Du warst auf dem Internat?
Cool, ich war in den Charts.
Wer schon im Titel mit der eigenen Vergangenheit spielt, sollte der Zielgruppe damit auch ein klares Bild suggerieren. Ein Problem, mit dem sich Kay One bei der Namensvergabe seines neuen Albums offenbar nicht befasst hat. Wer ist denn nun "der Junge von damals", der uns 2016 ein neues Album schenkt? Der schwäbische Kay, der mit seiner Crew Deutschrap aufmischt?! Der EGJ-Kay, der endlich Style und das Geld bekommen hat?! Oder der Pop-Kay, der zwischen Schneeballschlachten und Überstunden im DSDS-Jurorensessel versucht, den Chart-Gipfel zu besteigen?!
So richtig scheint Kenneth Glöckler das selbst nicht zu wissen. Im Laufe der Jahre hat jede der oben genannten Kay-Versionen ihre Anhänger gefunden. Und der Rapper selbst versucht auf seinem fünften Album, auch wirklich alle zufriedenzustellen. Richtig glücklich dürfte damit am Ende aber keiner sein. Auf 18 Anspielstationen bekommt man eine Mischung aus Prollrap, Sozialkritik und zahllosen Ausflügen in die R'n'B-Welt geboten. Begleitet wird das Ganze von Features, die wie Pech an den Hacken kleben. Michelle Mendes' Gesang wird auch beim fünften gemeinsamen Song nicht eingängiger, Faydee klingt sogar noch ein bisschen mehr nach Chris Brown – nur mit weniger Soul. Und Kay? Der spielt auf seinem eigenen Album bei der Vielzahl an Gastbeiträgen scheinbar nur die zweite Geige. Wenn er dann einmal selbst rappt, geht es hauptsächlich um den eigenen Lifestyle und den erfolgreichen Weg aus den harten, schwäbischen Straßen Richtung Miami. Wirklich interessant oder neu ist das leider nur selten. Doch Titel wie "Herr Reichert" lockern zumindest hin und wieder die festgefahrene Atmosphäre auf. In solch ironischen Songs mit Blick in die Vergangenheit merkt man erst, was für ein ambitionierter und hungriger Newcomer der Friedrichshafener einmal war.
Gegen Ende des Albums bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Wo ist er denn nun, "der Junge von damals"? Der Junge, der frech und ignorant aalglatten Jura-Studenten den Mittelfinger in die Kamera hielt? Auf diesem Album findet man ihn jedenfalls nirgends, auch wenn man ihn hier und da schmerzlich vermisst. Sein Biss würde dem heutigen Kay One mehr als guttun.
(Sven Aumiller)
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