"Was?! Du kennst das nicht? Sekunde, ich such' dir das mal raus." Und schon öffnet sich die Plattenkiste. Wer kennt diesen Moment nicht? Man redet über Musik und auf einmal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem:einer Künstler:in oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzufangen weiß. Und plötzlich hagelt es Lobpreisungen, Hasstiraden oder Anekdoten. Gerade dann, wenn der:die Gesprächspartner:in ins Schwärmen verfällt und offen zeigt, dass ihm:ihr das Thema wichtig ist, bittet man nicht allzu selten um eine Kostprobe. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Person so sehr am Herzen zu liegen scheint. In diesem Fall – was uns so sehr am Herzen liegt: Ein Auszug aus der Musik, mit der wir etwas verbinden, die wir feiern, die uns berührt. Ein Griff in unsere Plattenkiste eben.
Von den Produktionen von KazOnDaBeat bin ich schon seit längerem Fan. Umso mehr freut es mich also, wenn er mit Rapper:innen zusammenarbeitet, die ebenso meinen Geschmack treffen – so geschehen auf XAVERs "Flugmodus"-EP, die dieses Jahr im Juli veröffentlicht wurde. Zwei Monate später erschien die Platte dann als Deluxe-Version mit fünf zusätzlichen Stücken und liefert mit energetischen sowie melancholischen Songs kurzweilige Unterhaltung.
Wo KazOnDaBeat draufsteht, sind minimalistische, Bass-lastige Produktionen drin. Darüber flowt XAVER mit seiner rauen, charakteristischen Stimme meist in schnellem Tempo. Tracks wie "Vintage", "Check" und "Supernova" haben ein hohes Energie-Level, wobei mich Erstgenannter mit seinen schrillen Synthesizern, aggressivem Rap und den druckvolle Adlibs besonders begeistert. Genauso wuchtig ist der Stimmeinsatz auf "Supernova", doch der Song setzt sich mit seinem Drum 'n' Bass-Instrumental von den restlichen Trap-Produktionen ab und bringt so noch mal eine andere, mitreißende Dynamik in die EP. Und auch die angesprochene Melancholie bleibt nicht auf der Strecke, denn diese ist auf Stücken wie "Flugmodus", "Entartete Kunst" und "Miete" spürbar. Auf Letzterem wird XAVER von Sängerin Sira unterstützt: Zusammen viben die beiden über einen melodischen, groovigen 2-Step-Beat von Kaz und laden zum Träumen ein. Nach knapp 25 Minuten ist der Spaß dann auch schon wieder vorbei, denn die insgesamt elf Songs erreichen im Durchschnitt nur eine Laufzeit von zwei Minuten. Doch das tut dem Ganzen keinen Abbruch, mit ihrer Schnelllebigkeit stellt die EP so ein kompaktes und abwechslungsreiches Hörerlebnis dar.
XAVER und KazOnDaBeat sind ein modernes Dream-Team: Der Produzent liefert dem Rapper die perfekten Vorlagen, um sein Stimmtalent richtig einzusetzen. Besonders dann, wenn die gewohnten Trap-Pfade verlassen werden, überzeugt mich die Kombination. In diesem Sinne hoffe ich, auch in Zukunft noch einige Kollaborationen der beiden hören zu dürfen.
(Tim Herr)