Der Name "
Aus Liebe zum Spiel" wurde schon kurz nach dem Mixtape-Debut
angekündigt, doch es sollten noch einen Label-Wechsel, ein weiteres Tape,
Beef mit
Massiv (inklusive Disstrack mit starkem
Snaga-Part), ein paar Schüsse gegen
Savas und einige
Verschiebungen des Release-Termins geben, bis das Teil Mitte 2007 endlich in den Läden stand.
Kommerziell hatte man sich vermutlich mehr erhofft als
Platz 38 in den Charts, zumal auch zwei Videos gedrehet wurden, zu "
R.u.h.r.p.o.t.t." und "
Einen Tag", wobei letzteres auch nach etwas größerem Aufwand aussieht (bei den Dreharbeiten löste sich eine Säge, mit der für Funken gesorgt werden sollte, und ging nur knapp an einem Mitarbeiter vorbei). Ich denke, man kann das ganze aber schon als
Achtungserfolg werten - in einer Zeit, in der außer von den Großen Namen kaum Platten verkauft wurden und außer
Bushido keiner mit dem Model "etablierter
Rapper gründet eigenes Label" Erfolg hatte. So ist "
Aus Liebe zum Spiel" auch eines von
nur zwei Deluxe Records Releases ohne
Samy Deluxe als Protagonisten, das überhaupt charten konnte (das andere war das
Illo-Album, das kurz danach kam und auf der 97 landete). Anfang 2008
beendeten S+P dann die Zusammenarbeit mit
Samy, bevor der das Label 2009 einstampfte.
In Interviews kündigten
Pillath und
Snaga an, das Album sei
erwachsener, ausgereifter und persönlicher als ihre vorherigen Platten. Albernheiten, absurde Hyperbeln und
Verrücktheiten wurden drastisch zurückgefahren, über weite Strecken des Albums herrschen
Pathos, Drama und die ganz
großen Emotionen. So war dann auch die erste Single, "
R.u.h.r.p.o.t.t." (mit
Manuellsen in der Hook), kein Battlerap-Representer, sondern eine
lokalpatriotische Hymne für das Ruhrgebiet, voller Inbrunst und
Tagebau-Romantik.
Der
Beat war eine der ersten größeren Nummern von
Gee-Futuristic (auf der damalgen
Juice war auch noch das von ihm produzierte "
Marschmusik 2"). Weitere
Instrumentals stammen von Matbeatz, 2x
Brisk Fingaz, Paul NZA, Samy Deluxe, 2x
Joshimixu, 2x
Monroe, Joe Rilla, DiscoPolo, Don Tone, 2x
DJ Katch und
Necrow mit seinem
letzten Stück für die beiden (der Track mit
Cassandra Steen stammt aber noch aus der
3P-Zeit). Die meisten Instrumentals sind
laut, scheppernd und vollgepackt und sorgen zusammen mit den meist
aggressiv vorgetragenen Parts (
Snaga geht teilweise schon in Richtung brüllen) für Breitband-Sound. Vermehrt tauchen auch rockige Sounds mit auf. Bis auf
Joe Rilla (wieder diese Deutschrap-Saw-Synths) und
DiscoPolo (wildes Durcheinander)
überzeugen mich die Beats, aber wirklich begeistern kann ich mich nur für "
Bruder" von
Brisk Fingaz, "
Bis wir gehen" von
Monroe, "
Einen Tag" von
Katch und die untypische
Necrow-Nummer.
Inhaltlich gibt es neben den Punchline-Dingern wieder ein paar
Straßen-Tracks,
Pillath liefert zwei Solo-Tracks mit
Storytelling ab (wobei die Themen - Junkie-Freund, Amoklauf - nicht gerade innovativ sind aber schon solide umgesetzt wurden) und es sind erstmals auch
persönliche Stücke am Start. Überraschenderweise sind es eher die Punchline/
Representer-Nummern, die
nicht 100%ig überzeugen wollen. Wie gesagt wurde auf die Übertreibungen von riesigen Anwesen und im Maybach cruisen weitestgehend verzichtet, nun schimmern auch hier des Öfteren die
ernsteren Straßen-Vibes durch. Die meisten Punchlines drehen sich ums Fressen polieren und harte Sexpraktiken, wobei man öfters das Gefühl hat, das von den beiden
schonmal besser gehört zu haben ("Ihr kracht ein wie ein Laubendach", "Und das ist sowas wie ne harte Warnung/ Pillaths Rap macht "Aua Aua" wie ne Arschenthaarung"/). Den Eindruck hat man
auch sonst immer mal wieder. Ja, das gitarrenlastige "
Intro" geht schon nach vorn - aber das "
Intro" auf ihrem Debut-Tape war
epischer. Ja, "
Wer will was von wem" ist ein stabiler Track über das Trife-Life in den Gassen und Gossen des Potts (natürlich abgesehen vom
Decino-Part) - aber "
Wir gegen den Rest der Welt" hat das ganze
krasser rübergebracht.
Es gibt jede Menge "
Kopf hoch, Bruder, bleib stark"-Phrasen, die auch ein
Azad nicht rührender bringen könnte - aber so
wirklich funktioniert das mit den
Emotionen nur, wenn sie konkreter und
persönlicher werden; v.a. auf der zweiten Single "
Einen Tag", wo sie sterben und ihre Sünden ("dein Patenkind kennt nicht deinen Namen/ ...in 365 Tagen warst du dreimal da/") beichtend um einen letzten Tag unter den Lebenden bitten. Klar, das ganze ist schon
sehr theatralisch, aber wenn
Snaga mit schmerzverzerrter Stimme von seiner schwierigen Beziehung zu seinem Vater und vom Umgang mit dem Krebstod seiner Jugendliebe rappt, dann ist das schon einer
starker Album-Moment. In die
gleiche Richtung geht "
Keine Zweifel": "Ich bin nicht blöd nur weil ich Boxer werden wollte/ weil ich niemals ein Punk, eine Schmarotzer werden wollte/ weil ich ein Großer werden wollte/ und nicht wie mein Onkel im Zimmer nebenan als Drogenopfer sterben wollte/". Auch in "
Snaga Situation 7" geht es diesmal eher
gefühlsbetont zur Sache, aus heutiger Sicht interessant sind die Zeilen "Und ja ich lieg nachts wach mit Panik im Nacken/ hab Panikattacken/ ...die Panik endlich meine Chance gehabt zu haben und es dann nicht zu packen/". Am Ende des Tracks
krönt er sich zum neuen King - womit er sich im Deutschrap-Jahr 2007
nicht allzuweit aus dem Fenster lehnte. Es ist wirklich schade, dass sich sein Talent nie in einem entsprechenden Status manifestierte.
Im Chorus von "
Keine Zweifel" stellt die fantastische
Cassandra Steen die zahlreichen
Braheem-Einlagen
in den Schatten (lel), weitere
Features stammen von ihrem Labelboss und
Manuellsen,
Illmatic sowie
Sido auf dem ersten Teil von "
Asozialen Lifestyle" (der im Gegensatz zur Fortsetzung noch ein gewohnter
S+P Ansagen-Song ist). Dabei zeigt sich weder nach Oben noch nach Unten ein Ausreißer. Ferner gibt es am Ende noch einen
Ruhrpott Posse-Cut mit
Kee-Rush, Adel, Veysel, den
45ers,
KC Rebel und
PA Sports (damals noch zusammen als
SAW unterwegs),
Fard und
MoneyMo. Untypisch für einen Track mit so vielen Rappern ist dabei, dass alle nicht nur einen 8er oder 12er kicken, sondern
richtig lange Parts, wobei die meisten einen
ganz guten Eindruck hinterlassen. Leider ist der Beat für einen so langen Song etwas zu monoton.
Hits: Keine Zweifel, Einen Tag, Snaga Situation 7, Bruder, Bis wir gehen
Flops: SP, Die Zeit ist gekommen
Fazit: "Aus Liebe zum Spiel" ist nicht der ganz große Wurf, den man sich erhofft hatte. Man hat das Gefühl, dass ein wenig die Lockerheit gefehlt hat, dass man ein wenig zu verkrampft versucht hat, alles auf epic zu trimmen. Vom verrückten "Ami-Rap auf Deutsch" vom ersten Mixtape ist nichts mehr übrig - nicht nur wegen der fehlenden US-Beats. Und überraschenderweise ist gerade ihr Spezialgebiet des Sprücheklopfens hier nicht mehr auf allerhöchstem Niveau - wenn Fans ihre Lieblingslines der beiden aufzählen sollen, dürften da eher wenige von diesem Release auftauchen. Aber das ist letztlich nur meckern auf hohem Niveau, "Aus Liebe zum Spiel" ein rundes und gelungenes Debut, das vieles gut und kaum etwas wirklich falsch macht - und das eigentlich der Grundstein für eine ernsthafte Kajere im Rapgame hätte sein können. Hätte...
7.5/10