Um Dark Souls zu begreifen, muss man sich zunächst von einer Vorstellung trennen: dem Schwierigkeitsgrad. In Dark Souls geht es nicht um den Schwierigkeitsgrad. Wer Dark Souls auf seinen Schwierigkeitsgrad reduziert, hat nichts begriffen. In Dark Souls geht es um geniales Leveldesign, perfekte Spielmechanik, eine rätselhaft verwunschene Welt voller Geheimnisse und ein außergewöhnliches Story-Telling. Es geht um pures Gameplay, ohne den üblichen Firlefanz, der lediglich verwässernd wirkt und davon ablenkt. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei lediglich ein nötiger Nebeneffekt, ein Abfallprodukt, um den anderen Bestandteilen des Spiels eine Bedeutung zu geben.
Denn das ist es, worum es in Dark Souls eigentlich geht: Bedeutung. Dieser Welt eine Bedeutung abzutrotzen, und euren Taten und Entscheidungen eine Bedeutung zu verleihen. Und das in jeder einzelnen Sekunde.
Dark Souls verlangt in jeder einzelnen Sekunde eine Entscheidung von dir, die das Spiel beeinflussen wird. Aber keine Mass-Effect-"Ich hau dir eine rein oder knutsch dich ab"-Entscheidung. Es stellt dich und deine Persönlichkeit auf die Probe. Es will dich verführen, verlocken, gierig und nachlässig machen. Greife ich an? Oder gehe ich auf Nummer sicher, weiche aus, hebe den Schild, versuche mich zu regenerieren? Egal, welche Entscheidung ihr trefft, das Spiel sagt euch sofort, ob sie falsch oder richtig war. War sie richtig, werdet ihr belohnt, war sie falsch, werdet ihr bestraft, und das wird wehtun. Nur dafür gibt es den Schwierigkeitsgrad von Dark Souls. Dark Souls ist nicht wirklich schwer, es lässt euch lediglich die Konsequenzen eurer Fehler spüren. Es steht euch nicht bloß im Weg herum, es schlägt auch mal zurück. Denn anders ist es nicht möglich zu lernen, sich anzupassen und zu verbessern.
Denn darum geht es in Dark Souls: beobachten, lernen, anpassen. Dark Souls ist ein durch und durch asymmetrisches Spiel - es lebt von dem Ungleichgewicht zwischen Spiel und Spieler. Das Spiel ist immer größer und stärker als ich. Doch es ist fair und trägt sein Herz auf der Zunge: Es zeigt mir immer ganz genau, was es macht. Und es passt sich eben nicht an, es geht immer gleich vor. Das wiederum ist mein Vorteil als Spieler: Im Gegensatz zum Spiel bin ich in der Lage, mich anzupassen, meine Vorgehensweise zu ändern, meine Taktik zu ändern, meine Ausrüstung zu ändern. Ich beobachte, was es macht, probiere aus, mache Fehler, werde bestraft, lerne dazu, passe mich an. Bis ich gut genug bin, es zu schlagen. Dark Souls ist kein Spiel wie Super Meat Boy, in dem ich im richtigen Augenblick die richtige Taste drücken muss, sondern eines, in dem ich im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung treffen muss - und die kann je nach Spieler, Spielstil und Situation völlig unterschiedlich sein. Im Gegensatz zu all den belohnenden Spielen von heute funktioniert Dark Souls wie das wirkliche Leben: wahrnehmen, lernen und Gelerntes anwenden - das sind die Grundfunktionen der modernen Verhaltenspsychologie.
Was will ich nun mit all dem sagen? Ich hoffe, dass Dark-Souls-Fans sich ein bisschen in dem wiederfinden können, was ich beschreibe. Und dass zumindest ein paar Dark-Souls-Hasser so weit lesen, um neugierig zu werden, dem Spiel eine zweite Chance zu geben. Doch dann macht nicht den gleichen Fehler wie ich: Werft nicht nach sechs bis zehn Stunden schon genervt das Handtuch. Dark Souls braucht eine Menge Zeit zum Warmwerden. Es kann durchaus seine zehn, zwanzig, möglicherweise gar dreißig Stunden dauern, bis es einen packt. Das klingt nach einer lächerlich langen Zeit, ich weiß. Doch sie lohnt sich, glaubt mir. Im Rückblick werdet ihr selbst die frustrierende Anfangszeit in einem anderen Licht betrachten.
Ich kenne viele Spieler, die wie ich nach zehn Stunden aufgaben und Dark Souls nicht mögen. Aber ich kenne niemanden, der es durchgespielt hat und danach nicht der Meinung war, es sei das beste Spiel, das er je gespielt hat, oder er habe gar das Gefühl, er wolle nie wieder etwas anderes spielen.