Großes Kino (1999)
"Großes Kino" habe ich als Kind auf Kassette überspielt bekommen, es war neben "Bambule" und "Gefährliches Halbwissen" mein erstes deutsches Rap-Album.
Anfang der 2000er habe ich es dann im Netz runtergeladen - da waren die Tracks allerdings nicht nummeriert, ich habe sie seither immer in alphabetischer Reihenfolge gehört und dann heute zum ersten mal seit fast 20 Jahren wieder in der tatsächlichen Abfolge. Geändert hat das allerdings nichts - "Großes Kino" ist ein zeitloses Meisterwerk, egal in welcher Reihenfolge.
Zwei Jahre nach dem Debut-Album ist Vieles beim Alten geblieben, einige entscheidende Dinge haben sich jedoch geändert: die Samples sind teilweise etwas experimenteller sowie die Flows souveräner geworden - und die Fähigkeiten im Texteschreiben nochmal deutlich versierter. Schon einige Jahre bevor Rotzlöffel auf Youtube 8fach-Reime zählten und Wortspiele analysierten, wurde in diesem Bereich die Messlatte ziemlich hoch gelegt - und nun leiden Wortwahl und Formulierungen nicht mehr darunter, die Texte wirken unverkrampft und natürlich.
Wieder nehmen die nicht sonderlich ernsten Themen- und Storyteller-Tracks den größten Raum ein, ergänzt durch einige Rapresenter. Die Features (MC Rene, Manuva, Oh Vocalist (!?)) tragen nix substantielles bei, ziehen die Tracks aber auch nicht herunter.
Zur Zeit der Prouktion wohnte die Band in einer WG, dem sogenannten "Haushalt 2000". Beim hören des Albums kann man sich gut vorstellen, wie man sich dort gemeinsam kreativ austobte, aber auch gegenseitig anspornte, sich noch weiter zu verbressern; alle Tracks wirken sehr rund und ausgefeilt. Auf "Kein Zufall" wechselten sich die Topf-MCs noch häufig während der Parts ab und es gab jede Menge Call and Response, auf dem Nachfolger wurde dies stark zurückgefahren. Recht ungewöhnlich ist, wie mehrfach Themen auf Songs in den verschiedenen Parts ganz unterschiedlich verarbeitet wurden, sodass gleich mehrere Songkonzepte in einem untergebracht werden. Auf "Autos und Frauen" wird sich im ersten Part einmal quer durch die deutsche Landkarte gereimt, während im zweiten dann eine Geschichte erzählt wird, dessen Plottwist am Ende jeden Shyamalan-Film in den Schatten stellt, oder auf "Fuck the System" wird zunächst der eigene jugendliche Kampf gegen das System mit einem Augenzwinkern abgearbeitet, während der zweite Part eine verrückte Geschichte und der letzte abstruse Wortspiele ins Zentrum rückt.
Aus der Masse an Hits einzelne Highlights hervorzuheben ist nicht so einfach. Natürlich ist "Fensterplatz" zu nennen, dessen eigentlich recht monotones "Love Unlimited"-Sample (das wenig später auch von Pete Rock und Masta Ace verwendet wurde) auch heute noch nicht totgehört ist, die schon erwähnten "Autos und Frauen" und "Fuck the System", "Quintessenz" oder "Block und Bleistift". An letzterem lässt sich auch beispielhaft verdeutlichen, wie sich generell an Blumentopf die Geister scheiden: Die einen finden einen Track über Bleistifte, die spitz sind und es ohne Gummi machen, und deren Beziehungen zu Papierbögen, aus denen am Ende der Text des Songs entsteht, furchtbar albern, verkopft und banal und würden dem Streber, der sowas schreibt, gerne in den wohlstandsverwahrlosten Arsch treten - die anderen finden die Idee kreativ und die Umsetzung genial.
Negativ heraus fällt nur ein Track - komischerweise einer der größten Hits von Blumentopf: "Safari", das mit nervigem Sample und dämlicher Hook zum skippen animiert. Der Solo-Track "Das Eine" von Shu würde heutzutage wohl einen Sexismus-Aufschrei auslösen, aber so war das eben damals, im letzten Jahrtausend.
Hits: Fensterplatz, Autos und Frauen, Fuck the System, Quintessenz, Block und Bleistift
Flop: Safari
"Großes Kino" ist es ein in sich stimmiges Album mit stabilen Beats und guten Lyrics, das voller Ideen und Originalität steckt. Klare 10/10.