Wir brauchen Wellenbrecher für diese Menschenmenge.
Hier wird es immer enger – verloren im Gedränge.
Für letzte Weihnachtseinkäufe fließen tosende Menschenströme durch Einkaufspassagen und einzelne Worte verschwimmen zum endlosen weißen Rauschen. Gerade in dieser Zeit wird uns bewusst, wie verdammt viele wir doch sind. Schnell wird aus dem vom Individuum vereinnahmten Platz Enge und aus der Geräuschkulisse ohrenbetäubender Lärm. Da wünschen sich nicht nur Sadi Gent, Mo! und Yaniçar hin und wieder etwas Abstand. Eine kurze Pause von allem, was uns umgibt. Einfach mal die "Off"-Taste betätigen.
Das Trio hat sich jedoch nicht einfach nur dazu entschieden, gemeinsam abzuschalten: Mit "Off" gibt es den Ruhemodus auch gleich musikalisch als EP. Auf treibenden, elektronischen Beatschwaden – mal sphärisch und düster, mal klar und hart – erzählen sie von gesellschaftlichen Zwängen, einem Konsumverhalten, dem man längst überdrüssig ist, dem sich fortwährend wiederholenden Alltag, aber auch von der Zuflucht in die Musik. Während für den instrumentalen Beitrag hauptsächlich Yaniçar verantwortlich zeichnet, trägt Sadi Gent sein Drittel rappend und Mo! das seine vorwiegend singend bei. Die Symbiose der einzelnen Talente ergibt ein synthetisch anmutendes, dennoch extrem homogenes Soundbild, das die Emotionen und Gedanken perfekt widerspiegelt, die auf "Off" dargestellt werden. Nagende Selbstreflexion und bitterböse Gesellschaftskritik werden ebenso überzeugend vermittelt wie die Hoffnung auf Besserung und den dennoch existenten Ruhepol. Denn obwohl die negativen Seiten der überfüllten Zivilisation gerne etwas überspitzt werden, so ist man sich dennoch auch über die guten Seiten unseres Lebens im Klaren. Damit wird der aktuelle Zeitgeist überzeugend und klanglich rund auf den Punkt gebracht.
Und so erzählt "Off" nicht nur von den Problemen der überbevölkerten Welt, es bietet zugleich eine Lösung. Eine Lösung in Form einer eigenen kleinen Welt, einzig für den Hörer gemacht. Und diese übertüncht den Lärm der Außenwelt mit angenehmen Klangwolken und lässt abseits jeglicher Enge zwischen den Textzeilen genügend Raum für die eigenen Gedanken und Gefühle.
(Daniel Fersch)