Sido - 30-11-80
VÖ: 29.11.2013
Label: Universal Music Group
Ich habe erst überlegt ob ich euch diese kleine Anekdote überhaupt preisgeben soll, da sie mir mittlerweile selbst etwas peinlich ist. In der Woche vor der Veröffentlichung von "30-11-80" haben sich mein Bruder und ich gegenseitig total gehyped und heiß auf das Album gemacht. Riesengroße Warnzeichen wie die Single-Auskopplungen "30-11-80" (wir haben uns sogar über die Parts von Smudo und Dr. Renz lustig gemacht) und "Einer dieser Steine" mit dem Pop-Sänger Mark Forster wurden dabei gekonnt verdrängt, der Teaser von "Hier bin ich wieder" war ja schon ganz cool. Am 29. November 2013 sind wir dann in Arbeitsklamotten bei Real vorbeigefahren und haben uns die CD wie so kleine Groupies gekauft und konnten gar nicht abwarten bis wir das Ding endlich hören konnten. Wie dieser Hype damals entstanden ist kann ich tatsächlich gar nicht mehr erklären. Nun gut. Als wir uns dann am nächsten Tag auf der Arbeit wieder gesehen haben, gab es zuerst nur beschämende Blicke und wir haben uns gefragt, was da nur in uns gefahren ist. Denn schon vor acht Jahren war dieses Album kacke.
"Hier bin ich wieder" ist das mittlerweile typische Rückblicks-Intro von Sido und ist auch heute noch ganz ordentlich, was hauptsächlich an dem pompösen Beat liegt. Klar, Sido war nie der technisch überragende Rapper, aber die Rückentwicklung was seine Reimstrukturen angeht, macht sich auf "30-11-80" schon stark bemerkbar.
"Doch heute ist mir die Scheiße meinen Einsatz nicht wert / Ich habe in der Zwischenzeit geheiratet, yeeeaaah" Gut, wenn das so ist. Obendrauf kommen die Produktionen vom Produzententeam FNSHRS. (Paul NZA, Marek Pompetzki und Cecil Remmler), die sich nach Produktionen für u.a. Stefanie Heinzmann, Culcha Candela und Miley Cyrus dem Pop-Genre immer mehr hingezogen fühlen, was hier (wahrscheinlich auch bewusst) mehr als nur deutlich wird.
Auf Tracks wie "Es war einmal" und "Papa, was machst du da" (dieses Kind, das immer "
Papa, was machst du da sagt" macht mich fertig) erzählt uns Sido wie reif er in den letzten Jahren geworden ist und entschuldigt sich für damalige Fehltritte. Das kaufe ich ihm zweifelsohne ab, doch als Fan der frühen Aggro-Tage wirkt das halt einfach nur befremdlich. Und wenn es schon soweit gekommen ist, dass unsere Eltern diesen "Rüpel-Rapper" gar nicht mehr so schlimm finden und dieses Lied "Einer dieser Steine" mit Mark Forster richtig schön finden, dann bin ich raus. Marius Müller-Westernhagen, was soll das bitteschön? "Irgendwo wartet jemand" ist schnulziger Pop-Rap, "Fühl dich frei" ist eine nichtssagende Kopf-hoch-Nummer, auf "So wie du" wird der Zeigefinger auf unangenehme Weise ausgestreckt und auf "Einer muss es machen" vergleicht Sido das Leid von Leuten die für ein paar Kröten Scheiße auf DIXI-Klos wischen müssen mit zwei Wochen in denen er alleine den Haushalt führen und auf die Kinder aufpassen muss. Ist ja fast das gleich. Aber es wird tatsächlich noch schlimmer. "Enrico" mit einem hektischen Gitarren-Beat handelt von einem kleinen Sinti-Jungen, der an Sidos Sinti-Wurzeln erinnern soll und der totale Absturz ist "Arbeit" mit Helge Schneider, den man weder ironisch noch irgendwie anders gutheißen kann. Mehr möchte ich dazu auch eigentlich nicht schreiben,
huuuuuuuuu.
Positives? Das bereits erwähnte "Hier bin ich wieder" ist ok und die Großkollaboration "30-11-80" ist trotz einiger schwacher Beiträge schon ne ganz coole Sache. "Maskerade" versucht zwar irgendwie erzwungen nach Hip Hop zu klingen, die Hook und Parts von Sido und Marsimoto sind aber durchaus stabil. Mit Genetikk konnte ich nie etwas anfangen. Wirklich gut gefällt mir lediglich "Liebe". Klar, der Song könnte ebenso unter den ganzen Negativ-Beispielen genannt werden, aber hier hat Sido einen perfekten Ohrwurm-Hit geschaffen. Nach "Bilder im Kopf" übrigens seine zweite Platin-Single.
Im JUICE-Interview vor dem Albumrelease hat Sido gesagt, dass er mit "30-11-80" beweisen wird, dass er immer noch der Beste in der Szene ist. Die Frage ist halt nur, welcher Szene er das beweisen wollte?
Anspieltipps: "Hier bin ich wieder", "Liebe"