Diese Stadt hat 1000 Straßen.
Und alle langzulaufen, kann ich kaum erwarten …
Je mehr Zeit zwischen zwei Releases vergeht, desto schwerer kann für den Künstler der Anschluss an die alten Erfolge oder den alten Stil sein. Nicht nur, weil man allmählich in Vergessenheit geraten könnte: Die Szene selbst verändert sich ebenfalls. Natürlich arbeiten auch Rapper mit regelmäßigen Releases nicht alle so verbissen an ihrer Diskografie, dass in einem Jahr gleich drei Alben veröffentlicht werden, doch wenn zwischen der letzten und der aktuellen EP ganze elf Jahre liegen, ist das schon etwas Besonderes.
Zwischen MaRio Grandes letzter und der neuen EP liegt über eine Dekade. Und auch wenn es in der Zwischenzeit einige Live-Auftritte gab, so liegt die Vermutung doch nahe, dass viele Rapfans noch nie von ihm gehört haben. Die "1000 Straßen EP" könnte also durchaus als ein Debüt angesehen werden, mit dem der Ruhrpotter sich einem völlig neuen Publikum präsentieren muss. Statt eines lautstarken Comebacks zeigt sich das Werk aber eher verhalten und leise. Schummrige Beats wabern über MaRios ruhige Stimme und überdecken diese teilweise sogar. Vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass die Texte auf der "1000 Straßen EP" irgendwie nichtssagend anmuten. Wer nicht konzentriert zuhört, an dem rauschen die Worte MaRios einfach vorbei. Hängen bleibt stattdessen der Gesamteindruck eines homogenen, jazzigen Klangteppichs, der eher darauf ausgelegt scheint, eine Emotion anstatt Inhalt zu vermitteln, dies jedoch immerhin mit einem ansehnlichen, oldschooligen Flow tut. So sammelt der Rapper etwa auf dem Titeltrack viele poetische Bilder, um von seinen "1000 Straßen" flowlich gekonnt zu erzählen, die beabsichtigte gesellschaftskritische Aussage dahinter bleibt jedoch auf der Strecke. Klanglich sehr schön, vermisst man letztlich aber doch irgendwie etwas textlich Handfestes.
Mit seiner neuen EP beschenkt MaRio Grande alte wie neue Fans mit einem kleinen atmosphärischen Werk, das zum entspannten Nebenbeihören durchaus geeignet ist. Für ein nächstes Release sei ihm dennoch der Fokus auf den Inhalt nahegelegt – und der Rat, nicht erneut elf Jahre damit zu warten.
(Daniel Fersch)