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10 Streetart-​Künstler gefragt: Dein bestes Artwork?

Wir haben 10 Streetart-​Künstler nach ihrem Lieblings-​Artwork gefragt, das sie selbst ange­fer­tigt haben. Die Artists Tobo, Bob­bie Ser­ra­no, Frank Zap­pel, Semor, kL52, Atem, Boo­gie SML, Hombre SUK, Cody und DXTR zei­gen Euch ihre Favo­ri­ten und erzäh­len von der Ent­ste­hung und Bedeu­tung ihrer Werke.

"Hier, mit­ten­drin im Land der feh­len­den Far­ben, ist mir alles viel zu grau und des­halb geh' ich jetzt malen …" – Der Ansicht von Samy Delu­xe aus sei­nem Song "Bis die Son­ne raus­kommt" schei­nen sich vie­le Streetart- und Graffiti-​Künstler anzu­schlie­ßen. Denn ihnen ist es zu ver­dan­ken, dass die oft so grau­en Wän­de in Deutsch­land an Far­be und krea­ti­ven Bot­schaf­ten gewin­nen. Sie wer­den zu anony­men Gesich­tern der Stadt, die durch poli­ti­sche oder gesell­schafts­kri­ti­sche State­ments auf sich auf­merk­sam machen  oder ein­fach nur dafür sor­gen, dass unser Auge Abwechs­lung von die­ser farb­lo­sen Mono­to­nie erlebt. In Form von Sti­ckern, Kacheln, Sten­ciln, Instal­la­tio­nen, Scha­blo­nen sowie Moos, ver­än­der­ten Wer­be­pla­ka­ten, Murals und vie­len wei­te­ren krea­ti­ven Mit­teln wer­den Bil­der so gestal­tet, dass sie die Bli­cke der Pas­san­ten auf sich zie­hen. Der Kunst sind kei­ne Gren­zen gesetzt. Nicht sel­ten wer­den sozi­al­kri­ti­sche The­men ver­ar­bei­tet mit der Inten­ti­on, den Betrach­ter zum Nach­den­ken anzu­re­gen. Tages­ak­tu­el­le und poli­ti­sche The­men wer­den von den Artists auf­ge­grif­fen, um auf Miss­stän­de in Deutsch­land und der Welt auf­merk­sam machen. In ande­ren Fäl­len lie­fern die Künst­ler pure Art-​Messages in Form coo­ler Styl­es und bun­ter Far­ben. Aber was fei­ern sie selbst am meis­ten? Wir haben für die­ses Spe­cial zehn Streetart-​Künstler gefragt: "Was ist dein abso­lu­tes Lieblings-​Artwork, das du selbst ange­fer­tigt hast oder bei dem du invol­viert warst? Wo ist es zu fin­den und was macht es für dich so besonders?"

 

Tobo_Teufelsberg

Tobo: Es war Ende Febru­ar und ich habe über den Win­ter neue Ideen gesam­melt, die dar­auf war­te­ten, von mir umge­setzt zu wer­den. End­lich kam er, der ers­te Son­nen­schein – es kann wie­der los­ge­hen! Ziel war es, die letz­te jung­fräu­li­che Wand auf dem Teu­fels­berg zu ent­jung­fern. Völ­lig über­mo­ti­viert habe ich für mein ers­tes Moos-​Graffiti einen Nach­mit­tag ange­setzt. Die Rea­li­tät sah jedoch ganz anders aus: Ich habe mich um vier gan­ze Tage ver­kal­ku­liert. Eine Kat­ze kam täg­lich vor­bei und beob­ach­te­te mich interessiert.

 

Bobbie Serrano

Bob­bie Ser­ra­no: Eine mei­ner Lieb­lings­ar­bei­ten ist mei­ne Wand in Nai­ro­bi, Kenia, aus dem letz­ten Jahr. Nicht die größ­te, schöns­te und bestimmt auch nicht die umfang­reichs­te Wand, die ich je gemalt habe. Ich ver­bin­de aber vie­le beson­de­re Erin­ne­run­gen damit. Ich durf­te mal wie­der mit Viva con Agua e.V. auf Rei­sen sein, da wird man eh immer von einem beson­de­ren Vibe beglei­tet. Es war ein wun­der­ba­rer Tag mit gutem Essen, Son­ne, Inspi­ra­ti­on und vie­len herz­li­chen Men­schen, die ich im Atelier-​Viertel Buo­na Trust ken­nen­ler­nen durf­te. Am Abend war ich mit mei­nem Kum­pel von ver­gan­ge­nen VCA-​Reisen, Octo­piz­zo, ver­ab­re­det und die Bros Mega­loh und Gha­nai­an Stal­li­on waren zeit­gleich in Nige­ria unter­wegs. Das hat sich trotz der Distanz ein wenig wie ein Back­flash zu dem ver­gan­ge­nen Uganda-​Trip ange­fühlt. Wie es dann so ist an einem Fei­er­tag und gene­rell in den afri­ka­ni­schen Län­dern, die ich bereist habe, sind Far­be und Mate­ri­al begrenzt und die Sprüh­do­sen in einer uncoo­len Qua­li­tät. Aber man arbei­tet mit dem, was man hat, und impro­vi­siert. Spon­tan, quick and dir­ty halt …

 

Frank Zappel

Frank Zap­pel: Das Bild ist auf einem der Hoch­bahn­pfei­ler in Köln-​Nippes zu sehen. An der Sta­ti­on Neus­ser Straße/​Gürtel, wo die Linie 13 hält. Ich habe es letz­tes Jahr im Rah­men der vom Ver­ein Mitt­wochs­Ma­ler e.V. orga­ni­sier­ten "Under da bridge Jam" gemalt. Die Jam war eine groß­ar­ti­ge Akti­on mit vie­len Spray­ern aus der Regi­on und wird durch die Gestal­tung der Pfei­ler hof­fent­lich noch lan­ge in Erin­ne­rung blei­ben. Sol­che Aktio­nen sind in Köln eher eine Sel­ten­heit und schwer durch­zu­füh­ren, da für die Stadt­ver­wal­tung Graf­fi­ti im öffent­li­chen Raum, legal oder ille­gal, eher ein Dorn im Auge ist als eine Ver­schö­ne­rung ihrer beton­grau­en Flä­chen. Sicher spielt hier auch die Lob­by­ar­beit der KASA, der Köl­ner Anti Spray Akti­on, eine Rolle.

 

Semor_1

Semor: Es ist nicht unbe­dingt mein abso­lu­tes Lieb­lings­bild, aber den­noch eines mei­ner Bil­der, das ich sehr mag. Das Pie­ce ist in Aar­hus, Däne­mark, auf der "Aar­hus Art Con­ven­ti­on" ent­stan­den. Die Wand befin­det sich im Innen­be­reich des alten Güter­bahn­hofs Godsbanen, wel­cher nun ein Ort für Kunst und Kul­tur ist. Die Auf­ga­be lag dar­in, so wenig wie mög­lich mit Sprüh­do­sen zu malen, da deren Geruch sehr läs­tig ist und wir direkt neben einem Restau­rant arbei­te­ten. Ich hat­te schon immer vor, eine Wand mit einer Kom­bi­na­ti­on aus altem Holz, Far­ben und For­men zu gestal­ten. Mit einem Ver­an­stal­ter zog ich los und wir sam­mel­ten jedes ein­zel­ne Stück Holz ein, das wir fin­den konn­ten. Unter ande­rem einen alten Klei­der­bü­gel, der ober­halb des Krei­ses zu sehen ist. Ich hat­te sehr viel Spaß dabei und seit die­sem Bild male ich viel mehr in die Rich­tung. Eine sehr schö­ne Hori­zont­er­wei­te­rung. Eines der schöns­ten Din­ge dabei war es, neben CMP zu malen. Die däni­sche Oldschool-​Legende hat mei­ne Arbeit sehr gefei­ert, was ein­fach die schöns­te Bestä­ti­gung in die­ser Zeit war. Wir haben viel über Style und Wei­ter­ent­wick­lung gespro­chen – ein­fach großartig!

 

kL52_Mzee_Foto_by_Felix_Pensel

kL52: Die­ses Mural ist 2016 im Rah­men vom "GOHO Street-​Art Weeken­der" an der Für­ther Stra­ße in Nürn­berg ent­stan­den. Ihr müsst euch vor­stel­len, dass es bis dahin in der Groß­stadt Nürn­berg und der umlie­gen­den Regi­on kein wei­te­res Bild in die­ser Dimen­si­on gab. Bekann­te Grün­de – zum Bei­spiel die Angst vie­ler Grund­stücks­be­sit­zer, dass ihre Häu­ser bald nichts mehr wert sind, oder feh­len­de Struk­tu­ren und Con­nec­tions – sind hier wie so oft aus­schlag­ge­bend. Irgend­wie lief aber im Herbst in Nürn­berg alles zusam­men. Da war auf ein­mal Jeff Soto aus Kali­for­ni­en im Rah­men eini­ger öffent­li­cher Graffiti-​Aktionen zu Besuch und zur Eröff­nung sei­ner Aus­stel­lung in Nürn­berg. Um ihn her­um wur­de dann die­ses Streetart-​Event gestrickt, auch wenn er letzt­end­lich sei­nen Teil der Wand, das schwar­ze Smi­ley in der Mit­te, recht fix in zwei Stun­den fer­tig hat­te. Den Rest über­nahm ein von Juli­an Vogel, Nürn­ber­ges Streetart-​Pate, zusam­men­ge­stell­tes Allstar-​Team an regio­na­len Künst­lern aus den ver­schie­dens­ten Berei­chen. Von Oldschool-​Writer bis Punk-​Artist ist, wie ihr sehen könnt, alles dabei. Außer dem Weltraum-​Background und Sotos bekann­tem Smi­ley in der Mit­te gab es nur gro­be Ideen im Vor­feld, wie die Wand gestal­tet wer­den soll­te. Letzt­end­lich haben wir alle gefree­styl­et und in drei Tagen, teil­wei­se in strö­men­dem Regen, die­ses Bild hin­ge­zim­mert. Kurz gesagt: Es ist eine gei­le Wand gewor­den, die für unse­re loka­le Sze­ne einen hohen sym­bo­li­schen Wert trägt. Hier haben Leu­te zusam­men­ge­ar­bei­tet, die sich wahr­schein­lich sonst nie über den Weg gelau­fen wären. Und vor allem hof­fen wir, dass durch die­se Akti­on in den nächs­ten Jah­ren end­lich mehr Wän­de die­ser Art in der Metro­pol­re­gi­on ent­ste­hen kön­nen. Grü­ße gehen raus an alle Mit­wir­ken­den: Jeff Soto, Juli­an Vogel, Kid Crow, Hig­ner, Cris, Felix Pen­sel und Haks​.One sowie Joe­Mad­eThis, Cubr11, Zolart, Laris­sa, Noke One, Rubin­stein, Leger, Acops und Disko.

 

Masen by Atem_2016_Frankfurt am Main_300dpi

Il-​Jin "Atem" Choi: Es ist jetzt zwar nicht mein ulti­ma­ti­ves Lieb­ling­s­pie­ce, aber auf jeden Fall ein gutes. Es ist vor allem schwie­rig, wenn es um die eige­nen Sachen geht, dies für sich zu dekla­rie­ren: Lieb­ling­s­pie­ces von einem selbst haben wenn dann immer nur die ande­ren oder man selbst bei ande­ren. Ich habe ein rela­tiv aktu­el­les von 2016 aus­ge­wählt. War­um ist es gut? Pri­mär, weil es sich um Buch­sta­ben in Form eines selbst gege­be­nen Namens auf eine Wand gemalt han­delt. Buch­sta­ben sind schon mal exzel­lent. Ergän­zend die Gestalt der­sel­ben sowie die tech­ni­sche Aus­füh­rung, die ich auch nicht schlecht fin­de. Ziel ist es nor­ma­ler­wei­se, dabei ein in sich geschlos­se­nes Sys­tem zu visua­li­sie­ren – eine Behaup­tung auf­zu­stel­len: "MASEN". Masen war eines mei­ner ers­ten Tags, unge­fähr im Jahr 1997. Und seit ein paar Jah­ren habe ich den Namen aus der Mot­ten­kis­te geholt und schön gepimpt bezie­hungs­wei­se schnell aus der Hüf­te geschos­sen. Dies gilt an und für sich für alle guten Pie­ces. Egal, von wem, ob legal oder klan­des­tin – aus der Unend­lich­keit der Kom­bi­na­ti­ons­mög­lich­kei­ten her­aus­ge­grif­fen, idio­syn­kra­tisch modu­liert und kom­mu­ni­ka­tiv appliziert.

 

BoogieSML

Boo­gie SML: Ich habe den Hang dazu, recht schnell unzu­frie­den mit mei­nen Art­works zu sein. Sei es eine Wand oder ein Zug. Wenn man die Sachen ein paar Mona­te oder Jah­re spä­ter sieht, gibt es immer etwas aus­zu­set­zen. Aller­dings gibt es zwei Wän­de, die ich nach wie vor ziem­lich genau so malen wür­de. Die ers­te ist ein ziem­lich simp­ler Boogie-​Style, den ich 2015 in Lör­rach gemacht habe. Der geht bei mir ein­fach rein. Kla­re, les­ba­re Buch­sta­ben, ange­neh­me Far­ben und trotz­dem eine Por­ti­on Funk. Dazu die Mes­sa­ge "Cali­for­nia Dre­a­ming", da ich zu der Zeit gera­de von einer Rei­se aus Cali zurück­kam und etwas Fern­weh hat­te. Ich steh' ein­fach auf die­se simp­len Sachen. Sieht übri­gens in der Tat manch­mal ein­fa­cher aus, als es ist. Die zwei­te Wand, die ich aus­ge­sucht habe, ist ein etwas auf­wen­di­ge­res Mural, das ich auch 2015 mit mei­nem Bud­dy Hombre SUK in Mann­heim fabri­ziert habe. Es war unser ers­tes wirk­lich gro­ßes Mural  wir hat­ten aber nur zwei Tage Zeit dafür. Also ent­schlos­sen wir uns, etwas zu machen, was uns bei­den ein­fach Spaß macht und wor­auf wir Bock hat­ten. Eine "Hig­hest Carb"-Wall mit lau­ter unge­sun­dem Süß­kram: Donuts, Cup­ca­kes, Kuchen, Bon­bons et cete­ra. Und in der Mit­te ein Hombre-​Character, der zufrie­den in einem dicken Donut sitzt. Für die ers­te Kol­l­abo von Team Hom­boog gar nicht so schlecht, wie ich mei­ne, und eigent­lich der Grund­stein für eine viel enge­re Zusam­men­ar­beit zwi­schen uns bei­den. Denn genau an die­ser Wand haben wir erkannt, dass wir wirk­lich gut zusam­men­ar­bei­ten kön­nen und uns hier und da ein­fach ergän­zen. Spaß muss es machen!

 

Hombre SUK

Hombre SUK: Grund­sätz­lich ist es natür­lich meis­tens so, dass einem aktu­el­le­re Arbei­ten eher tau­gen als die alten Kamel­len, aber wenn ich ein Stück picken müss­te, dann wäre das den­noch 'ne Wand von 2015. Zum einen, weil ich sie nach wie vor mag, man sich dar­an auf­grund der Klein­tei­lig­keit auch nicht so schnell satt­sieht und sie ein­fach unum­stöß­lich was Posi­ti­ves aus­strahlt. Viel mehr aber, weil sie das ver­kör­pert, was ich so an Graf­fi­ti und man­chen Malern feie­re. Zeit­druck im Nacken, außer­halb der Kom­fort­zo­ne – und den­noch erin­ne­re ich mich an weni­ge Ses­si­ons, die so viel Spaß gemacht haben. So ganz neben­bei war das inof­fi­zi­ell auch der Start­schuss der Zusam­men­ar­beit mit Part­ner Boo­gie. Die Wand ent­stand im Rah­men des "Stadt.Wand.Kunst"-Projekts in mei­ner Hei­mat­stadt Mann­heim. Steht auf einer ehe­ma­li­gen Kaser­ne, in der aktu­ell Flücht­lin­ge unter­ge­bracht sind. Alles wei­te­re Punk­te, die ich klar auf die Plus­sei­te packen würde.

(Anm. der Red.: Ein Video von der Ent­ste­hung des "Hig­hest Carb"-Murals fin­det ihr hier.)

 

Cody2

Cody: In Olden­burg gibt es jähr­lich das Stadt­fest. Dort gibt es vie­le Büh­nen mit ver­schie­de­nen Musik­rich­tun­gen. Mit­un­ter gehört die "One Love HipHop"-Bühne dazu, die seit neun Jah­ren dabei sein darf. Und seit dem Som­mer 2012 ist mein Büh­nen­bild als Wie­der­erken­nungs­zei­chen für die HipHop-​Bühne fest etabliert.

 

DXTR_Aesopica_Detail03

DXTR: Die­ses Mural trägt den Namen "Aeso­pi­ca" oder "Aesops Fables". Es ist im Jahr 2016 in den USA in Louis­ville, Ken­tu­cky, ent­stan­den. Ich mag es, ver­steck­te Bot­schaf­ten und Bedeu­tun­gen in die Sym­bo­le ein­zu­bau­en, die ich male. In die­sem Fall basie­ren die Ele­men­te des Murals auf Geschich­ten des grie­chi­schen Fabu­lis­ten Aesop. Genau­er betrach­tet erzählt jedes Icon oder Panel eine Geschich­te Aesops. Zum Bei­spiel die Geschich­te von dem Fuchs und dem Storch, in der es dar­um geht, sei­ne Mit­men­schen so zu behan­deln, wie man selbst behan­delt wer­den möch­te. Zusam­men ergibt sich eine eher abs­trak­te Kom­po­si­ti­on aus kryp­ti­schen Sym­bo­len. Lei­der ist die Wand zu lang, um sie auf einem Foto ganz zu zei­gen, aber von der Bedeu­tung her ist dies einer mei­ner Favoriten.

(Anne Dono­hoe & Flo­rence Bader)
(Fotos von Felix Pen­sel (kL52), Mikis Fon­tagnier (Hombre SUK), Atem (Il-​Jin "Atem" Choi), Cody (Thi­sI­sAnch), Semor (Semor), Bob­bie Ser­ra­no (Bob­bie Ser­ra­no), Tobo (Tobo), Frank Zap­pel (Frank Zap­pel), Gra­fik von Puffy Punchlines)