Das Erdbeben zerstörte die externe Stromversorgung des Atomreaktors. Dies ist einer der ernstesten Unfälle für ein Atomkraftwerk, und darum wird bei der Planung von Notfallsystemen besonderes Augenmerk auf einen „kompletten Stromausfall der Anlage“ gelegt. Die Energie wird zum Betreiben der Kühlwasserpumpen benötigt. Da das Kraftwerk abgeschaltet wurde, kann es selbst keine Elektrizität mehr produzieren.
Eine Stunde lang ging alles gut. Ein Satz Diesel- Notstromaggregate (und davon gibt es mehrere Sätze) sprang an und stellte die benötigte Elektrizität zur Verfügung. Dann traf der Tsunami ein, ebenfalls viel stärker als beim Bau des Kraftwerks geplant (siehe oben, Faktor 7). Der Tsunami zerstörte alle vorhandenen Notstromaggregate.
Bei der Planung eines Atomkraftwerks folgen die Ingenieure einer Philosophie, die man „Verteidigung in der Tiefe“ nennt. Das bedeutet, daß man zunächst alles so baut, daß es der größten vorstellbaren Katastrophe widersteht und dann das Kraftwerk so auslegt, daß es dann immer noch ein Systemversagen (von dem man glaubte, daß es nie passieren könnte) nach dem anderen bewältigen kann. Ein Tsunami, der die Gesamte Notstromversorgung auf einmal ausschaltet, ist ein solches Szenario. Die letzte Linie der Verteidigung ist es, alles in den dritten Sicherheitsbehälter (siehe oben) zu packen, der alles, egal wie groß der Schlamassel ist, Steuerstäbe eingefahren oder ausgefahren, Kern geschmolzen oder nicht, innerhalb des Reaktors einschließt.
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. Das Stromnetz war wegen des Erdbebens ausgefallen. Die Notstromaggregate waren durch den Tsunami zerstört worden. Also wurden fahrbare Stromaggregate herangefahren.
Hier begannen Dinge ernsthaft schiefzugehen. Die externen Stromaggregate konnten nicht mit dem Kraftwerk verbunden werden (die Stecker paßten nicht). Darum konnte nach Erschöpfung der Batterien die Restwärme nicht mehr abtransportiert werden.
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Weil die Kühlung so wichtig ist, hat der Reaktor eine ganze Reihe von Kühlsystemen, jedes in unterschiedlichen Ausführungen (das Reaktor-Wasserspülsystem, das Zerfallswärme- Abführsystem, die Reaktorkern- Isolationskühlung, das Standby- Flüssigkeitskühlsystem und das Reaktorkern- Notkühlsystem). Welches dieser Systeme zu welchem Zeitpunkt ausfiel oder nicht, ist zu diesem Zeitpunkt nicht klar.
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Es scheint, als wäre dies das Startsignal für einen großen „Plan B“ gewesen. Die gemessenen kleinen Mengen Cäsium waren für die Betriebsmannschaft das Zeichen dafür, daß das erste Sicherheitsbehältnis eines der Brennstäbe irgendwo kurz davor stand zu versagen. Plan A hatte vorgesehen, eines der regulären Kühlsysteme des Reaktorkerns wiederherzustellen. Warum das nicht gelang, ist unklar. Eine mögliche Erklärung ist, daß der Tsunami das gesamte saubere Wasser, welches für die regulären Kühlsysteme benötigt wird, entweder wegschwemmte oder verunreinigte.