Die Theorie wird in der Szene seit langem diskutiert. Doch nach Meinung der Berliner Gruppe »Reclaim Society« (RS) ist die Debatte bisher ohne Folgen geblieben. »Die Antira-Szene besteht aus Leuten, die nicht hören wollen, dass sie als Weiße von Rassismus profitieren«, sagt Emma, eine Vertreterin von RS. »Weiße Typen« gäben den Ton an, Redebeiträge von anderen würden nicht ernst genommen. Auf rassistische Übergriffe reagiere die Szene genauso wie die deutsche Justiz. »Es gibt durchweg Täterschutz«, sagt Emma. Die Weißen müssten sich mit dem eigenen »Weißsein« kritisch auseinandersetzen, um zu »verlässlichen Verbündeten« der »People of Color« (PoC) zu werden, sagt Emma. PoC ist laut RS eine »politische Selbstbezeichnung, die alle annehmen können, die negativ von Rassismus betroffen« sind. Die Rolle der Weißen sei es, den PoC »erstmal nur zuzuhören«, sagt sie. Und wenn ein PoC entscheide, dass die »radikale Politik, die gerade gefragt ist, darin besteht, zehn Kuchen für eine Soli-Aktion zu backen, dann ist das die Politik der verlässlichen Verbündeten«.
Meist geht es den Vertretern der CW jedoch weniger um Kuchen als darum, alles zu bekämpfen, was von ihnen als »gewaltvoll« eingestuft wird. So versuchten Mitglieder von RS im Juli, die Ausstellung »Tatort Stadion« des »Bündnisses aktiver Fußballfans« im Künstlerhaus Bethanien in Berlin zu schließen. Die in fast 200 Städten gezeigte Wanderausstellung dokumentiert Rassismus, Antisemitismus und Sexismus im Fußball. Für RS waren die Schautafeln jedoch eine »Re_Produktion ›weißer‹ Vorherrschaft und Gewalt«.
Weiße Träger von Dreadlocks fordert RS auf, diese abzuschneiden. Es handele sich um »kulturellen Kannibalismus«, ebenso wie etwa beim Tragen der palästinensischen Kufiya. »Es tut weh, wenn Weiße, die uns täglich wehtun, sich die Symbole unserer radikalen Kämpfe aneignen«, sagt Emma.