xStrikerx
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In der aktuellen Katapult Ausgabe ist ein Artikel zu einer Studie, der ein Dilemma der Linken in unseren Breitengraden aufzeigt. Auszüge daraus:
die Frage nach sozialer Gerechtigkeit für eine ökonomische Unterschicht ist möglicherweise als Thema also (u.a.) deshalb für viele nicht unmittelbar relevant, weil sie sich vorgaukeln, sie würden selbst ja gar nicht zu dieser gehören (sondern zur erwähnten "Mittelschicht"... und das auch noch verbunden mit dem scheinbar festen Glauben, aus dieser nach oben aufsteigen zu werden, wenn man es denn schaffe, sich nur hart genug zu arbeiten).
Ich gehöre nicht zur Unterschicht!
Sind sich junge Menschen sozialer Ungleichheit und ihrer Position in der Gesellschaft bewußt? [...] Antwort: nicht wirklich. Die Studie ["The Moral Boundary Drawing of Class: Social Inequality and young Precarious Workers in Poland and Germany"] ist Bestandteil eines größeren Forschungsprojektes zur sozialen und ökonomischen Mentalität junger Menschen [...].
Die Interviewten standen alle am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn, waren in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und jünger als 35 Jahre. [...] In prekären Verhältnissen arbeiten Menschen mit Hochschulabschluss ebenso wie solche mit Mittlerer Reife. Das ist auch bei den Befragten so. Zudem sind unterschiedliche Berufe vertreten, im Büro ebenso wie in der Fabrik.
Gemein ist den Befragten jedoch, daß sie die eigene Situation nicht als prekär empfinden. Stattdessen sehen sie sich als Teil einer in durchschnittlichen Verhältnissen beschäftigten Mittelschicht. Diese Mitte betrachten sie als einen erwünschten Normalzustand.
Die Studienteilnehmer grenzen sich einerseits von Personen in vergleichbarer Lage ab, die sie für nicht entschlossen genug halten, an ihrer Lebenssituation etwas zu ändern. Andererseits ziehen sie aber auch eine Grenze zu denjenigen, die wirtschaftlich "über" ihnen stehen. Gegenüber "denen da oben" sind die Befragten nicht so kritisch: Zwar genießen jene ihrer Meinung nach unverdiente Privilegien. Ihr Verhalten aber sei unproblematisch.
Auf der moralischen Ebene unterscheiden die Befragten also tendenziell zwischen den ihnen gegenüber besser- und den schlechtergestellten Gruppen: Sie fühlen sich nicht mit anderen Menschen in prekären Situationen verbunden, sondern den ökonomisch erfolgreicheren Menschen näher. Denn mit harter Arbeit und Disziplin, so die Logik, würden sie ihre prekäre Phase überwinden und gesellschaftlich aufsteigen.
Die Forscher erklären dieses Selbstbild mit einem dauerhaften Hang der Menschen, sich mit anderen zu vergleichen. Diese Vergleiche führen zu moralischen Urteilen, mit deren Hilfe sich Menschen von anderen abgrenzen können. Die eigene Identität rücken sie dabei in ein positives Licht.
Das stärkt das Selbstwertgefühl und ist als Bewältigungsstrategie zu verstehen. Strukturelle Probleme innerhalb der Gesellschaft werden damit legitimiert.
die Frage nach sozialer Gerechtigkeit für eine ökonomische Unterschicht ist möglicherweise als Thema also (u.a.) deshalb für viele nicht unmittelbar relevant, weil sie sich vorgaukeln, sie würden selbst ja gar nicht zu dieser gehören (sondern zur erwähnten "Mittelschicht"... und das auch noch verbunden mit dem scheinbar festen Glauben, aus dieser nach oben aufsteigen zu werden, wenn man es denn schaffe, sich nur hart genug zu arbeiten).