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Maeckes – KIDS

Egal, ob Album, Gratis-​Mixtape oder Lieb­lings­song – in unse­rer "Plat­ten­kis­te" stel­len wir Euch regel­mä­ßig die Per­len unse­rer redak­ti­ons­in­ter­nen Samm­lun­gen vor. Die­ses Mal: Mae­ckes mit "KIDS"

"Was?! Du kennst das nicht? Sekun­de, ich such' dir das mal raus." Und schon öff­net sich die Plat­ten­kis­te. Wer kennt die­sen Moment nicht? Man redet über Musik und auf ein­mal fällt ein Name – egal ob von einem Song, einem Künst­ler oder einem Album – mit dem man nicht so recht etwas anzu­fan­gen weiß. Und plötz­lich hagelt es Lob­prei­sun­gen, Hass­ti­ra­den oder Anek­do­ten. Gera­de dann, wenn der Gesprächs­part­ner ins Schwär­men ver­fällt und offen zeigt, dass ihm das The­ma wich­tig ist, bit­tet man nicht all­zu sel­ten um eine Kost­pro­be. Die Musik setzt ein und es beginnt, was der Per­son so sehr am Her­zen zu lie­gen scheint. In die­sem Fall – was uns so sehr am Her­zen liegt: Ein Aus­zug aus der Musik, mit der wir etwas ver­bin­den, die wir fei­ern, die uns berührt. Ein Griff in unse­re Plat­ten­kis­te eben.

 

Als 2010 "KIDS" ver­öf­fent­licht wur­de, stand mein Leben kurz vor einem per­sön­li­chen Wen­de­punkt: dem Beginn mei­nes Stu­di­ums. Mit die­sem Umbruch gin­gen Ängs­te und Unsi­cher­hei­ten ein­her. Gefüh­le, von denen man als jun­ger Mensch denkt, dass man sie spä­ter im Leben bes­ser hand­ha­ben kann. Mae­ckes' Debüt­al­bum offen­bart jedoch mit sei­ner dekon­stru­ie­ren­den Her­an­ge­hens­wei­se, dass Kind­heit und Erwach­sen­sein mehr gemein­sam haben, als man sich oft­mals ein­ge­ste­hen möchte.

Auf "KIDS" geht es – wie der Name bereits ver­mu­ten lässt – pri­mär ums Kind­sein. Damit ver­bun­de­ne The­men wie Rein­heit und Unschuld, der unver­fälsch­te Blick auf die Welt mit ihren Mög­lich­kei­ten, die Her­an­wach­sen­de in Bezug auf ihr bevor­ste­hen­des Leben haben, wer­den hier ange­spro­chen. Im Kon­trast zum Album­ti­tel ste­hen Mae­ckes' kom­ple­xe, abs­trak­te Aus­sa­gen, Ver­glei­che und Bil­der. Der Rap­per und Pro­du­zent scheint in jedem Kind auch einen Erwach­se­nen zu sehen. Da wer­den Kids zu Trin­kern und zyni­schen Skep­ti­kern, etwa auf "Betrun­ke­ne Kin­der" oder "4 Uhr Nachts". Im Gegen­zug ver­hal­ten sich Erwach­se­ne wie ver­spiel­te Kinds­köp­fe, die kei­ner­lei Ver­ant­wor­tung für das eige­ne Han­deln über­neh­men wol­len, denn "kin­disch ist das neue Cool". Auf "KIDS" pas­siert fern­ab jeg­li­chen Schwarz-​Weiß-​Denkens so viel, das mich zum Nach­den­ken anregt, dass ich nicht umhin­kom­me, den ein oder ande­ren fest­ge­fah­re­nen Gedan­ken­gang in mei­nem Kopf zu hin­ter­fra­gen. Dabei besitzt das Album einen musi­ka­li­schen Rah­men, der es trotz sei­ner schwer fass­ba­ren Inhal­te sehr gut zugäng­lich macht. Hier trifft Hip­Hop auf Pop, Elec­tro­ni­ca und vie­les mehr, um gemein­sam zu einem Sound zu ver­schmel­zen, der berührt und Spaß macht.

Im Rück­blick hat mir das Album sicher­lich dabei gehol­fen, nicht am Erwach­sen­wer­den zu ver­zwei­feln. Denn was bedeu­tet es schon, Kind oder erwach­sen zu sein? Das lässt sich so ein­fach nicht sagen. Dass es sich bei "KIDS" um ein viel zu wenig beach­te­tes, groß­ar­ti­ges Album han­delt, aber sehr wohl.

(Stef­fen Bauer)