Das ist nicht nur Flucht, das ist das Streben und Können.
Über den Tellerrand das Besteck verwenden, das Leben entdecken.
Wie wichtig ist es für die Wirkung eines Werks, jedes Detail exakt erfassen zu können? Kann das Unverständnis gegenüber individuellen Aspekten zu einer generellen Fehlinterpretation führen? Steht das große Ganze über der Einzelaussage? Ist es für das Verstehen von "Assonanz Radau" relevant zu wissen, warum Lea-Won nun unter dem Namen LW84 aktiv ist?
Anhören kann man sich das neue Werk des Münchner Rappers in jedem Fall auch so. Die EP besteht aus vier Anspielstationen, die durchaus noch mit der Kunst Lea-Wons in Verbindung gebracht werden können. Neben den teils etwas experimentellen Beats hat sich vor allem an der Art, wie LW84 seine Inhalte vermittelt, wenig geändert. So baut der Rapper innerhalb seiner Texte viele kleine Bilder auf, die an und für sich manchmal recht abstrakt wirken, im Kontext des Gesamtwerks aber ihren Sinn entfalten. Der Grundtonus bleibt dennoch klar: Entfremdung und die Suche nach einer Heimat stehen im Vordergrund. Mal heißt LW84 Flüchtlinge und Migranten "Willkommen", mal distanziert er sich von der westlichen Welt, so wie fragwürdige Gruppen erwarten, dass sich muslimische Mitbürger von weltweitem, islamistischen Terror distanzieren sollen. Instrumental sieht sich der Hörer mit einzelnen Versatzstücken konfrontiert, die, mal leicht trennbar, mal eng verdichtet, ein energetisches Klangbild aus Synthiesounds, Akkordeonklängen und kräftigen Drums ergeben. Wo jeder Track für sich selbst schon durch Aussagekraft und Soundästhetik besticht, gibt das Geflecht aus eingespielten oder gesampelten Tönen, die der Rapper mit seiner Stimme problemlos zu dominieren weiß, der EP noch einmal den letzten Schliff.
LWs Stärke ist der Mittelweg zwischen dem Klarstellen der eigenen Aussage und der Bereitschaft, dem Hörer genug Spielraum für persönliche Interpretationen zu lassen. Er mag zwar nicht jedermanns Geschmack treffen, bietet in seiner Musik aber jedem die Möglichkeit, sich darauf einlassen zu können. Und so gilt für "Assonanz Radau" das Gleiche wie für die Umbenennung des Rappers: Das Nachvollziehen einzelner Schritte spielt nicht zwangsläufig eine Rolle, solange man Gefallen am Gesamtwerk finden kann.
(Daniel Fersch)