Ob man auf der Autobahn oder im Zug unterwegs ist, durch die verlassensten Fabrikhallen oder dicht bebaute Innenstädte läuft – Graffiti-Kunst ist überall. Während die verschiedenen Tags, Character und Styles mal mehr, mal weniger prominent vorzufinden sind, ist über deren Erschaffer oft wenig bis gar nichts bekannt. Zum einen, weil sie als Künstler durch ihre Bilder sprechen und anderweitig nicht zu Wort kommen möchten, zum anderen aber auch, weil sie sich mit ihren Arbeiten häufiger am Rande der Legalität bewegen und deshalb im Hintergrund bleiben müssen. Doch während für einige Menschen Graffiti immer noch verpönt ist und als Sachbeschädigung und Vandalismus gilt, erkennen seit geraumer Zeit viele andere diese Ausdrucksweise als eigenständige und ernstzunehmende Kunstform an – immerhin ist sie wie kaum eine zweite maßgeblich für die Wahrnehmung unseres öffentlichen Raums mitverantwortlich. Vor diesem Hintergrund nehmen wir nun Bezug auf die ersten beiden Streetart-Specials unseres "Wir haben 10 Rapper gefragt …"-Formats. Allerdings haben wir dieses Mal zehn "reine" Writer kontaktiert, um von ihnen zu wissen: "Was ist dein absolutes Lieblingsbild, das von dir selbst stammt? Aus welchem Grund ist es für dich so besonders?"
MOGEL: Das hier ist nicht mein Lieblingsbild, da ich nicht wirklich sagen kann, welches ich am liebsten mag, aber es gehört auf jeden Fall dazu. Entstanden im alten Schlachthof in Bonn an einem schönen sonnigen Tag. Habe mit den Jungs in der Hall ein paar Bierchen gezischt und gesprüht, gequatscht, gelacht – halt einfach Spaß gehabt. Ich dachte mir, ich versuch' einfach mal was Neues und bring' so viel Farbe und Verbundenheit rein, wie es nur geht. Mir gefallen sehr die Farben von dem Bild, denn sie bringen ein übertriebenes Durcheinander hinein, was dieses Bild so interessant für mich macht. Auch die Verbundenheit von dem C rüber zu der 4 gibt dem Bild noch mal ein gewisses Etwas. Denn C4 ist der Name meiner Crew und er bedeutet "Farbenfrohe Bombenleger" – und ich finde, dieses Bild bringt den Namen auf den Punkt.
POUT: Das Bild ist in einem Büro der damaligen Kosmetikfirma Kematen in Reisholz entstanden. Das ehemalige Firmengelände war einer der wenigen nicht überrannten "abandoned places", den ich kannte – wenn man sich vor Augen hält, dass es zu dem Zeitpunkt schon für Jahre verlassen war. Nach einigen Erkundungsgängen war mir klar, dass in diesem Raum was Besonderes passieren musste. Also machte ich mir tagelang Gedanken darüber, was denn da passen würde – immer mit der Angst im Nacken, dass mir jemand die Stelle streitig machen könnte, bevor ich dazu kommen konnte, sie zu machen. Kurzum hatte ich mich dazu entschlossen, einen einfachen Style ohne viel Tamtam zu machen, diesen aber mit warmen, Sonnenuntergang-ähnlichen Farben zu füllen. Am Ende war ich dann selbst vom Ergebnis überrascht. Wie kraftvoll diese Letters in dem Raum dastanden, was leider auf dem Foto nicht ganz so rüber kommt. Das war und ist mein Favorit, da es in meinen Augen so stimmig ist wie kein anderes meiner Bilder. Ab und an würde ich es gerne noch mal in live sehen, doch leider ist der Spot Geschichte.
Ace Ewkone: Diese Arbeit ist mein absolutes Lieblingsbild! Inspiriert von den zahlreichen Selfies, die man so von seiner Freundin bekommt, entstand in einem langen Prozess die Liebe zu Porträts. Jeder Mensch hat einen bestimmten Blick auf seine Mitmenschen. Mit meinen Arbeiten versuche ich, all meinen Impressionen Ausdruck zu geben. Leider habe ich bis jetzt noch keine perfekte Wand oder Fläche für die Umsetzung gefunden. Jetzt, wo der Winter vorbei ist, wird sich das ändern.
The Top Notch: Es ist ein Piece von 2017. Für mich recht besonders, da es alles beinhaltet, was für mich bei einem richtigen Piece nicht fehlen darf: bunte Fill-ins, Background aus verschiedenen Ebenen und eben eine gute Zeit, die ich damit verbinde. Zusammengefasst auf einem guten Foto – für mich perfekt! (grinst)
DamOne: Ich bin Writer seit 1997. Mitglied der Wrl-crew, Yckb-crew und Pmz-crew. Ich komme aus Dortmund aka IronCity. Das Piece hier ist in Bochum 2018 entstanden und zeigt meine typische Art zu malen. Mal hart kantig, mal ebenso weich ineinander übergehend, mit dezenten Designs, die das Ganze abrunden. Ich liebe und lebe Graffiti in allen Facetten seit nun mehr als 20 Jahren, es ist ein Teil von mir und ganz klar möchte ich nichts davon missen, da es mich einfach erfüllt und ausmacht. Natürlich steht an erster Stelle mal der Spaß an der Sache selbst, wenn dann noch was Gutes bei rumkommt wie hier, ist es eine zu hundert Prozent runde Sache, wie sie es sein soll.
Mister Oreo: Dieses Porträt von CANTWO ist in Duisburg, in der Hall of Fame Meiderich. Für mich war es ehrlich gesagt ein grosse Herausforderung, dieses Bild zu malen. Da ich – wie wahrscheinlich viele meiner Zeit – von seinen Sachen beeinflusst und geprägt wurde, wollte ich natürlich das Beste rausholen, um meinem Quasi-Jugendidol eine angemessene Wertschätzung zu malen. War eine schöne Erfahrung, auch das damit verbundene Schwelgen in alten Geschichten aus den Anfangszeiten meiner Malerei.
Pmode524: Zur Zeit findet man größtenteils Charakter von mir, dennoch ist meine Wahl auf ein Style gefallen. Warum das so ist, hat einen bestimmten Grund. Es liegt nicht ausschließlich an der Größe des Styles, sondern vielmehr an der Zeit, in der es entstanden ist und die ich damit verbinde: die Crew, ein Wochenende, eine riesige Wand nur für uns – Digedi! Ich hatte zuvor noch keinen Style in diesen Dimensionen gemalt. Die Schwierigkeit bestand darin die Proportionen gut auf die Wand zu übertragen. Man kann sagen, dass es trotz der ganzen Arbeit, dem unzähligen Auf- und Abstiegen der Leiter – Sonnenstich inklusive – das Wochenende in Magdeburg bei den Hip Hop OlymPics war, was mir im Gedächtnis geblieben ist. Es hat mir wieder einmal aufs Neue gezeigt, dass mir genau das viel mehr gibt, als sich 40 Stunden die Woche in einem Büro aufzuhalten, während das Leben draußen an einem vorbeizieht. Man könnte durchaus sagen: Ich froh bin, dass bisher alles genau so gelaufen ist. So still stay hungry!
SLOW: Yo, ich male Slow und komme aus Hockenheim. Dieses Piece ist in sofern etwas Besonderes für mich, da es mich styletechnisch auf ein neues Level gebracht hat. Ich denke, jeder kennt von sich solche Schlüsselpieces. Sie sind oft nicht mal die geilsten und auch bei dem Beispiel hätte Ich rückblickend einiges anderes gemacht, aber genau die Erkenntnisse bringen einen weiter. Auch was die Farben anbelangt, war bis dato für mich ein kontrastreiches Fill-in eher selten drin. Jetzt nur her mit allen Farben! Abschließend will ich noch sagen: Stay true to yourself, probiert neue Sachen aus – egal, wie wack es danach aussieht. Hauptsache, man hat nix liegen gelassen! Shoutout an alle Brüder aus Heidelberg und Mannheim, Peace.
Sto.Kdo: An dem Tag bin ich mit einer Portion gute Laune einfach los in den Wald gelaufen und habe mir einen schönen alten Bunker ausgesucht, in dem ich mich austoben konnte. Es ging nur um das Bild und den Spaß daran. Etwa drei Stunden ging die Session mit ein paar Bier, Essen, Musik und Sonne. Selten gibt es so Tage, an denen man sich frei fühlt und sich einfach spontan zum Malen aufmacht. Daher eines meiner Lieblingswerke von mir!
TACH: Ich denke, das ist mein absolutes Lieblingsbild, da es mit meinem Kumpel Kid entstanden ist. Es war recht spontan, dass wir uns in der Hall of Fame in Königsdorf trafen und dafür war es absolut untypisch, dass wir einen gemeinsamen Hintergrund malten. Für einen sonnigen Sommertag war dann schnell ein passendes Konzept gefunden. Ich favorisiere diese Hall, da Bilder schon mal ein Jahr überdauern, da dort nicht viele malen. Was mich erst recht reizt … Ruhe. In diesem Bild spiegelt sich unsere mittlerweile 25-jährige Freundschaft wider und in gesetztem Alter ist es wunderbar, wenn man es hin und wieder noch an die Wand schafft.
(Florence Bader & Sascha Koch)
(Fotos von den Künstlern, Grafik von Puffy Punchlines)