Am 10. Juni dieses Jahres veröffentlicht Chakuza mit "Noah" sein mittlerweile sechstes Soloalbum. Der Nachfolger von "Exit" erscheint ebenfalls über Four Music, wo der Rapper die bisher größten Charterfolge seiner Karriere feiern konnte. Anlässlich des anstehenden Releases trafen wir uns mit dem Österreicher, um ihn zum Sound von "Noah", der musikalischen Entwicklung im Vergleich zum Vorgänger sowie seinem allgemeinen Werdegang zu befragen. Im Laufe des Interviews sprachen wir zudem über die aktuelle politische Lage in Deutschland und Österreich. Immerhin stellte sich Chakuza in öffentlichen Statements bereits des Öfteren gegen rechte Politik, wofür er wiederholt Hasskommentare bei YouTube und Facebook einstecken musste. Vor diesem Hintergrund wollten wir natürlich wissen, wie er den steigenden Einfluss der AfD hierzulande und vor allem den der FPÖ in seiner Heimat beurteilt.
MZEE.com: Wie fühlst du dich in Berlin mittlerweile?
Chakuza: Berlin ist 'ne tolle Stadt. Aber jedes Mal, wenn ich herkomme, ist es megastressig. Das ist mir früher nicht aufgefallen. Es sind noch mehr Leute geworden. Ich liebe es aber, herzukommen. Berlin ist dann geil, wenn ich auch wieder weg kann.
MZEE.com: Wurdest du für den Umzug nach Bayern gebasht oder ging das?
Chakuza: Gar nicht. Ich hab' ja auch keinen verraten. Ich bin kein Deutscher, kein Berliner. Außerdem: Es ist doch scheißegal, wo man wohnt, Alter. Jetzt mal wirklich. Schulde ich irgendwem was?
MZEE.com: Bis zur Wahl war es ja irgendwie charmant, Österreicher zu sein. Und Bayern mehr so …
Chakuza: Ja, das wird aber immer falsch eingeschätzt. Die Bayern, die in der Öffentlichkeit stehen – die stehen nicht für die Bayern, die ich kenne. Wenn du dann wirklich nach Dunkelbayern fährst, dann sind da die coolsten Menschen, die ich jemals getroffen hab'. Der ganze Bullshit kommt aus der Regierung und die sitzt eben in München. Und die sind alle komisch, das kann ich dann auch verstehen. Aber das tiefe Bayern, das Herz von Bayern, ist nicht so. Überhaupt nicht. Ich hatte das Bild ja auch, aber es ist wirklich nicht so.
MZEE.com: Wie würdest du denn sagen, ist das Herz der Bayern?
Chakuza: Ich will München nicht wegdissen, aber es wohnen halt auch die falschen Bayern in München und daher kommt dann dieses komische Bild. Ganz ehrlich: Wo ich wohne, sind alle hilfsbereit. Bei meiner Ankunft aus Berlin kam der Winter, es fiel ein halber Meter Schnee am Tag. Ich stand da und hatte keine Schneeschaufel. Dann hab' ich angefangen, mit so einer Mini-Schaufel den Schnee wegzuschippen. Und das Erste, das mein Nachbar macht? "Ey, hier hast du 'ne Schneeschaufel. Schenk' ich dir, ich hab' eh drei". Und so geht das die ganze Zeit. Die helfen dir beim Rasenmähen, die machen alles. Jeder hilft sich gegenseitig. Das ist das ländliche Bayern, in der Stadt ist es dann etwas dekadenter.
MZEE.com: Lass uns doch über Österreich reden. "Österreich braucht dich nicht, wenn du so über Österreich redest" – ein oft wiederholter Kommentar unter deinen Statements.
Chakuza: Ja, das ist mir aber ehrlich gesagt auch egal. Ich muss dir ganz ehrlich sagen: Österreich ist ein supertolles Land, hat tolle Künstler und tolle Menschen hervorgebracht. Und es ist auch alles cool da … Zeig mir einen, dem irgendwas weggenommen wurde. Es wurde keinem irgendwas weggenommen. Okay, jetzt laufen andere Menschen auf der Straße rum. Na und? Wenn er Scheiße baut, dann zeig ihm, wie man es richtig macht. Und wenn er dann nicht spurt, dann kannst du ihn ja hassen. Man darf auch nicht immer die Nazikeule schwingen, wenn einer Mist macht und dann einer sagt: "Du Arschloch, Alter!" – egal, wo er herkommt. Dann aber so komplett falsch zu wählen und Menschen, die da überhaupt nichts für können, damit auch noch zu ficken, das geht überhaupt nicht klar. Das ist pure Dummheit.
MZEE.com: Hast du diesen Rechtsruck befürchtet oder kam es dann doch überraschend?
Chakuza: Das hat sich in den letzten Jahren angebahnt. Diese FPÖ … und dann sagen sie: "Blabla, die sind für das Volk". Ja, mein Gott, Alter. Von Strache (Anm. d. Red.: Heinz-Christian, Parteichef der FPÖ) gab es Fotos, da hat er in SS-Uniform Paintball gespielt. Was, nicht Nazi-Scheiße?! Das ist unfassbar. Wie kann man sowas wählen? Da hört's bei mir halt auf. Dann hab' ich keinen Bock mehr, Österreicher zu sein, dann schäm' ich mich dafür. So ein Land, das in so einem Wohlstand lebt, wird ein paar Ausländer auch verkraften. Und Fakt ist: Ich war selber Soldat, war an der Grenze und musste die Grenze schützen. Damals war es aber nicht so krass, da kamen viele Leute aus dem Balkan. Und da war schon so ein krasses Elend vorhanden. Jetzt ist es aber richtig schlimm. Die fangen an, Leute zu verscheuchen und anzupöbeln. Außerdem sind auch viele Freunde von mir Ausländer. Wie müssen die sich gerade fühlen?
MZEE.com: Was wärst du stattdessen lieber?
Chakuza: Wenn das jetzt wirklich alles so brauner Dreck wird, nehme ich die deutsche Staatsbürgerschaft an. Ist schon alles gecheckt. Es gibt online diesen Einbürgerungstest, den habe ich bestanden.
MZEE.com: 25 Prozent AfD sind jetzt aber auch nicht unbedingt ein positives Zeichen in die richtige Richtung.
Chakuza: Ja, aber du musst checken, in wie vielen Bundesländern. In Österreich ist das ja überall so. Guck mal: Wenn die so einen Typen zum Präsidenten wählen sollten … Pfui!
MZEE.com: Machst du irgendwas aktiv oder sagst du einfach nur, dass du dich distanzierst?
Chakuza: Was soll ich denn aktiv machen? Ich kann wählen gehen und meine Plattform dafür nutzen, Leute wachzurütteln oder andere zu aktivieren, die sonst nicht zur Wahl gehen. Aber was soll ich sonst machen?
MZEE.com: Also, ich bin hier in der Flüchtlingshilfe.
Chakuza: Ach so, das, ja. Guck mal, meine Frau arbeitet bei einer Arbeitsvermittlung, die im Moment auch viel für Flüchtlingsvermittlung tut. Da kann man halt immer was machen. Klamotten verteilen oder sowas … Bei uns ist das aber auch so krass organisiert, dass die wahrscheinlich keinen brauchen. Ich müsste dann vermutlich ein paar Kilometer weiter fahren. Da, wo ich jetzt gerade lebe, sind auch alle gut aufgenommen worden. Und das ist halt auch so eine Sache: Ich lebe in Bayern und alle denken immer, die Bayern sind voll rechts und so, was auch voll der Blödsinn ist. Die sind halt konservativ – aber da funktioniert es.
MZEE.com: Meiner Erfahrung nach verbindet Deutschrap unglaublich mit den Pubertierenden aus der Notunterkunft, weil grade die syrischen Jugendlichen ein totales Rapfaible haben.
Chakuza: Ich hab' das auf jeden Fall angeboten und das steht momentan auch im Raum. Bei uns gibt es sehr wenige Möglichkeiten, da reinzukommen, aber es ist gerade in der Mache.
MZEE.com: Kommen wir zu einem anderen Thema: Was möchtest du zu deinem neuen Album "Noah" sagen?
Chakuza: Es ist das beste Album der Welt. Ja, es hatte eine lange Entstehungsphase und es war total anstrengend, es zu machen. Aber es ist musikalisch das Hochwertigste, was ich jemals gemacht hab'. Wir sind alle megastolz. Natürlich hat man immer ein bisschen Angst, dass es nicht funktionieren könnte. Das hat man vor jedem Album – und es ist schon ein bisschen weiter raus aus dem HipHop-Genre. Am Ende bestimmt das dann der Hörer, ob es funktioniert oder nicht.
MZEE.com: "Nicht funktionieren" heißt dann die Höhe der Verkaufszahlen? Oder die Reaktion der Hörer?
Chakuza: Das ist so ein Mischmasch. Natürlich wünsche ich mir hohe Verkaufszahlen, das ist ja klar. Aber das Schlimmste wäre, wenn es alle scheiße fänden, weißte. Wenn alle sagen: "Boah, krasses Ding", und ich verkaufe wenig – was soll ich da machen? Dann ist das so. Wenn es die Leute aber komplett scheiße fänden, wäre das schlimmer.
MZEE.com: Hast du einen Lieblingstrack von der neuen Platte?
Chakuza: Das wechselt immer. Seine Lieblingstracks hört man immer am meisten und dann gehen sie einem auf die Nerven. Dann sucht man sich wieder einen anderen. Ansonsten? Ich kann's nicht sagen … Das kann ich eigentlich nie. Aber: Wenn ich einen Track nicht gut finden würde, wäre er nicht auf dem Album.
MZEE.com: Ich durfte ja schon in dein Album reinhören. Der prägnanteste Satz dabei war für mich: "Vögel fallen auf die Schnauze, wenn die alten Äste brechen". Spiegelt das deine Lebensphilosophie wieder? Oder ist das einfach nur ein schönes Bild?
Chakuza: Ich arbeite sehr viel mit Bildern und versuche, das immer mit ein paar Sachen für mich zu verbinden. In diesem Fall beziehe ich mich auf den Wechsel von der alten Musik zur neuen. Da bin ich das erste Mal richtig auf die Schnauze gefallen. Der alte Ast abgebrochen – weg vom Label: auf die Schnauze gefallen. Aber ich bin ja wieder aufgestanden.
MZEE.com: Man könnte es auch so verstehen: Wenn man auf dem alten Ast bleibt, bricht er eben weg.
Chakuza: Stimmt, könnte man auch so verstehen.
MZEE.com: Ganz anderes Thema: Was ist für dich die perfekte Entspannung?
Chakuza: Hunde einpacken, wir fahren zur Donau und ballern uns rein. Bei uns kannst du in der Donau gut schwimmen … Oder ich fahr' mit dem Mountainbike durch den Wald oder den Berg rauf. Auf der Sportbasis. Auch wenn ich ins Fitnessstudio gehe, schalte ich komplett ab.
MZEE.com: Wann hast du das letzte Mal richtig Urlaub gemacht und dein Smartphone aus gelassen?
Chakuza: Letztes Jahr. Bei mir ist das eh so, dass ich nicht mehr für jeden Scheiß erreichbar bin, weil es einfach nervt. Irgendwann musst du halt auch mal abschalten. Da brauch' ich nicht unbedingt Urlaub. Außerdem wohne ich im absoluten Funkloch.
MZEE.com: Kommen wir auf deinen Werdegang zu sprechen. Von deinem allerersten Track bis heute: Was ist deine persönlich größte Änderung, die man auch ganz deutlich in deinem künstlerischen Wirken zu spüren bekommt?
Chakuza: Ich glaube, mein erster Track war ja auch ziemlich deep, deswegen ist das schwer zu sagen. Wir hatten später dann so eine Phase, in der wir asozial wurden – meine ersten Sachen waren ja gar nicht so. Aber dann waren wir jung und wild und hatten Erfolg mit den asozialen Texten. Das hat Spaß gemacht, bis ich gemerkt habe, dass es alles überhand nimmt. Ansonsten ist das, was ich jetzt mache, wieder ein Schritt zurück. Da war der Anfang, da ist die Mitte und jetzt kommt wieder der Sprung zurück.
MZEE.com: Dann ist alles gut, wie es jetzt ist?
Chakuza: Ich liebe das, was wir jetzt gemacht haben. Kein Witz: Ich wollte immer dieses Album machen. Ohne Scheiß. Genau dieses Ding mit dieser Musik. Ich hatte lange nicht die Möglichkeit und wir haben noch 'ne Zeit gebraucht. Im Nachhinein gesehen hört man bei "Exit" auch einfach, dass wir viel probiert haben. Es ist ein gutes Album, aber man hört, dass wir da noch nicht waren, wo wir jetzt sind. Und deshalb ist das jetzt das Album, das ich immer machen wollte.
MZEE.com: Aber hängt für dich dann nicht emotional gesehen viel dran? Noch mehr als sonst?
Chakuza: Mein Gott, voll! Man darf das halt nur nicht zeigen. Wie gesagt, für mich ist das Wichtigste, dass die Leute sagen: "Es ist gut". Danach kommen erst die Verkaufszahlen.
MZEE.com: Zum Abschluss nur noch eine Frage: Was hörst du zurzeit selber?
Chakuza: Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich so ein Album gemacht habe, höre ich im Nachhinein immer nur so Prollzeugs. Irgendwann ist es auch mal gut mit der Melancholie.
(von unserer freien Mitarbeiterin Jasmin N. Weidner)
(Fotos von Vitali Gelwich)