Januar 2015: Tapefabrik und Prinz Porno
"Okay – was habe ich verpasst?" Eine Frage, der wohl jeder von uns schon einmal begegnet ist. Egal, ob man sie selbst gestellt hat oder mit ihr konfrontiert wurde. Manchmal kommt einfach der Zeitpunkt, an dem man sich vor allem eines wünscht: "Bringt mich doch mal auf den neuesten Stand!" Doch wie antwortet man darauf? Was hält man für besonders erwähnenswert? Es ist schwer, eine kurze, aber vollständige Antwort darauf zu finden. Wie misst man überhaupt Relevanz? An medialem Hype? Am Überraschungsfaktor? Oder doch an dem musikalischen Anspruch? In "Hört, hört!" geht es um das alles, reduziert auf zwei Veröffentlichungen. Ein Release, das vor allem im Untergrund auf Zuspruch gestoßen ist, und eines, das in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Zwei Werke, die wir nicht unbedingt gut finden müssen, aber eine gewisse Relevanz oder eine Bedeutung jeglicher Art für die hiesige Raplandschaft besitzen. Zwei Werke, die am Ende des Monats vor allem eines aussagen: "Hört, hört! Genau das habt ihr verpasst!"
Various Artists – Tapefabrik #2
Selbst auf Festivals, die sich auf deutschen Rap beschränken, spricht nicht jeder Punkt des Line-ups auch jeden Besucher an. Da gibt es die, die nur wegen den "ganz Großen" wie Cro oder Marteria kommen, jene, die auf die Azzlackz warten – und natürlich auch die, die sich nur für "echten Rap" interessieren. Die meisten Line-ups vertreten daher eine "Für jeden was dabei"-Mentalität. Das hat zur Folge, dass man sich für zwei, drei Acts die Beine in den Bauch steht, während der Rest der Auftritte nicht wirklich interessiert.
Bei der Tapefabrik hat man dieses Problem nicht. Denn statt eines bunten Potpourris aller erdenklicher Genres konzentriert man sich auf ein homogenes Programm. So mag sich etwa der Sound von Djin zwar von dem unterscheiden, was beispielsweise Luk&Fil machen – doch wird ein Fan des einen in den meisten Fällen auch Gefallen an der Musik der anderen finden. Denn so verschieden ihre Stile auch sind, schwingen hier doch bei allen Künstlern meist samplelastiger Boom bap, gehaltvolle Texte sowie ein Hauch von "Untergrund" und "Oldschool" als gemeinsame Nenner mit.
Das Gleiche gilt auch für Sampler. Während sich auf solchen Compilations sonst reichlich geschmacksabhängiges Skip-Material finden lässt, heißt es auf "Tapefabrik #2": Gefällt dir ein Titel, gefallen dir vermutlich alle. Neben Djin sowie Luk&Fil wartet die Platte unter anderem mit den 58Muzik-Membern, Prezident und Paranoid Media auf. Da sich zudem große und kleine Namen das Mic in die Hand geben, wird fast jeder auch die ein oder andere persönliche Neuentdeckung machen. Eine gekonnt facettenreiche Mischung ohne störende Elemente. Der "Tapefabrik #2"-Sampler beweist, wie eine HipHop-Compilation gelingen kann, während der Skip-Button allmählich einstaubt. Und das übrigens nicht nur, weil Skippen bei Vinyl schwer möglich ist.
(Daniel Fersch)
Prinz Porno – pp=mc²
"Du hast richtig gehört, Prinz Porno ist zurück, jetzt werden die Bitches zerstört" – die Ankündigung von "pp=mc²" hatte mich gleichermaßen überrascht wie erfreut, denn irgendwann hatte ich den Zugang zum "neuen" Pi verloren. Mein bis dato letztes Konzert war im Zuge der "Kompass ohne Norden"-Tour 2013. Es war nicht mein erstes Pi-Konzert, jedoch fielen mir erstmals die deutlichen Veränderungen auf. Nicht in der Musik, mit "Rebell ohne Grund" und "Kompass ohne Norden" hatte ich mich halbwegs arrangiert. Der Wandel fand eher vor der Bühne statt. Die bunte Mischung aus Studenten in Hemden, Jungs in Baggys und jungen Damen mit "Neopunk"-Shirts war größtenteils einer Masse von 16-jährigen, meist weiblichen, Beanie- und Jutebeutel-tragenden Pi-Fans gewichen.
Nun gut, neue Musik lockt eben auch neues Publikum an. Doch besagte Hipstergirlies blickten nur verwirrt um sich, als alteingesessene Fans der Tradition halber ein gegröltes "Porno! Porno!"-Mantra anstimmten und gegen Ende des Abends konnte nur ein erschreckend kleiner Teil des Publikums jede Zeile von "Keine Liebe" mitrappen. In diesem Moment bekam ich das Gefühl, dass dieser "neue" Prinz Pi sich mehr als nur ein paar Schritte von Porno entfernt hatte. Ändert sich dies mit "pp=mc²"? Weg von melodiösen Pianoklimpereien, zurück zu knarzendem Samplesound mit donnerndem Boom bap? Statt "Erwachsenwerden"-Thematik wieder schonungsloser Battlerap und kryptische Verschwörungstheorien?
"Parfum (Eau de Porneau)" ließ mich zunächst hoffen, dass genau das wieder da wäre, auch wenn das restliche Album dieser Erwartung nicht standhalten konnte. Doch so ziemlich alles, was Friedrich Kautz – egal, ob als Pi oder Porno – so anpackt, polarisiert eben. Ist der Sprung in die Vergangenheit geglückt? War der Versuch, die Attitüde aus alten Tagen ins Jetzt zu interpretieren, nicht eh zum Scheitern verurteilt? Letztlich muss jeder für sich entscheiden, ob Prinz Porno wirklich wieder da ist. Entgehen lassen sollte man sich "pp=mc²" jedoch in keinem Fall.
(Daniel Fersch)