2001. An die­sem Abend hab' ich Hip­Hop das ers­te Mal so rich­tig als Gan­zes gefühlt und die­se Magie hat mich bis heu­te nicht los­ge­las­sen. Klingt voll chee­sy, isch aber so – Real­talk, weisch. (lacht)

MZEE​.com: Wenn du auf all die Sachen zurück­blickst, die du seit dei­nen Anfän­gen pro­du­ziert hast: Hast du einen per­sön­li­chen Lieb­lings­beat von dir selbst?

Wilc­zyn­ski: Klar hab' ich das eine oder ande­re Lieb­lings­in­stru­men­tal, wel­ches ich jetzt mehr feie­re als ande­re. Die Grün­de dafür sind ver­schie­den. Manch­mal ist es die Geschich­te dahin­ter, die das Instru­men­tal für mich so beson­ders macht, manch­mal aber auch nur der Beat an sich. Man hört und nimmt sei­ne eige­ne Musik ja selbst immer ganz anders wahr. Ich wür­de mei­ne Musik ger­ne mal so hören kön­nen, wie du sie hörst. Wenn es ledig­lich um den Beat geht, ist der "Königsweg"-Beat von der Ana­log Mechanics-​Platte "Film schie­ben" momen­tan schon einer mei­ner Favo­ri­tes. So einen Beat, bei dem ich das Gefühl habe, jetzt ist was ganz Beson­de­res ent­stan­den, hat man nicht so oft, aber bei die­sem war das so. Er ist auch kom­plett im ver­ka­ter­ten Zustand ent­stan­den … Viel­leicht soll­te ich mich öfters betrin­ken, wenn dann dabei sowas ent­steht. (lacht) Der "La Rosas Vorschlag"-Beat von der "Glück unter Palmen"-Platte von 2015 beruht bei­spiels­wei­se kom­plett auf einem Live-​Mitschnitt aus der "Jim­my Glass Jazz Bar" in Valen­cia. Wäre ich dem Vor­schlag nicht gefolgt, wür­de es die­sen Beat nicht geben. Das Sam­ple hab' in die­sem Fall nur ich. Der Beat "thatday2312" von dem aktu­el­len "lost in basics"-Tape macht mei­ne aktu­el­len Top 3 kom­plett. Auch hier war wie­der der Weg zum Beat das Beson­de­re. Ich war letz­tes Jahr mit eme­sa in Straß­burg unter­wegs und wir waren dig­gen. Ich mein­te: "Such mir bit­te auch eine Plat­te raus, wenn du Bock hast." Dabei raus­ge­kom­men ist eben­die­ser Beat, auf dem neben ihrem gedigg­ten Sam­ple auch ein Piano-​Sample geflippt wur­de, das ich an die­sem Tag gefun­den habe. Zu die­sem Beat wird es im Übri­gen noch eine klei­ne Über­ra­schung geben.

MZEE​.com: Und ganz all­ge­mein? Wel­ches ist dein per­sön­lichs­tes Lieb­lings­in­stru­men­tal überhaupt?

Wilc­zyn­ski: Sich auf eines fest­zu­le­gen, ist sehr, sehr schwer, aber ich kann dir drei nen­nen, bei denen ich den­ke: Die sind ganz reprä­sen­ta­tiv für mich und mei­nen Beat-​Geschmack. "Bro­ken Pie­ces" von dude26 ist ein so zeit­lo­ser Beat, auf dem so vie­le Emo­tio­nen ver­mit­telt wer­den. Auch der Klang und wie das Sam­ple geflippt wur­de, ist für mich außer­ge­wöhn­lich bei die­sem Beat. Mir ist auch immer wich­tig, dass man eine Hand­schrift beim Hören erken­nen kann – und hier hör' ich ultra Georg, also dude26 raus. Ich lie­be auch die Pro­duk­tio­nen von Whizz Vien­na auf dem "Ver­sa­ger ohne Zukunft"-Album. Wie er bei "Malin­ka­ya", aber auch auf dem gan­zen Album die­se Soul-​Samples flippt, ist schon sehr eigen und unglaub­lich dope, das passt ein­fach super zusam­men mit Kamps Rap. Man hört halt auch raus, dass sich hier Rap­per und Pro­du­zent sehr gut ver­ste­hen und sehr viel Zeit mit­ein­an­der ver­bracht haben. So konn­te was ganz Beson­de­res ent­ste­hen. Der Beat steht auch reprä­sen­ta­tiv für das gan­ze "Ver­sa­ger ohne Zukunft"-Album. Ich könn­te hier fast jeden Beat nen­nen. Es ist eben auch mein abso­lu­tes Lieb­lings­al­bum. Der letz­te Beat, der mich total geflasht hat, ist ziem­lich aktu­ell und von mei­nem Brot­her Hydro­ge­nii aus Pforz­heim. Sein Beat heißt "Koth­bi­ro" und kam auf dem "Made wit Luv Vol. 3"-Tape raus. Man kann wohl jetzt schon sagen, dass die­ser mein Lieb­lings­beat 2017 ist. Mich fas­zi­niert total das gan­ze Arran­ge­ment und der Auf­bau des Beats. Die­ses Vocal-​Sample hat sich zudem mad in mei­nen Kopf gebrannt. Unglaub­li­cher Ohrwurm.

MZEE​.com: Der Unter­schied von dei­ner Plat­te "Anru­fe in Abwe­sen­heit" zu "Zwi­schen Küche und Couch" und "Glück unter Pal­men" ist der, dass auf erst­ge­nann­tem Release auch diver­se Rap­per ver­tre­ten sind. Denkst du, dass ein Producer-​Albums den­sel­ben Stel­len­wert haben soll­te, wie das Album eines Rappers?

Wilc­zyn­ski: Also, in der Beat­sze­ne oder dem Umfeld, in dem ich mich bewe­ge, neh­me ich es so wahr, dass dies abso­lut den glei­chen Stel­len­wert genießt. Manch­mal besteht sogar mehr Inter­es­se an einem Instrumental-​Release als jetzt an einem Release, auf dem Rap mit drauf ist. Es hat sich viel getan in den letz­ten Jah­ren, was instru­men­ta­le Musik angeht. Es ist total schön, zu beob­ach­ten, dass ganz vie­le dope Releases auf Vinyl oder Tape ver­öf­fent­licht wer­den und eine ganz ande­re Auf­merk­sam­keit genie­ßen wie in den Jah­ren zuvor. Beatma­ker sind heut­zu­ta­ge eigen­stän­di­ge Künst­ler und nicht mehr abhän­gig von Rap­pern. Ich bin sehr gespannt, wie sich dies alles wei­ter­ent­wi­ckelt. Man muss da Künst­lern wie bei­spiels­wei­se Twit One, Dex­ter, dude26 oder Wun Two echt dank­bar sein – die haben sehr früh den Weg für solch sam­ple­las­ti­gen, instru­men­ta­len Sound geeb­net. Die Türen müs­sen nicht ein­ge­tre­ten wer­den, sie sind schon offen, durch­ge­hen muss­te aber selbst.

MZEE​.com: Hast du denn das Gefühl, dass Rap­per im All­ge­mei­nen die Arbeit ihrer Pro­du­cer zu schät­zen wissen?

Wilc­zyn­ski: Ich kann das natür­lich nicht für die All­ge­mein­heit beant­wor­ten, aller­dings kann ich sagen: Von den Rap­pern, mit denen ich zusam­men­ar­bei­te, weiß jeder die Arbeit von mir sehr zu schät­zen. Gegen­sei­ti­ge Wert­schät­zung ist mir immens wich­tig. Die­se Grund­ein­stel­lung und der gegen­sei­ti­ge Respekt für die Kunst des ande­ren ist auch eine Vor­aus­set­zung für mich, damit man über­haupt gemein­sam Musik machen kann. Wäre das nicht gege­ben, wür­de ich auch kei­ne Musik mit Rap­per XY machen. Dass es mensch­lich passt, ist mir pri­mär das Aller­wich­tigs­te. Du kannst noch so sehr dope as fuck sein, aber mensch­lich eben nicht – dann wür­de ich kei­ne Musik mit dir machen wol­len. Ich ken­ne die Künst­ler im Ide­al­fall auch per­sön­lich. Und klar, manch­mal lässt es sich nicht ver­hin­dern und man lernt sich erst im Anschluss ken­nen, aber die mensch­li­che Ebe­ne und die damit ver­bun­de­ne Ein­stel­lung zur Musik müs­sen ein­fach pas­sen. Willst du mit mir Musik machen, musst du erst mal als Mensch dope sein, dann kommt erst alles andere.

Wilc­zyn­ski auf Facebook

(Dani­el Fersch & Lukas Päckert)
(Gra­fi­ken von Puffy Pun­ch­li­nes, Logo von KL52)
(Fotos von eme­sa)

 

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