Kaum eine Szene hierzulande scheint so facettenreich zu sein wie die Deutschrapszene. Während es bereits jetzt schon fast unmöglich erscheint, jeden einzelnen, etablierten Vertreter zu kennen, steigt die Zahl neuer, noch unbekannter Künstler exponentiell weiter an. Den Überblick zu behalten, gleicht einer Herkulesaufgabe: Hat man sich ein Gesicht der HipHop-Hydra gemerkt, tauchen schon wieder mindestens zwei neue auf. Gleichzeitig ist es für unbekannte, junge Talente überaus schwer, aus der überwältigenden Masse an Musikern herauszutreten und sich einen Namen zu machen.
Beiden Seiten soll unser Soundcheck eine Hilfestellung bieten. Producern, die bisher noch in den Tiefen des Untergrunds untergegangen sind, eine Plattform geben, auf der sie sich kurz, aber prägnant präsentieren können. Und Hörern und Fans ermöglichen, sich einen schnellen Überblick über nennenswerte Künstler zu verschaffen, die sie bisher vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
MZEE.com: Deinen ersten Beat hast du bereits mit 16 zu Berufsschulzeiten gemacht – wie und wann bist du HipHop damals zum allerersten Mal begegnet?
Saiko: Begegnet bin ich HipHop zum ersten Mal, als ich mir quasi blind eine Rap-Platte gekauft hab'. Das war 1989. Von da an hat es mich nicht mehr losgelassen, der Sound hat mich gepackt. Das war was ganz anderes damals für mich. Fast schon was Außerirdisches. (lacht) Außerdem war ich mal mit dem Fahrrad in Wien am Donaukanal unterwegs und sah dort das erste Mal hautnah Graffiti. Das faszinierte mich auch total. Breakdance war ja damals auch gerade sehr modern und man sah da tatsächlich auch gelegentlich Typen, die sich Kartons auf den Asphalt legten und breakten. Das kann man sich ja heute fast nicht mehr vorstellen.
MZEE.com: Angefangen hast du das Produzieren damals mit einem Amiga 500 und dazugehöriger FastTracker-Software. Was verwendest du heute, um deine Beats zu produzieren?
Saiko: Heute verwende ich Cubase 9 und Wavelab. Bei dieser Version hab' ich auch so gut wie nichts auszusetzen. Nur, dass ich mich endgültig von meinen Lieblings-32Bit-Plug-ins verabschieden musste, da die dort nicht mehr laufen. Aber anscheinend soll es so sein. Schön langsam gewöhn' ich mich daran und hab' auch schon Ersatz gefunden.
MZEE.com: Zu "Oldschool-Tagen" hatte man keine andere Wahl als seine Samples von Platten zu bekommen, heute kann man sich die meisten ganz bequem aus dem Internet holen. Ziehst du noch immer Vinyl vor oder nutzt du für deine Suche nach Samples inzwischen auch das Web?
Saiko: Ich liebe es nach wie vor, von Vinyl zu samplen. Nur halt nicht vorrangig wie damals 70er-Soulplatten. Das ist nicht mehr unbedingt die größte Herausforderung. Momentan am liebsten ganz trashige Ein-Euro-Platten vom Flohmarkt, die keinen interessieren. Heute gibt es ja auch tolle Plug-ins, um die ganzen brutalen Knackser und Knisterer rauszufiltern. Bisschen darf schon drinbleiben, das hat ja einen gewissen Charme. Aber früher hab' ich teilweise echt Vinyls mal auf CD nachgekauft, um von dort noch mal sauber zu samplen. Weil es das damalige Denoiser-Zeugs nicht packte. Oder ich kannte einfach nicht die Leute, die mir verraten hätten, wie das so geht. Bisweilen sample ich nach wie vor – so wie auch schon zu Kamp-Zeiten – gerne von Filmen. Damals noch übers Scart-Kabel, heute übern Laptop. Auch über YouTube bezieh' ich gelegentlich Sounds. Natürlich. Oft braucht man ja für eine bestimmte Atmosphäre bestimmte Sounds, die man nicht im Archiv hat. Zum Beispiel eine chinesische Nasenflöte oder so. Bisschen herumschnippeln, abändern und passt schon. Es kann natürlich auch sein, dass ich unterwegs mal was mit dem iPhone aufnehme und dann verwende. Viel spiel' ich auch selber ein. Das geht immer.
MZEE.com: Deine ersten Produktionen für Kamp entstanden noch vor der Jahrtausendwende, inzwischen arbeitest du für junge, aufstrebende Künstler wie Olexesh oder Disarstar. Wirst du als Producer immer mit der Zeit und den neuesten Trends gehen oder denkst du, du bist eines Tages zu alt, um Beats zu produzieren?
Saiko: Also, den Trends folge ich eigentlich immer nur mit der aktuellsten Software, die ich verwende. Das klingt und funktioniert halt meistens am besten und es sind fast jedes Mal gute neue Features dabei. Sonst tu' ich mich eher schwer mit dem Folgen irgendwelcher Trends. Ich mach' meine eigenen. Ich verwende auch großteils die gleichen alten Drums wie anfangs. Vielleicht denken Leute, dass ich vom Sound her hängengeblieben bin, aber es kommt halt einfach nicht anders aus mir raus. Oder ich kann's nicht mit mir vereinbaren. Ich hab' da eine gewisse Blockade. Aber es gibt natürlich auch mal gelegentliche Ausnahmen, wenn ich mich in Spezialsituationen befinde und da was völlig Unerwartetes entsteht. Manchmal beneide ich schon die ganzen jungen Technik-Sound-Trend-Hipster-Nerds um ihre Manöver. Die müssen viel Zeit haben. (lacht) Aber Gott sei Dank gibt es ja immer wieder Menschen, die meinen Vibe spüren und das genau so haben wollen. Mein Sound geht am ehesten – denk' ich mir – in die 90er-Schublade. Mit meinen Projekten neben dem HipHop folge ich noch weniger den Trends. Da geh' ich eher noch 345 Schritte zurück und nehme auf Digital Audio Tape auf. Aber Hauptsache, es fährt ein, sag' ich mal. Da bringt die größte trendy High-End-Produktion nichts, wenn kein Feeling und kein Herz dabei ist. Okay, verkauft sich dann vielleicht nicht so gut, aber ich kann dazu stehen und bin zufrieden. Das wurde immer wichtiger im Laufe der Zeit. Zu alt, glaube ich, werde ich nie dafür sein. Ich fühle das immer noch so wie früher. Ich bekomm' immer noch Gänsehaut, wenn ich geile Samples finde, und ich liebe es nach wie vor, mit Rappern und anderen Musikern Tracks zu machen. Besonders, wenn ich mich mit ihnen verstehe, was auch gelegentlich mal vorkommt.
MZEE.com: Wenn wir gerade bei Rappern, die deine Beats nutzen, sind: Gibt es einen Künstler, den du unbedingt mal auf einem deiner Beats hören wolltest? Warum diesen?
Saiko: Ich würde gerne Mobb Deep auf meinen Beats hören. Ich glaube, das würde sehr gut passen. Aber die antworten momentan nicht. (lacht) Ansonsten den AJ von den Backstreet Boys zum Beispiel. Ich glaube, wir sind uns sehr ähnlich. Okay, er singt zwar nicht so gut wie ich, aber mit ein bisschen Übung wird das schon. Der hat so einen gewissen Dreck in der Stimme und in seiner Aura, obwohl er so glattgebügelt wirkt oder wirken muss. Und natürlich liebend gerne mit weiteren namhaften Rappern aus Deutschland. Da bin ich immer gerne dabei. Bei euch geht einfach viel mehr. In Österreich tut sich da sehr wenig in Bezug auf Radio Airplays, Support durch Magazine und finanzierte Projekte. Traurig, aber wahr.
(Daniel Fersch & Lukas Päckert)
(Grafiken von Puffy Punchlines, Logo von KL52)
(Fotos von Melina Zemann)
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