Olli Banjo - Schizogenie
VÖ: 01.08.2005
Label: Headrush Records
"Schizogenie" war das erste deutsche Rap-Album, welches ich mir original auf CD gekauft habe. Obendrein sogar mein allererster Blindkauf (die Vorabtracks kannte ich natürlich), was zu dieser Zeit eher ungewöhnlich für mich war, da mein hart verdientes Nebenjob-Geld grundsätzlich fürs saufen und Partys verplant war und CD-Käufe immer wohlüberlegt wurden. Den Stellenwert, den Olli Banjo damals für mich hatte, sollte also relativ klar sein.
Der eigentliche Plan von Oliver Otubanjo und Roe Beardie war, dass "Schizogenie" bereits zwei Monate nach dem Aufwärmprogramm "Sparring" erscheint, doch genau zwei Dinge haben dem Headrush-Team einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zu einem zogen sich Verhandlungen mit größeren Labels in die Länge und man kam nie auf einen gemeinsamen Nenner, da u.a. eine charttaugliche Single gefordert wurde, Banjo diese aber nicht liefern wollte. Auch auf eine weitere Zusammenarbeit mit EMI Music (Partner beim Release von "Erste Hilfe") konnte man sich nicht einigen. Streitpunkt war abermals die Singlewahl. EMI wollte verständlicherweise den gemeinsamen Song mit Xavier Naidoo "Ich wünsch mir" zur Leadsingle machen, Banjo hingegen hatte andere Pläne und setzte seinen eigenen Kopf durch und wählte mit "Wie ein Schuss" die vermutlich untauglichste Nummer aus. Dieses Rock-Ding ist vielleicht sein Herzensprojekt, aber sicherlich nicht die optimale Wahl um das Album zu teasern, mit dem er den nächsten Schritt gehen möchte. Der zweite Grund für die fast einjährige Verschiebung war vermutlich noch ärgerlicher, denn wenige Wochen vor dem geplanten Release wurde das gesamte Album im Internet geleaked und Olli passte das Album zumindest punktuell noch ein wenig an.
"Dieses Album wird alles jemals da gewesene in der Welt verändern
Deutschland zerstückeln als wärs ne Nagebombe
Das ist kein Witz, das ist Roman und Oliver 2005"
Vergleicht man "Schizogenie" mit "Erste Hilfe", fällt vor allem auf, dass Porno-Rap zwar weiterhin vertreten, aber kein zentrales Thema mehr ist und weniger explizit und provokativ umgesetzt wurde. "Hong Kong" und das ruhige "Nich' nur ne Hoe" mit schrillem Hook-Gesang sollte Fans vom Porno-Olli trotzdem zufriedenstellen. "Ich scheiß' auf dich" rechnet mit einer Ex-Freundin ab (später dazu mehr) und auf "Es gibt kein Aids" warnt Olli erneut auf seine ganz eigene Art vor ungeschütztem Geschlechtsverkehr.
Die Produktionen von Roman haben auch eine Wandlung durchgemacht und sind weitaus zugänglicher als noch auf den vorherigen Veröffentlichungen, ohne dabei den eigenen Sound zu verlieren. Direkt zu Beginn gibt es mit "Nagelbombe", "Ich mach Rap kaputt" und "Lass sie brenn'" drei ballernde Bretter, auf denen Olli (und Jonesmann) auf technisch höchstem Niveau das Mic zerfetzen. "Du willst fliegen" ist dagegen ein Seitenhieb gegen die aufkommenden Dipset-Rapper in Deutschland. Im zweiten drittel des Albums wird der bereits besprochene Frauen/Sex-Rap und etwas "Comedy" abgearbeitet. "Pistole" parodiert über ein schallendes Instrumental Möchtegern-Gangsta-Rapper und "Polizei" (inklusive bescheuertem Skit) schießt gegen unseren Freund und Helfer. Leider in der zensierten Version, die man sich dann auch hätte sparen können und das Ganze als exklusiven Song auf der "Wie ein Schuss"-EP belassen sollen. Im letzten drittel wird es dann ruhiger und persönlicher. Unter anderem widmet sich Olli auf "Schönes Kind" seinen Zweifeln, "Special" ist eine zu der Zeit typische Kopf-hoch-Nummer und "Rapliebe" ist eine Huldigung an sein liebstes Musik-Genre.
Für die hartgesottenen unter uns gab es mit der Limited Deluxe Edition sogar noch eine halbstündige Zugabe, die sich definitiv lohnt. Die beiden Rock-Ausflüge "Fresse" und "Hitmaschine" sehe ich zwar ebenfalls eher kritisch, dem Gegenüber stehen aber zwei der besten Tracks des gesamten Albums. Auf "10 Minuten" mit Sido werden Wünsche für die letzten zehn Minuten des Lebens abgearbeitet und "Baseballschläger" zählt für mich zu den besten Songs (wenn nicht sogar der beste) von Banjo überhaupt. Über ein smooth treibendes Instrumental lauert Olli seiner Ex-Freundin und ihrem Neuen (zu allem Übel sein bester Freund) vor der Haustür mit einem Base auf und schlägt alles zu Brei. Lyrisch und technisch perfekt verpackt und Olli croont die Hook butterweich. "B.A.N.J.O.", "Ich fühl nichts" und "Du siehst mich nicht" sind dagegen typisches Battle-Rap-Technik-Gewichse und "Echte Liebe" erzählt aus der Sicht eines Frauenschlägers, der erklären möchte, dass er alles nur aus Liebe macht.
"Schizogenie" ist zweifelsohne ein Schritt nach vorne, auch wenn mich das Album nicht mehr so begeistert wie noch vor 16 Jahren. Dafür sind hier dann doch einige Tracks drauf, die ich mir heute nicht mehr wirklich anhören würde und die Skits sogar ultrapeinlich. Insgesamt überwiegt hier aber ein mehr als positives Bild, Olli rapt weiterhin on top und die Beats von Roe sind besser und vor allem nicht mehr ganz so speziell wie noch zuvor.
Anspieltipps: "Nagelbombe", "Ich mach Rap kaputt", "Lass sie brenn' [Feat. Jonesmann]", "Nich' nur ne Hoe", "Rapliebe", "10 Minuten [Feat. Sido]", "Baseballschläger"