Halten wir fest: Wir spekulieren beide, da unsere einzige Quelle der Artikel ist. Darüber hinaus vermittelst du (wenigstens) den Eindruck dich intensiver mit Rechtswissenschaft auseinandergesetzt zu haben. Habe ich persönlich außer in gewissen Bezug auf Völkerrecht nicht.
Und den Unterschied zwischen
a) spekulieren, indem man den vorhandenen Sachverhalt beliebig weiterspinnt und das Denkergebnis in seine Meinungsbildung einbezieht
und
b) spekulieren, indem man nur den vorhandenen Sachverhalt bemüht und darüber hinaus gehende Unterstellungen (seien sie nun naheliegend oder nicht) mangels hinreichender Belege nicht berücksichtigt bzw. als unzutreffend unterstellt
willst Du ernsthaft nicht erkennen?
Dafür muss man sich nicht mit Rechtswissenschaft auseinandersetzen, es reicht - sofern vorhanden - seinen gesunden Menschenverstand zu bemühen. Du sagst es selbst: Unsere einzige Quelle ist der Artikel.
In dem Artikel steht weder, dass die Zeugin unter Druck gesetzt wurde, dass die Versöhnung fake ist, dass der Vater gewalttätig gegenüber der Zeugin ist, dass der Vater gewalttätig gegenüber der Mutter ist oder dass den Täter die Bewährungsstrafe nicht interessiert oder beeindruckt.
All das entspringt erstmal nur deiner Phantasie und ist wahrscheinlich einer gewissen Überheblichkeit geschuldet, die dich denken lässt, eine halbe Seite schlecht geschriebener Zeitungstext in Verbindung mit deiner Nachbereichsempirie würde dich in die Lage versetzen, ein psychologisches und soziologisches Profil über einen Menschen erstellen zu können.
Fakt ist aber: Du empörst dich im Endeffekt in erster Linie über deine eigene Phantasie.
Ich persönlich sehe Strafe nicht nur als ein Mittel, um mittelfristig das Verhalten eines Täters zu ändern, sondern sie sollte beispielsweise auch eine abschreckende Dimension enthalten. Für mich und wahrscheinlich für ein Großteil der Bevölkerung ist die Rechnung "Schwester verprügelt" vs "1 Jahre Bewährung + mickrige Geldstrafe + Anti-Aggressionstraining" nicht gegeben.
Mit Strafzwecktheorien werde ich hier jetzt nicht anfangen, das sprengt den Rahmen. Dass Abschreckung durch Strafe aber ein Modell ist, dass eher mäßig funktioniert, dürfte dir der Umstand zeigen, dass bspw. auch in Ländern mit der Todesstrafe keine geringe Kapitalverbrechensrate vorhanden ist.
Wenn Du eine Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung für das mehrmalige Schlagen und Schubsen der Schwester (und die Vorstrafe beziehst du ja nicht einmal ein) als zu milde ansiehst dann mach auch mal einen Vorschlag, wie mit den 33349834 Beteiligten an Schlägereien jedes Wochenende verfahren werden soll? Sollen wir Land von Nachbarstaaten pachten, damit wir Platz für die ganzen Gefängnisse, die wir bei dir noch bauen müssten, um alle unterzubringen, haben?
Darüber hinaus finde ich es lächerlich, dass du mir Xenophobie vorwirfst. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung nutzt, ist höher, wenn ihm dieses in seinem Elternhaus vorgelebt worden ist. Und häusliche Gewalt kommt beispielsweise in Familien mit türkischem Migrationshintergrund öfter vor als in deutschen Familien.
Die Wahrscheinlichkeit ist höher. Kommt öfter vor.
Dass eine Wahrscheinlichkeit höher ist (aber noch immer weit entfernt von Gewissheit), führt für dich also dazu, dass Du etwas als Fakt annimmst? Lass dir das doch selbst mal auf der Zunge zergehen. Merkst du es wirklich nicht?
Im Text ist übrigens noch beschrieben, dass das Opfer selber keine Anzeige erstattet hat. Wenn es also schon in dem Moment nach der Tat den Bruder nicht anzeigen kann. Wird sie dann in der Verhandlung ihrem Bruder widersprechen, wenn er erzählt, dass die Sache geklärt ist? Natürlich nicht.
Die Möglichkeit, dass man sich tatsächlich innerhalb der Familie ernsthaft und ohne Druck versöhnt, steht für dich gar nicht erst zur Debatte? Ist deine Familie so zerüttet? Wenn Du einen älteren Bruder hättest und ihr streitet euch - wie das unter Geschwistern ja manchmal so ist - und irgendwann tickt er mal aus und haut dir aufs Maul. Dann würdest Du zur Polizei gehen und deinen Bruder anzeigen, anstatt den Konflikt erstmal mit ihm selbst zu regeln? Und du würdest ihm nicht verzeihen und ihm seine Reue nicht abnehmen?
Natürlich nicht. Ok.
By the Way das Tugce Urteil finde ich relativ fair.
Das freut mich.