Du bist der Sohn einer Hure …
Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr, das Deutschrap verändert hat. Nicht nur die schiere Anzahl an Veröffentlichungen spricht eine eindeutige Sprache. Nein, Deutschrap 2015 ist anders. Deutschrap 2015 ist so vielfältig und experimentierfreudig wie nie zuvor. Auf der einen Seite offen für Neues und auf der anderen Seite alte Werte bewahrend, die teilweise schon in Vergessenheit gerieten. Und plötzlich, während man mit dem Jahr schon gedanklich abschließen will, legt sich wieder einmal Zigarrendunst über das Land …
"Bitch, der Boss ist back wie die 70er!" ("Intro"). Möchte man alten Sprichwörtern Glauben schenken, so kommt das Beste bekanntlich immer zum Schluss. Ein Gedankengang, den wohl auch der Boss der Bosse persönlich verinnerlicht hat. Anstatt sich jedoch neumodischen Trends anzupassen, wird in altbekannte Kerben geschlagen und das Standing als Zuhälterrapper manifestiert: "Das Zuhältertape 4 – schon vor zehn Jahren derselbe Sound …" ("Blutdiamanten"). Und das sagt eigentlich schon alles aus: Immer noch das Flair und der Charme alter Mafiafilme, ohne dabei eingestaubt zu wirken. Der Klangteppich ist nach den charakteristischen Mustern gestrickt wie vor zehn Jahren, nur sprichwörtlich in besserer Verarbeitung. Das Ganze präsentiert sich schlicht und ergreifend als ein epochaler, mitreißender Zusammenschluss der besten Elemente aus der "Zuhältertape"-Reihe. Doch, wie schon vor zehn Jahren, bleibt das wahre Aushängeschild eines "Zuhältertapes" nun einmal Kollegah selbst. Technisch ist er on point wie eh und je und erstickt jeden Zweifel im Keim, dass er in diesem Metier vielleicht nicht zu den Besten des Landes gehören könnte. Gekrönt wird diese technische Präsenz nur noch mit der textlichen Finesse. In einem Lauf wird man als Hörer konfrontiert mit Wortspielen und Vergleichen voller Doppel-, Dreifach- oder bis zu Siebzigfach-Deutigkeiten ("Mörder"), die den Lyrikliebhaber einfach sprachlos zurücklassen. Stets versehen mit Wortwitz, Schlagfertigkeit und maßlosen Übertreibungen, die einen wahrlich in den Bann dieses Gangsterfilms namens "Zuhältertape Vol. 4" ziehen.
"Das ist kein Angeberprollrap. Ich informiere lediglich den Hörer über meine Sammlung an voll fetten Guns auf dem Wandregalholzbrett." ("Angeberprollrap Infinity"). Selbstverständlich ist das "Zuhältertape Vol. 4" "Angeberprollrap". Es ist genau das, was es behauptet zu sein. Ein Album, das dem Hörer genau das liefert, was man erwartet. Wer etwas kritisieren will, der wird auch etwas zu kritisieren finden. Aber wer Kollegah bei Zeilen wie: "So viel Blaulichteinsätze, dass Ökos meinen, es wäre sinnvoll, dass man Energiesparlampen statt Blaulicht einsetze" ("Wall Street") allen Ernstes fehlende Kredibilität vorwirft, dem ist nun mal auch nicht mehr zu helfen. Natürlich lässt sich sagen, dass man mit dem präsentierten Stil subjektiv gesehen nichts anzufangen weiß. Aber Kollegah daraufhin Eintönigkeit und fehlenden Ideenreichtum vorzuwerfen oder gar das dargebotene Werk unnötigerweise und in kleinster Manier schlechtzureden? Meine Güte, Mois. "Das Zuhältertape 4 – schon vor zehn Jahren derselbe Sound. Ich erfind' das Rad nicht neu, doch hau' paar Platinfelgen drauf!" ("Blutdiamanten").
(Lukas Maier)
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