Nur wenige MCs, die das Internet hervorgebracht hat, können auf eine solch rege Karriereentwicklung zurückblicken wie der Saarbrücker EstA: Nachdem er sich jahrelang in der RBA einen Namen aufbaute und im Anschluss mehrfach am VBT teilnahm, überraschte er vor einigen Jahren mit einem Signing bei Baba Saads Halunkenbande, dicht gefolgt von einem – für einige seiner Battlerap-geprägten Fans – vermutlich etwas zu sommerlichen Debütalbum. Schwamm drüber: "Damals wollten wir diesen Vibe mitnehmen. Das neue klingt organischer", erzählt EstA in unserem Interview über seine neue Platte. Die hört auf den Namen "BestA" und erscheint in wenigen Tagen über die aufstrebende Plattform Nur! Musik. Was sich für den Act in den letzten Jahren sonst noch so getan habt, erfahrt Ihr in unserem Gespräch mit ihm …
MZEE.com: Du veröffenlichst in Kürze dein zweites Soloalbum "BestA". Zu Beginn des Interviews würden wir von dir deshalb gerne mal hören, in was du alles "BestA" bist!
EstA: In was bin ich "BestA" … (grinst) Das ist 'ne sehr gute Frage. (überlegt) In Fußball natürlich. In "FIFA" bin ich "BestA", da wollten mich einige Fans schon herausfordern, aber ich sag' meinen Online-Namen nicht – natürlich nicht aus Angst, dass ich da verliere, das kommt nicht in Frage. (lacht) Nee, Quatsch, ich hab' da immer ein bisschen 'ne große Klappe. In was bin ich noch "BestA" … Zuhörer! Ich kann sehr gut zuhören. Ansonsten müssen andere beurteilen, in was ich "BestA" bin, gerade wenn's um menschliche und persönliche Sachen geht.
MZEE.com: Hat dir denn schon einmal jemand gesagt, in was du seiner Meinung nach besonders gut bist?
EstA: Das Ding ist, ich überhör' sowas gerne mal, weil ich gar nicht der Typ bin, der Komplimente bekommen will. Deshalb war das anfangs auch sehr ungewohnt, als es mit Rap langsam abging. Teilweise ist mir das immer noch etwas unangenehm.
MZEE.com: Es ist dir unangenehm, wenn man dir für deine Musik Komplimente macht?!
EstA: Jetzt nicht richtig unangenehm, aber schon ein bisschen ungewohnt – immer noch. Das letzte Album kam vor zwei Jahren, da ging die ganze Sache los. Ich find' es natürlich cool, dass meine Fans mich so supporten, aber das ist nach wie vor irgendwie neu für mich.
MZEE.com: Was war in Bezug auf deine Musik denn das Schönste, das du von anderen je zu hören oder lesen bekommen hast?
EstA: Erst vorgestern hat mir wieder jemand geschrieben, dass meine Musik ihn schon länger begleitet und ihm auch durch eine schwere Zeit geholfen hat. Sowas ist halt schön – du merkst, dass das, was du sagst, ankommt und die Fans ihren Teil reininterpretieren. Dass meine Musik ein Teil ihres Lebens ist und ihnen in irgendeiner schlechten Situation oder Lebenslage weiterhilft oder sie aufbaut. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz.
MZEE.com: Wenn wir uns mal das Cover deines neuen Albums ansehen, stellt sich uns die Frage: Wo ziehst du Parallelen zwischen dir und Muhammad Ali?
EstA: Das würde ich mir jetzt doch nicht anmaßen, da eine Parallele zu dem großen Muhammad Ali zu ziehen! (lacht) Nee … Wie du schon richtig erkannt hast, war es die Intention, diese Szene nachzustellen, weil er einfach der Beste war. Auf dem Cover lieg' ich ja auch noch selbst am Boden – da war der Hintergedanke, dass ich mich nur selbst schlagen kann. Aber auch, dass ich mein altes Ich hinter mir lasse und in Anführungszeichen kaputtschlage.
MZEE.com: Wir haben hier zusätzlich ein Zitat von ihm für dich herausgesucht, das heißt: "Ich weiß nicht immer, wovon ich rede. Aber ich weiß, dass ich Recht habe." Kennst du das auch von dir selbst?
EstA: (lacht) Das unterschreib' ich auf jeden Fall! Ich hab' sehr gerne recht und diskutiere auch gerne mit Hatern. Ihr wisst gar nicht, wie oft ich es schon geschafft habe, deren Meinung zu ändern, nur weil ich sie angeschrieben und gesagt habe: "Erklär doch mal deinen Standpunkt." Dann haben die irgendwas gefragt, ich hab' ihnen Argumente hingeballert und am Ende haben sie gesagt: "Ja, stimmt. Bist ja doch nicht so ein Wichser, wie ich gedacht hab'." (lacht) Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich rechthaberisch bin, aber ich hab' auf jeden Fall gerne recht.
MZEE.com: Nervt es nicht auf Dauer, immer dieselben Diskussionen mit solchen Leuten führen zu müssen? Gerade auch in Hinblick auf deine VBT-Vergangenheit …
EstA: Ach, die VBT-Zeit … das konntest du irgendwann nicht mehr ernst nehmen mit diesem ganzen Shitstorm. "EstA arbeitet an der Tanke", dies, das … Das war irgendwann nur noch lustig. (lacht) Aber manche nehmen sich dafür echt Zeit und ballern dir einfach so 'ne halbe DIN A4-Seite als Kommentar drunter. Das ist dann meistens kompletter Bullshit, bei dem ich mir nur denke: Woher haben die das?! Und da muss ich dann schon hergehen und die mal anschreiben. Es ist jetzt nicht so, dass ich jeden einzelnen Hater anschreibe – um Gottes Willen. Aber ein paar Leuten muss ich dann doch meinen Stempel aufdrücken.
MZEE.com: Reden wir mal konkret über die Inhalte deines neuen Albums – das ist im Gegensatz zum letzten viel vielschichtiger und weniger poppig geraten und erinnert uns auch wesentlich mehr an die Zeit vor "EstAtainment". Wieso hört sich dein Album jetzt so an, wie man es von "EstAtainment" vielleicht ein Stück weit erwartet hätte?
EstA: "EstAtainment" war ja ein komplett sommerliches Album – damals wollten wir diesen Vibe mitnehmen. Es war auch sehr digital. Das neue klingt organischer, mit live eingespielten Instrumenten wie E-Gitarre und Drums. Das jetzige Album ist viel mehr die Richtung, in die ich gehen möchte. Warum das vorher anders war, kann ich dir gar nicht sagen … Ich finde, "BestA" klingt teilweise schon noch sehr poppig, aber mit Eiern. Es macht einfach viel aus, wenn Live-Drums und so eingespielt werden – da ballert alles mehr. Es ist natürlich immer noch Rap und ich werd' jetzt kein Clueso. (lacht) Auf Rap liegt der Fokus, aber ich hab' gerne ein paar poppige Akzente drin. Aber ja: Das Album wär' als Debüt geiler gewesen. Den Schuh muss ich mir auch selbst anziehen und sagen: Ich hätte mir fürs erste Album mehr Zeit lassen sollen. Im Endeffekt kam "EstAtainment" natürlich auch gut an. Gut, die einen haben's nicht gefeiert, weil sie zuvor nur diese 50 Battlerunden von mir kannten, in denen ich 180 Mal "Hurensohn" gesagt hab' – und dann kam ich mit so 'nem soften Sommeralbum um die Ecke. Aber das hatte ich mir so ausgesucht. Nach 40, 50 Battlerunden, in denen du die Leute ohne Ende provozierst, hast du irgendwann keinen Bock mehr darauf. Dann willst du einfach nur ein richtig schönes Album mit Sommervibe machen. Und so ist es dann auch passiert.
MZEE.com: Wenn du damals Bock auf ein Sommeralbum hattest – worauf hattest du dann Bock, als du mit den Arbeiten an "BestA" angefangen hast?
EstA: In erster Linie wollte ich mir viel Zeit lassen – angefangen mit dem Schreiben der ersten Songs hab' ich vor zwei Jahren. Das war so ein Prozess. Ich wusste am Anfang auch gar nicht genau, wo's hingeht, hab' mir einfach mal blind Beats schicken lassen und meinen Produzenten SINCH & TYPHOON eine Liste geschickt, was ich mir vorstellen kann. Das hat sich mit der Zeit dann einfach daraus entwickelt.
MZEE.com: Du hast in einem anderen Interview erwähnt, dass "BestA" in deinen Augen sehr autobiografisch geworden ist. Bist du jemand, der in seiner Musik private Probleme verarbeitet?
EstA: Auf jeden Fall. "Freundeskreis" ist zum Beispiel ein sehr persönlicher Song, aber "So bin ich nicht" auch. Wenn du die Tracks hörst, kriegst du auf jeden Fall nicht nur ein Stück von EstA, sondern auch von Eike mit. Ich hab' ja auch mal einen Song über einen verstorbenen Freund von mir geschrieben. Rap ist auf jeden Fall ein Katalysator für mich. Früher war ich da ein bisschen wilder drauf – hab' zu viel Alkohol getrunken und mich in Schlägereien gestürmt. Keine Ahnung. (lacht) Heute mach' ich das mit Musik, was der wesentlich bessere Weg ist.
MZEE.com: War das schon immer so oder kam das erst mit der Zeit?
EstA: Das war auf jeden Fall schon immer so. Ich sag' ja auch im Outro, dass ich meinen ersten deepen Song für meine Ex geschrieben hab'. Das Bittere war nur, dass mich die Leute im VBT so gar nicht wahrgenommen haben. Da hast du nur diesen "Hurensohn" sagenden EstA gesehen, was auch nicht schlimm war, aber deshalb war vielleicht auch dieser Clash zu "EstAtainment" so groß, weil's da schon mit diesen deeperen Songs angefangen hat. "Lass dich gehen" zum Beispiel – sowas hatten die Leute von mir noch nie vorher gehört. Aber dass ich irgendwelche Eindrücke verarbeitet hab', war schon immer so.
MZEE.com: Du hast vorhin erwähnt, dass es dir teilweise immer noch ein Stück weit unangenehm ist, zu überschwingliches Lob zu bekommen. Wie sieht das aus, wenn du solches Lob für einen sehr persönlichen Song bekommst? Das ist ja nochmal etwas anderes, als zu hören, dass man die krassesten Punchlines hat …
EstA: Das Ding ist: Es ist alles cool, wenn die Leute den Song richtig interpretieren. Aber "Club 27" vom neuen Album zum Beispiel … Da wurde ich von der Dani von laut.de auch gefragt, ob ich wirklich psychische Probleme hätte und das so ernst meinen würde. (grinst) Dem ist natürlich nicht so. Ich hab' das extra so makaber dargestellt. Bevor sie irgendwas Falsches reininterpretieren, sollen mich die Leute lieber fragen. Aber natürlich ist das was anderes, wenn jemand sagt: "Geile Punchline, du hast ihm richtig gegeben", als wenn jemand zu mir kommt und sagt: "Alles klar? Hast du 'ne schwere Zeit hinter dir?" (lacht)
MZEE.com: In diesem Interview wurde direkt danach ja auch eine Parallele zum nächsten Song gezogen, in dem du "Meine Zeit ist gekommen" rappst …
EstA: Das Lustige ist: Ich hab' mir da gar keine Gedanken drüber gemacht. Ich weiß nicht, ob ich das hätte machen sollen, aber ich hab' auch über die Tracklisterstellung nicht viel nachgedacht. Im Prinzip hat der eine Song gar nichts mit dem anderen zu tun, das war einfach reiner Zufall. Von daher: alles gut. (grinst)
MZEE.com: Lass uns mal ein wenig über deine Anfänge sprechen: Was war überhaupt deine Motivation, mit 15 Jahren mit Rap anzufangen? Hat sich das mit der Zeit geändert?
EstA: Mit 15 hatte ich damals meine Aggro Berlin-Zeit – Sektenmuzik, "Ansage Nr. 3" … Damit hat's bei mir angefangen, das hab' ich totgehört. Wahrscheinlich war ich deshalb auch immer so auf Aggrorap fixiert. Irgendwann haben meine Jungs und ich gesagt: "Wir haben Bock, selbst mal was aufzunehmen." Damals hatten wir ein Headset und den Windows 95 Recorder. Wir hatten kein Programm, um den Beat reinzuziehen, und haben einfach die Boxen hingestellt, das Headset in die Hand genommen und das immer weitergegeben. (lacht) Jeder hat dann seinen Part gerappt und wenn einer verkackt hat, mussten wir alles noch mal neu aufnehmen. Also, wirklich komplett amateurhaft. Schade war halt nur, dass ich der Einzige war, der komplett drauf hängen geblieben ist. Ich hab' mir dann auch ein Mic gekauft und 'ne Booth gebaut. Dann kam die RBA, dann das VBT und so weiter.
MZEE.com: Hattest du damals nicht auch Kontakt zu Syntheciser?
EstA: Ja! Ich hab' erst vorgestern wieder an ihn gedacht, weil ich ihn eigentlich aus der Versenkung heraus für meine Releaseparty akquirieren wollte, weil der Junge immer so ein bisschen abtaucht. Das Lustige ist: Wir haben uns erst voll spät kennengelernt. Er war ja auch in der RBA, aber damals schon mit diesem Legendenstatus unterwegs. Da hatte ich gerade mein Battle gegen Mavel. Er kannte mich aber nicht und wusste auch gar nicht, dass ich aus dem Saarland komme. Dann haben wir uns auf irgendeinner Jam kennengelernt – das war zu der Zeit, als das VBT angefangen hat. Ich hab' ihn dann ein bisschen gepusht und zu ihm gesagt: "Mach doch noch mal was, du Legende." Er war damals ja auch bei "Feuer über Deutschland" am Start. Jetzt hab' ich leider lange nichts mehr von ihm gehört. Ich hab' auch noch zwei Tracks mit ihm rumliegen – vielleicht hau' ich die mal raus, muss ich ihn mal fragen.
MZEE.com: Du bist durch Online-Battles bekannt geworden, hast dann ein sommerliches, etwas mainstreamigeres Album gemacht und legst jetzt mit einer Mischung aus Storytelling, Autobiografie und Battle nach. Würdest du deine Entwicklung auch so sehen?
EstA: Wenn du das jetzt positiv gemeint hast – auf jeden Fall. Ich denke mal, man wird den Sprung von "EstAtainment" hin zu "BestA" krass hören. Das fängt schon bei der Produktion an, geht bei den Texten weiter und hört bei Themen auf. Ich finde, ich hab' mich in jeglicher Hinsicht krass weiterentwickelt und bin sehr gespannt, wie die Leute das annehmen. Ich hab' auf jeden Fall sehr hohe Erwartungen an mich selbst gehabt und bin zufrieden mit dem Endprodukt.
MZEE.com: Gibt es Dinge, die dir bei dieser Entwicklung geholfen haben?
EstA: Ich finde, dass man deutlich hört, dass ich älter geworden bin. Das klingt jetzt so nach „Okay – wer will schon alt werden“. Aber man entwickelt sich einfach auch als Mensch weiter. Der ganze Freundeskreis entwickelt sich weiter, man lebt sich auseinander, findet neue Bekanntschaften … Ich hab' alles mögliche, was mir in den letzten zwei Jahren und auch davor passiert ist, in dieses Album gepackt und verarbeitet. Mich ein bisschen treiben lassen.
MZEE.com: Du hast auch wesentlich länger daran gearbeitet, als an "EstAtainment", oder?
EstA: Ja. In dem Song "Hinter den Kulissen" hab' ich das auch erwähnt. Ich weiß grade nicht mehr, wie die Line geht, aber "EstAtainment" hatte ich knapp in einem Monat geschrieben. Und währenddessen hatte ich auch noch Klausuren – du kannst dir also vorstellen, was da los war. (lacht) Wen das interessiert, der sollte sich auf jeden Fall "Hinter den Kulissen" anhören. An dem jetzigen Album hab' ich mehr als zwei Jahre gearbeitet – natürlich nicht kontinuierlich, ich hab' zwischendrin auch noch meine Bachelorarbeit geschrieben und war da mal ein paar Monate raus. Dann kam ja auch noch der Ausstieg von HB …
MZEE.com: Fehlt dir das Battlen denn manchmal? Die alten RBA- und VBT-Zeiten?
EstA: Da hab' ich mir neulich Gedanken drüber gemacht – was ich eigentlich mehr vermisse, RBA oder VBT. Ich war halt bei beidem krass in meinem Film und hab' mir das richtig gegeben. In der RBA hab' ich 50 Battles gemacht, am VBT dreimal teilgenommen und richtig viel Zeit investiert … Das Geilste für mich war, so viel mit meinen Jungs dran zu arbeiten. Gerade bei dieser VBT-Geschichte, weil du alle zwei Wochen ein Video raushauen musstest und sich da wirklich jeder reingehängt hat. Da wurde aus dem Freundeskreis immer jeder akquiriert und musste irgendwas zusammenbauen oder sich Gedanken über das nächste Set machen. Wenn du 40, 50 Runden drehst, musst du dir irgendwann natürlich auch überlegen, wo du noch hingehen könntest – ich wusste gar nicht mehr, wo wir in Saarbrücken überhaupt noch drehen können, weil wir jede verdammte Graffitiwand schon mitgenommen hatten. (lacht) Das war so 'ne intensive Zeit mit den Freunden – das vermiss' ich auf jeden Fall.
MZEE.com: Könntest du es dir auch vorstellen, mal an einem Live-Battle teilzunehmen?
EstA: Für "Rap am Mittwoch" wurde ich schon mal angefragt. Das hätten damals vermutlich viele gesehen – gegen Atzenkalle. Aber zu der Zeit ging gar nichts bei mir. (überlegt) Nee, bin ich nicht so der Typ dafür. Das lass' ich lieber andere machen, die das drauf haben. Das ist nicht mein Metier. Ich bin auch nicht der krasse Freestyler – ich kann freestylen, aber so gut bin ich darin jetzt auch nicht. Da hab' ich, glaube ich, eine relativ gute Selbsteinschätzung. Ich bin aber auch kein Studiorapper, das darf man jetzt auch nicht sagen – live wird schon abgerissen. Aber Acapella-mäßig seh' ich mich da einfach nicht.
MZEE.com: Reden wir mal über das Box-Set, das Käufer der Premium-Edition von "BestA" bekommen: Kopfhörer, ein Kondom, Autogrammkarten und eine EP … Wer kam auf die Idee dieser verrückten Mischung und weshalb?
EstA: Jeder hat in seiner Box immer so 'ne Fahne drin, 'nen USB-Stick … keine Ahnung.
MZEE.com: Ein T-Shirt.
EstA: Ein T-Shirt hat sowieso immer jeder drin. Das war das erste, was ich gesagt hab': In meine Box wird kein T-Shirt kommen. Das war mir schon von vorneherein klar. Wir wollten einfach weg von diesem Standard. Dann hatte ich die Idee mit dem "Sex mit der Ex"-Kondom, weil uns da schon klar war, dass wir die Single als Video auskoppeln. Irgendjemand meinte dann noch: "Du brauchst Kopfhörer." Da hab' ich gesagt: "Ja, okay, können wir machen, aber ich will keinen Ramsch haben. Dann muss das vom Sound her schon was Annehmbares sein." Wir haben uns danach ein bisschen beraten lassen und im Endeffekt sind's dann eben ein Kondom, Kopfhörer und die EP geworden. Wer hat so 'ne krasse Box? Die anderen haben immer nur Shirts drin. Die kannst du dir auch im Merchstore kaufen. Aber die Box ist jetzt eh schon weg, deshalb: Tut mir leid für jeden, der sich wegen dieses Interviews noch eine hätte gönnen wollen. Sorry. Ich denke mal, die Fans werden auch einigen Spaß mit dem Kondom haben … guck mal, ich tu' sogar noch was für die Gesundheit.
MZEE.com: Aber ein T-Shirt kannst du halt immer anziehen …
EstA: An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass man das Kondom nur einmal benutzen sollte. (lacht)
MZEE.com: Wir verspüren in der Rap-Szene teilweise etwas Widerstand gegen Album-Boxen unter den Fans. Wie siehst du das als Künstler?
EstA: Ich hab' so eine "EstAlationsgruppe", in der ein paar hundert Leute drin sind – und da war der Tenor, dass die auf jeden Fall 'ne Box wollen. Ich hab' also mehr auf die Fans gehört. Was Boxen angeht, bin ich auch immer ein bisschen … (überlegt) Jetzt nicht unbedingt anti, aber Deutschrap ist schon 'ne krasse Promophase geworden. Da denk' ich mir einfach: Macht doch Musik! So ganz anti wie ein Lakmann find' ich auch zu krass, aber der Fokus sollte schon auf der Musik liegen. Deshalb war es mir auch wichtig, dass in meiner Box noch diese Battle-EP drin ist. Generell hätte ich die Box auch für 50 verkaufen können – wir haben sie noch relativ preiswert gehalten. Wenn ich sehe, wie andere Leute eine Box für 70 Euro raushauen …
MZEE.com: Das machen dann aber auch nur Künstler mit einem sehr hohen Bekanntheitsgrad.
EstA: Ja, die können sich das natürlich erlauben, das ist ja wieder was ganz anderes. Wenn ich auf so einem Level wäre … Da darf ich mich jetzt gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen, falls ich irgendwann mal da sein sollte. (lacht) Dann würd' ich auch 'ne 70 Euro-Box raushauen. Im Endeffekt hab' ich aber schon geguckt, dass sich die Kosten für die Box in Grenzen halten, ich will da niemanden abziehen. Mir ist einfach wichtig, dass die Leute das Album hören und feiern.
MZEE.com: Was Kritik angeht, bekommt man in der Rapszene generell viel ab – du hast das unter anderem auch durch Reviews zum letzten Album oder deine früheren Battles erlebt. Aber wieso ist es im Deutschrap so schwer, seinen musikalischen Stil zu ändern, ohne oftmals viel Kritik zu ernten?
EstA: Das ist 'ne gute Frage. Aber dieses Antisein, Hatekommentare-Verfassen und Sich-im-Internet-Aufspielen – ich finde es schade, dass das mittlerweile so eng zu deutschem Rap gehört. Du musst auch mal gucken, welche Seiten am krassesten funktionieren – das ist dann eben Rapupdate. Das ist halt die BILD-Zeitung des Raps. Respekt an die Jungs, die machen 'ne krasse Arbeit – die Leute wollen halt diesen Beef und Hate. Ich find's einfach ein bisschen schade, dass das so überhand nimmt. Es gibt so krasse Künstler, die nur die Hälfte der Aufmerksamkeit eines Money Boys bekommen. Ich hoffe, das wird sich noch mal ändern und die wirklichen Künstler setzen sich durch, aber mal schauen.
MZEE.com: Wenn du deinen Stil noch mal ändern wollen würdest – wie würdest du das anstellen? Nehmen wir mal an, du würdest jetzt ein Rockalbum machen …
EstA: Da bin ich ganz ehrlich: Wenn ich jetzt noch mal ein Album wie "EstAtainment" rausbringen würde, nachdem ich zwei Jahre lang nichts gemacht hab' … Ich würde gar nichts verkaufen. Da hab' ich, glaube ich, so eine gute Selbsteinschätzung, das sagen zu können. Damals war der Hype noch da, die Leute haben nicht damit gerechnet, haben sich die Singles angehört und das Album gekauft. Jetzt wäre das wieder was ganz anderes. Ich persönlich finde, dass "BestA" einfach von der Musik, den Inhalten und der Produktion her überzeugt. Das nächste Album, das ich machen werde, wird sicher nicht noch so ein "EstAtainment"-softes Sommeralbum. Es wird schon in dem Stil bleiben und Mucke mit Eiern sein.
MZEE.com: Zum Abschluss darfst du uns jetzt noch sagen, was dich in der deutschen Rapszene im letzten Jahr am meisten überrascht hat.
EstA: Dieses Ding von Casper & MontanaMax. Wie hieß das noch mal?
MZEE.com: Gloomy Boyz.
EstA: Genau. Das hat mich überrascht. Ich mein' – das kannst du ja machen. Trap ist auch im Kommen und die Leute haben einigen Erfolg damit, aber: Warum so spät? Und mich würde mal interessieren, ob die das gemacht haben, weil sie wirklich Bock drauf hatten oder ob das eher nach dem Motto „Wir machen jetzt Trap und nehmen das auch noch mit“ war.
MZEE.com: Soweit ich weiß, ist Casper auf jeden Fall Fan davon. Er war ja zum Beispiel auch auf dem LGoony-Tape vertreten.
EstA: Ja. Das ist total crazy. Das hat mich vielleicht nicht unbedingt überrascht, aber auf jeden Fall irritiert. Ansonsten … Was überrascht denn heute noch? Diese Promobeefs überraschen ja niemanden mehr, das ist immer das Gleiche. Wenn du was verkaufen möchtest, musst du einen Disstrack machen.
MZEE.com: Die letzten Worte gehören natürlich dir.
EstA: Erst mal vielen Dank an euch für das Interview! Und ja … Am 12. Februar kommt das Album, die Releaseparty wird in der Garage in Saarbrücken stattfinden. Hört euch das Album an – ihr müsst's nicht kaufen, hört's euch einfach an und wenn ihr es geil findet, kauft und supportet mich. Ich wünsch' euch was, Ihr seid die Geilsten!
(Pascal Ambros & Fabian Thomas)