Asozial und arrogant und gutaussehend:
102er Jungs – was soll ich dir erzähl'n?!
Mit Trends, die gemeinhin als modern angesehen werden, ist es so eine Sache. Kann man in Trainingsanzügen rappende Jungs, die mittlerweile immer jünger werden und dabei eindeutige Parallelen zu französischem Rap aufweisen, überhaupt noch als Trenderscheinung bezeichnen? Denn es bedarf nicht einmal intensiver Recherche, um mehr als genug Videos oder Songs in genau diesem Stil zu finden. Die 102 Boyz bilden da auf den ersten Blick keine Ausnahme. Nun stellt sich die Frage, ob die "Broke Youngstas" auch nur Einheitsbrei kochen.
Zweifelsohne bildet das Mixtape der niedersächsischen Crew einen großen Querschnitt durch angesagte Neuinterpretationen von Straßenrap. Egal, ob eher traplastige Songs, Autotune-Exzesse, Schusswaffengeräusche oder entspannte 808-Kopfnicker – alles ist dabei. An mangelnder Abwechslung sollte es also nicht scheitern. Das Wichtigste jedoch ist: Es funktioniert auch. Die sechs Jungs, die hier auf einer Platte zusammenkommen, sind in der Lage, sich jeden dieser Stile zunutze zu machen. Es geht bei den "Broke Youngstas" weniger um Raptechnik oder brutale Flowpassagen, sondern um das transportierte "Crew-Gefühl". Genau das gelingt den Jungs perfekt, sodass man sich zwischen der teilweise sehr witzigen Tickerattitüde und dem arrogant dahergenörgelten Autotunewahnsinn direkt wohlfühlt. Man wird schlicht mehr und mehr verzückt, wenn einfache, rohe Halbsätze aneinandergereiht werden.
Die 102 Boyz sind in jeder Hinsicht motiviert und talentiert. Sie zeigen, dass es möglich ist, in aktuell vorherrschenden Strömungen des Straßenraps zu glänzen. Obwohl sie sehr jung wirken, sind sie diesem Subgenre dank ihrer markanten Stimmen und Vielseitigkeit gewachsen. Man darf hoffen, dass sie auch in Zukunft daran anknüpfen, denn schon jetzt haben sie mit "Broke Youngstas" einen Großteil der restlichen Newcomer hinter sich gelassen.
(Benjamin Borowitza)