Das Problem: Bei den Hilfen werden wegbrechende Honorare und Gagen überhaupt nicht berücksichtigt, sondern nur Betriebsausgaben – die die meisten gar nicht haben. Gleich mehrere Verbände schlagen inzwischen Alarm und fordern vehement Nachbesserungen. Die Wut auf die Politik wächst.
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„Die meisten, die ich kenne, fallen durchs Raster“, berichtet ein Musiker der Internetzeitung Mainz&, der Mann ist seit knapp zehn Jahren Bassist, spielt in großen Popbands der Republik. 60 bis 70 Konzerte spielt er im Jahr, rund 12.000 Euro hat er schon jetzt durch die Absage von Konzerte und Tourneen verloren, erzählt er – doch die Soforthilfe des Bundes, sie erreicht ihn nicht und viele seiner Kollegen nicht: Die meisten Anträge aus seinem Umfeld würden abgelehnt, berichtet der Mann.
Der Grund: Die Soforthilfe darf nur und ausschließlich für betriebliche Ausgaben verwendet werden, also für Sachkosten, Mieten, Leasingraten und Kredite. Doch genau solche Betriebsausgaben haben die meisten Freiberufler und Solo-Selbständigen überhaupt nicht oder nur in geringem Ausmaß. Die meisten haben kein eigenes Büro gemietet, nutzen ihren Privatwagen für die Fahrt zur Arbeit, besitzen Laptop und Arbeitsinstrumente, die aber gekauft und in den wenigsten Fällen geleast sind. Ob Musiker, Schauspieler oder Promoter, Vertreter, Dolmetscher oder Tontechniker – die meisten Freiberufler arbeiten vom heimischen Wohnzimmer aus und fahren zu ihren Terminen, das war’s. Bezahlt werden sie aber nur, wenn sie arbeiten, Verträge mit Absicherung oder Lohnfortzahlungen gibt es in aller Regel nicht.
„Eine freiberuflich tätige Künstlerin oder ein Freiberufler hat in aller Regel weder ein Ladengeschäft oder Büroräume angemietet, noch ein Firmenfahrzeug geleast“, sagt auch der hessische Verdi-Chef Volker Koehnen – damit schlössen die Soforthilfen den Kreis von Solo-Selbstständigen im Haupterwerb aus der Förderung faktisch aus. Denn bei dem Programm wurden ausgerechnet Zuschüsse zum Lebensunterhalt oder Entschädigungen für Verdienstausfall ausgeschlossen. „Gerade das wäre aber nun notwendig“, betonte Koehnen – die Soforthilfen würden „deshalb in der Realität ins Leere laufen.“
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Rheinland-Pfalz bietet hingegen als Zuschuss nur die Bundeshilfen und als eigene Landeshilfe lediglich einen Kredit in Höhe von 10.000 Euro an. Die Kreditvergaben laufen aber über die Hausbanken – und die sperren sich derzeit erheblich gegen jedwede Kreditvergabe. „Die Kriterien für Kredite sind heute die gleichen wie vor der Krise, und zwar für die gesamte Summe“, warnte am Donnerstagabend der Unternehmensberater Walter Kohl in der ZDF-Talkshow „Lanz“. Damit müssten die Unternehmen, die jetzt Kredite beantragten, die gleiche Liquidität und positive Geschäftsentwicklung nachweisen, wie vor der Krise, sagte Kohl, das könne derzeit aber kein Mittelständler. Das Ergebnis: „Die werden keine Kredite bekommen“, warnte Kohl, „es wird zu einem Ausverkauf des Mittelstandes kommen.“
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Doch das sieht das Land Rheinland-Pfalz anders: „Die Kulturschaffenden in Rheinland-Pfalz sind selbstverständlich bei den neu geschaffenen wirtschaftlichen Hilfen mitbedacht worden“ und erhielten „eine umfassende Unterstützung“, unterstrichen Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Kulturminister Konrad Wolf (beide SPD) am Freitag just noch einmal: „Wir haben die spezifischen Bedürfnisse der Kulturschaffenden im Blick.“ Die bestehenden Regelungen „sichern ihren Lebensunterhalt, ihre Wohnung sowie ihre Betriebsräume wie Ateliers, Werkstätten und Proberäume, sie stärken ihre Liquidität und unterstützen sie bei der Zahlung ihrer laufenden Betriebskosten.“
„Die Hilfen orientieren sich in keinerlei Weise am tatsächlich vorhandenen Lebensumfeld“, berichten hingegen Freiberufler, die versuchten, Anträge zu stellen: Krankenversicherung oder private Rentenversicherung, der private Stromverbrauch oder die Heizkosten, selbst der Internetanschluss kann als Betriebskosten nicht voll geltend gemacht werden – die private Miete ebenfalls nicht.
Das Land verweist dafür auf die Arbeitsagenturen: Für Hilfen zum Lebensunterhalt könne man die Grundsicherung beantragen, „die coronabedingten Leistungen gehen deutlich über die normalerweise im Rahmen der Grundsicherung gewährten Leistungen hinaus und sind deshalb nicht mit der üblichen Grundsicherung gleichzusetzen“, betonte Dreyer explizit.
Doch das erleben Betroffene anders: „Wir kommen gar nicht in den Hartz IV-Satz rein, denn das Gehalt meiner Frau wird voll angerechnet“, berichtete ein Freiberufler. Und das Gehalt der Frau sei für die Arbeitsagentur viel zu hoch – trotz Kurzarbeit. Und auch im Hartz IV-Satz werden weder Stromkosten noch Internet berücksichtigt, Sozialverbände kritisieren das seit Jahren. All diese Kosten laufen aber ja weiter – wovon die Freiberufler und kleinen Selbstständigen sie decken sollen – sie wissen es nicht.